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Elisabeth Mann-Borgese liegt hier einen Band mit neuen Prosatexten vor: Es sind bitter-böse, grotesk-surreale, pessimistisch-makabre Geschichten, in denen sie apokalyptische Horrorszenarien unserer von Massenvernichtungswaffen, Genmanipulation, Klonen oder virtuellen Welten bedrohten Zeit entwirft.

Produktbeschreibung
Elisabeth Mann-Borgese liegt hier einen Band mit neuen Prosatexten vor: Es sind bitter-böse, grotesk-surreale, pessimistisch-makabre Geschichten, in denen sie apokalyptische Horrorszenarien unserer von Massenvernichtungswaffen, Genmanipulation, Klonen oder virtuellen Welten bedrohten Zeit entwirft.
Autorenporträt
Elisabeth Mann Borgese, geboren 1918 in München, 1933 Emigration mit den Eltern in die Schweiz. Nach Abitur Diplom als Pianistin. 1938 Übersiedlung in die USA, 1939 Heirat mit dem aus Italien emigirierten antifaschistischen Schriftsteller G. A. Borgese.
Seit den fünfziger Jahren engagierte sich die Autorin auf vielfältige Weise für Demokratie, Umweltschutz und Meereserhalt. Sie war Gründerin des International Ocean Institute, Mitbegründerin des Club of Rome und Professorin für Politische Wissenschaften und Seerecht.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.05.2002

Sturzflug mit Golo
Bitterböse: Elisabeth Mann Borgeses phantastische Erzählungen

Als Elisabeth Mann Borgese Anfang dieses Jahres überraschend starb, war eine größere Öffentlichkeit für einen Moment mehr als nur respektvoll erschüttert. War es doch erst wenige Wochen her, daß die scheinbar so vitale wie muntere Achtzigerin durch ihre führende Rolle in Heinrich Breloers Dreiteiler "Die Manns" das Fernsehpublikum für sich und die Ihren gewonnen hatte. Dem längst zum Klischee geronnenen Bild des egomanen, lieblos-narzißtischen Thomas Mann, unter dessen patriarchaler Familienregie die sechs Kinder unweigerlich einen großen Frostschaden fürs Leben abbekommen hätten, konnte sie noch ein paar hellere und freundliche Töne entgegensetzen.

Manche haben die Vorzugstochter des Großschriftstellers daraufhin des Harmonisierens verdächtigt. Wer aber meint, Elisabeth Mann Borgese habe eine Neigung gehabt, die Augen vor Konflikten zu verschließen, wird sich bei der Lektüre ihrer phantastischen Erzählungen die Augen reiben. Nach "Der unsterbliche Fisch" (1998) ist nun ein zweiter Band erschienen, in dem es "bitterböse" und "pessimistisch-makaber" zugeht - der Klappentext verspricht, in dieser Hinsicht, nicht zuviel. Schon die Titelgeschichte "Wie Gottlieb Hauptmann die Todesstrafe abschaffte" überfällt den Leser geradezu mit blutigen und grotesken Einzelheiten. Erst auf einen Albtraum von Metzelei und abgeschlagenen Köpfen folgt, Gottlieb Hauptmann sei Dank, das angekündigte gute Ende. In einer anderen, in ferner Zukunft spielenden Erzählung erfindet die Autorin eine monströse Massenvernichtungswaffe, eine Zeit-Bombe im buchstäblichen Sinn, die Jahrzehnte auf Sekunden zusammendrängen und so die Bevölkerung des Gegners gleich generationsweise hinwegraffen kann.

Die so knapp wie möglich umrissenen Figuren sind in diesen Fabeln und Parabeln nicht mehr als die literarischen Haken, an denen ein gewichtiges Problem aufgehängt wird: genetische Manipulation in "Vogelmenschen", das Klonen in "Molly", virtuelle Wirklichkeiten in "Die drei Wünsche". Technische Möglichkeiten, die sich heute abzeichnen, werden bis an ihr verhängnisvolles Ende gedacht. Man könnte einwenden, daß das, bei allem Sachverstand, oft brachial draufloserfunden und bloß skizzenhaft ausgeführt ist. Aber diese Erzählungen gehorchen eher naturwissenschaftlichen als belletristischen Spielregeln: Mehr als ein literarischer Versuchsaufbau ist gar nicht angestrebt.

Nur die längste Erzählung des Bandes, "Die arme Sinda", läßt sich auf komplexere Gestaltung der Figuren ein. Sinda kommt nicht rechtzeitig zu ihrem Flugzeug - glücklicherweise, denn es stürzt ab. Mit dem Schuldgefühl der Überlebenden sieht sie nun zwischen den beiden Vorgängen eine fatale Kausalität: Eine dämonische Macht sorgt dafür, daß ein Flugzeug immer dann abstürzt, wenn Sinda, die arme Sünderin, es verpaßt. Am Ende will ihr ein gutmütiger Psychiater die fixe Idee austreiben, indem er selbst in ein Flugzeug steigt, das die Patientin vorsätzlich versäumen soll. Aber der Seelenarzt ist sich seines therapeutischen Erfolgs doch nicht völlig sicher. Während des Fluges dreht er schließlich durch und führt den Absturz selbst herbei. Die mit psychologischem Sog erzählte Geschichte geht auf ein traumatisches Erlebnis Golo Manns zurück. Das Flugzeug, in dem dieser saß, konnte gerade noch notlanden, nachdem ein Wahnsinniger die elektrischen Leitungen zerschnitten hatte.

Nicht als Autorin, sondern durch ihr Engagement für die Ozeane und das Seerecht hat sich Elisabeth Mann Borgese internationale Reputation erworben. Sie war Gründungsmitglied des "Club of Rome" - eine Ökologin der ersten Stunde. Da mag es angenehm erstaunen, daß ihre Erzählungen so gar nichts mit rustikaler Bioladen-Poesie zu tun haben. Indes gehörte die apokalyptische Phantasie seit je ebenso zum Inventar des ökologischen Bewußtseins wie die grüne Idylle. Die pessimistischen Szenarios passen also durchaus ins Bild. "Ich muß mich zum Optimismus zwingen, um handeln zu können", schreibt die Autorin im Vorwort über ihr umweltpolitisches Wirken. "Die Novellen sind, in gewissem Sinn, ein Sicherheitsventil."

Anders als etwa in den Werken Klaus Manns zielt hier keine Zeile auf angestrengte Thomas-Mann-Konkurrenz oder -Nachfolge. Dessen ironische Umständlichkeit ist Elisabeth Mann Borgese fremd; sie erzählt skrupellos und drückt aufs Tempo. Die rasanten Bildfolgen der Geschichten erinnern - auch in ihrer bisweilen überdrehten Phantastik - an Comics. Wenn eine Nebenfigur nach einer grotesken Gestalt aus dem Frühwerk des Vaters Tobias Mindernickel heißt, ist das nicht mehr als ein augenzwinkernder Privatspaß. Das letzte Stück, ein ökologisches Märchen, das Kindern die Umweltkrise erklären und "doch noch eine Spalte von Hoffnung und Lebensfreude offenlassen" soll, hat Frau Mann Borgese während einer Flugreise geschrieben, und sicherlich sind alle diese Texte nicht auf einem Schreibtisch mit feierlich brennendem Leuchter, sondern flugs und nebenbei entstanden. John Irving hat die Autorin neben den Science-fiction-Satiriker Kurt Vonnegut gestellt. Dieser charmante Vergleich deutet zumindest an, wie weit sie sich von ihren Ursprüngen emanzipiert hat.

Elisabeth Mann Borgese: "Wie Gottlieb Hauptmann die Todesstrafe abschaffte". Erzählungen. Edition Memoria, Hürth bei Köln 2001. 151 S., br., 18,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Thomas Manns Lieblingstochter Elisabeth, die Anfang dieses Jahres trotz ihres hohen Alters recht überraschend starb, war nicht nur eine engagierte Ökologin, sondern schrieb ganz nebenbei Geschichten, die sich in Stil und Inhalt deutlich von den Werken ihres berühmten Vaters emanzipiert hatten, staunt Wolfgang Schneider. Wer der "Vorzugstochter" vorwerfe, sie habe einen Hang zur Konfliktvermeidung- und verdrängung, werde mit diesem Erzählband eines besseren belehrt, betont der Rezensent. Denn die oft apokalyptischen Geschichten seien alles andere als Weichzeichner einer harmonischen Welt. In vielen sieht sich der Rezensent an Science Fiction und Comics erinnert, denn einerseits thematisiere Mann Borghese die Zukunft und andererseits fielen ihre Figurenzeichnungen meist "knapp" und die Plots und "Bildfolgen" "rasant" aus. "Skrupellos", "bitterböse" und "pessimistisch-makaber", wie im Klappentext angekündigt, führe Mann Borghese den Leser durch die fantastischen Windungen ihrer Geschichten, die Schneider dem Leser nur wärmstens empfehlen kann.

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