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Produktdetails
  • Verlag: Manholt Verlag
  • Seitenzahl: 197
  • Deutsch
  • Abmessung: 20mm x 133mm x 205mm
  • Gewicht: 313g
  • ISBN-13: 9783924903084
  • ISBN-10: 3924903085
  • Artikelnr.: 10682454
Autorenporträt
Pierre Loti (eigentlich Julien Viaud, 1850-1923) war Marineoffizier. Reisen nach Nord- und Südamerika, Tahiti, Tongking (Teilnahme am Boxerkrieg), Indien, China und Japan. Er veröffentlichte seit 1879 Romane, Erzählungen, einige Dramen und Reiseberichte.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.11.2002

Hier ist nichts, niemals
Mit Pierre Loti durch die Wüste / Von Felicitas Hoppe

Weder schreckliche Abenteuer, außergewöhnliche Jagden, Entdeckungen noch Gefahren . . . nein, nichts weiter als die Phantasie eines langsamen Spaziergangs, im Schritt sich wiegender Kamele", verspricht Pierre Loti seinem Leser im Vorwort zu seinem Buch "Le Désert", das 1895 in Paris als erster Band der Trilogie einer Jerusalemreise erscheint. Dabei hatte sich Loti für den damals beschwerlichsten und zugleich gefährlichsten Weg entschieden, von Suez aus über den Sinai nach Akaba und durch die Wüste Petra. Mit der schlichten Begründung: "Weil mich die Führer davon abhalten wollten."

Doch Loti, 1850 unter dem ungeliebten Namen Julien Viaud in Rochefort-sur-Mer geboren, Marineoffizier, der seinen Schriftstellernamen der Laune einer Begegnung in Tahiti verdankt, "glaubt kaum an die mit dieser Reise verbundenen Gefahren, deren eingebildeter Zauber mich nicht hierherführt, aber um das heilige Jerusalem trotz der Überflutung mit Menschen und Dingen in diesem Jahrhundert ohne Glauben doch noch zu sehen, wollte ich auf den alten, verlassenen Wegen dorthin ziehen und meinen Geist durch lange Sammlung in der Einsamkeit vorbereiten."

Und Sammlung heißt im Fall Lotis alles andere als nach innen gerichtete schwärmerische Meditation. Reisender, Schriftsteller und Pilger, in Wirklichkeit aber ein melancholischer Rollenspieler, liebt er es, sich die Kostüme der Kontinente und Zeiten überzustülpen, um in einer großangelegten Fluchtbewegung dem Leben und seinen wechselnden Landschaften auf die Spur zu kommen: "Wirklich notwendig sind diese Verkleidungen nicht . . . aber sehr viel bequemer unter der Sonne des Tages wie an den kalten Abenden, und vor allem viel malerischer, wenn man auf Dromedaren reist; und wer nicht allein ist, schuldet es seinen Gefährten, ihnen das Bild der Wüste nicht durch die lächerliche Figur eines englischen Anzuges zu verderben, und es ist fast eine Frage der Höflichkeit gegenüber dem anderen, sich nach eigenem künstlerischen Belieben zu kleiden."

Schatten- und wechselhaft wie die Verkleidung ist auch die Landschaft, die Loti durchquert, ist auch der Reisende selbst, dem die Suche nach dem Gelobten Land nur Vorwand ist. Augenmensch durch und durch, dessen Beschreibung der Wüste, der sie belebenden Menschen und Tiere, des Wechsels von Wetter und Licht und Schatten, von Ton und Stille, glasklar und mühelos ist. Weil er, unbehindert von überflüssiger Ambition, in ihr untertaucht, ohne in ihr zu versinken. Es ist eine Mischung aus Ehrfurcht und Genuß, die den Reisenden antreibt, als säße er unersättlich an den langen Tischen der Zeit.

Denn Reisen machen nicht satt, sondern hungrig und aufmerksam für jedes Detail, dessen Konturen in der Stille um so deutlicher hervortreten: "Wir brechen auf. Wieder die kahle Wüste, der Kreisbogen des Nichts, so gleichförmig wie ein Meer ohne Schiffe und Ufer." Denn für den Marineoffizier klatschen auch in der Wüste die Zeltwände wie Segel im nächtlichen Wind, "und bei diesem Winterwind wurde es so unheilvoll, daß sich plötzlich zur Anziehungskraft der Leere eine Schwermut aus fernen Zeiten gesellte, ein Bedauern, gekommen zu sein, eine Fluchtanwandlung . . . Hier ist nichts, niemals; es ist ein unheilvoller Teil der Erde, der unberührt bleiben möchte und wohin der Mensch nicht kommen sollte."

Und doch gibt es Menschen in der Wüste, die plötzlich in Gestalt von Wüstenräubern oder Klosterbrüdern ins Licht treten: "Sie erzählen uns mit der größten Gelassenheit von der Welt, von den Abenteuern ihrer Raubzüge und Plünderungen - und wir hören ebenso gelassen zu, so sehr ändern die Breitengrade die menschlichen Ansichten", denn "im Grunde glaube ich, brennen wir alle vor Begierde, angegriffen zu werden." Aber, wie man im Sinaikloster weiß, kennen ewige Landschaften keine menschlichen Ansichten: "Alles ist wie gestern und wie vor tausend Jahren . . . und ein hundertjähriger, von den Klosterregeln befreiter Mönch spaziert mit ihnen umher, tief gebückt unter seinen langen, weißen Haaren und ohne Unterbrechung den Rosenkranz betend."

Kaum mehr als vier Wochen dauert der erste Teil dieser Reise, aber mit dem Erzähler beginnt auch der Leser im Reiten von einer Oase zur anderen, von einer Luftspiegelung zur nächsten, allmählich das Zeitgefühl zu verlieren, bis er am Ende nicht mehr weiß, ob er wirklich ankommen möchte. Kaum in der Stadt, sehnt er sich zurück, denn "in der Wüste war man König, verfügte über Raum ohne Grenzen; hier muß man auf schmalen Pfaden reiten und sich zudem noch recht oft auf die Seite drücken, um seinesgleichen vorüber zu lassen." Pierre Loti, Weltreisender, Erfolgsschriftsteller und vermutlich einziges Mitglied der Académie française, das auf der Sandschaufel seiner Kindheit als Grabbeigabe bestand, ist als Hauptvertreter des französischen Exotismus in die Literaturgeschichte eingegangen. Aber entgegen allen überlieferten und nacherzählenswerten Sonderbarkeiten seiner eigenen Lebensgeschichte ist er alles andere als ein Exot, sondern in erster Linie ein großer Meister der Vorurteilslosigkeit, ein Beobachtungs- und Stimmungskünstler, der nicht reist, um sich selbst zu verwirklichen, sondern um sich immer wieder ins Verhältnis zu setzen zu dem, was uns scheinbar wirklich erscheint. Um am Ende lakonisch und unsentimental seine "unnützen Gewehre" einzupacken. Denn: "Es war eigentlich ein leichter Spaziergang, diese Wüstendurchquerung!"

Pierre Loti: "Die Wüste". Aus dem Französischen übersetzt von Dirk Hemjeoltmanns. Manholt Verlag, Bremen 2002. 192 S., 8 Abb., geb., 20,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"Die rezensierende Schriftstellerin Felicitas Hoppe hat sich an dieser vierwöchigen Wüstenreise offensichtlich sehr erfreut. Autor Pierre Loti wird von ihr als "Augenmensch durch und durch" gewürdigt, dessen Beschreibung der Wüste und der sie belebenden Menschen Tiere sowie sämtlicher Naturphänomene" sie "glasklar und mühelos" findet. Denn "unbehindert von überflüssiger Ambition" tauche Loti in der Wüste unter, ohne aber "in ihr zu versinken". An Lotis Wüstenbuch schätzt sie auch dessen Aufmerksamkeit für jedes Detail. Hoppe bewundert den Weltreisenden, der ihren Informationen zufolge um 1900 in Frankreich ein "Erfolgsschriftsteller" war, auch dafür, dass er "ein Meister der Vorurteilslosigkeit", ein "Beobachtungs- und Stimmungskünstler" gewesen ist, an dessen Wüstenbeschreibung ihr auch eine unsentimentale Lakonie großen Eindruck macht.

© Perlentaucher Medien GmbH"