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Produktdetails
  • Verlag: Rasch & Röhring / Tecklenborg
  • Seitenzahl: 288
  • Erscheinungstermin: Oktober 2001
  • Deutsch, Englisch
  • Abmessung: 300mm
  • Gewicht: 1688g
  • ISBN-13: 9783924044954
  • ISBN-10: 3924044953
  • Artikelnr.: 09893880
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.12.2001

Wenn David mit der Schleuder auf Atomkraftwerke zielt
Die Umweltorganisation Greenpeace feiert ihren 30. Geburtstag – und demonstriert, wie man mit wirkungsmächtigen Bildern und plakativen Aktionen die Welt ein bisschen ändern kann
Es sollte ein großes Fest werden. Nicht mit Champagner und salbungsvollen Reden, denn schickes Essen und Small-Talk passen nicht zum Image. Stattdessen wollte sich Greenpeace zur Feier des Tages so präsentieren, wie die Öffentlichkeit die Umweltorganisation kennt: als Kritikerin an der umweltpolitischen Verantwortungslosigkeit, als widerständiges Element gegen die Macht, als Gruppe, die durch spektakuläre gewaltfreie Aktionen von sich Reden macht. Doch vier Tage vor dem in New York geplanten Greenpeace-Jubiläum zum 30. Gründungstag der Organisation ereignete sich der verheerende Anschlag auf das World Trade Center. In den Wochen danach war in New York natürlich nichts mehr möglich. So blieb der denkwürdige Geburtstag öffentlich unbeachtet.
Die Geburtsstunde von Greenpeace schlug an der kanadischen Ostküste, bemerkenswerterweise mit einer antimilitaristischen Initiative. Am 15. September 1971 lief ein alter Fischkutter unter der Greenpeace-Flagge aus dem Hafen von Vancouver zur ersten Aktion aus. Eine Hand voll „Nonkonformisten, Vietnamkriegs-Gegner, Haschrebellen und Pazifisten”, so die Autoren des üppigen Bildbandes, war zu dem Schluss gekommen, dass Demonstrationen und Flugblätter, die klassischen Mittel der Protestbewegungen, nicht wirksam genug seien. Also nahmen sie sich vor, ins US-amerikanische Atomtestgebiet vor Alaska einzudringen, um den „Advokaten des Todes” mit den Mitteln des passiven Widerstandes ins Handwerk zu pfuschen.
Rettet die Wale
An die erste Aktion und was sie in Gang setzte erinnert jetzt ein Band, der die internationale Greenpeace-Geschichte anhand von mehr als 700 Fotos erzählt. Herausgekommen ist ein zeitgeschichtliches Dokument zu den Highlights und Dauerbrennern einer weltweit agierenden Organisation, die in Mitteleuropa trotz einiger Rückschläge heute als moralische Instanz gilt.
Einige der Ereignisse, die das Buch präsentiert, sind mittlerweile bereits als ökologische Meilensteine erkennbar: so die Aktionen gegen das Wale- und Robbenschlachten in den Siebziger Jahren, die weltweit erste Schornsteinbesetzung bei Boehringer in Hamburg 1981, dessen Fabriken Dioxin freisetzten. In jüngerer Zeit dann die Kampagnen gegen Giftmüllexporte, für den Weltpark Antarktis und für den Ökokühlschrank. Allerdings werden von den Autoren, sicher zu ihrem Leidwesen, auch Dokumente und Fotos zu Niederlagen wie der Kampagne gegen die Ölplattform Brent Spar präsentiert, in der die Umweltorganisation mit falschen Zahlen hantierte und einen schweren Image- Schaden erlitt. Auch weniger bekanntes wird dokumentiert, so der Ballonflug über die Berliner Mauer 1985, die Protestfahrten von Greenpeace-Schiffen in die Sowjetunion oder das Kinder- und Jugendprojekt der Organisation.
Die Prinzipien der ersten Stunde waren so einfach wie effektiv: Man wandte sich durch die direkte Aktion an die Öffentlichkeit und agierte unabhängig von Staat und Wirtschaft. An dieser Politik der reduzierten Mittel und Themen hat Greenpeace, ohne große Neuerungen, über alle personellen und Schauplatzwechsel hinweg bis heute festgehalten.
Auch das lassen die Fotos erkennen: Greenpeace ist mit den Jahren professioneller, ausgebuffter, auch konstruktiver geworden – ohne dass sich an den Leitideen und am Ethos viel geändert hätte. Das Überraschende: Trotz dieses Starrsinns – oder vielleicht gerade deswegen – ist die Organisation nicht als Ein-Generationen-Projekt verendet. Harald Zindler, Greenpeace- Urgestein in Deutschland, spricht in seinem Nachwort von einer „Multikultur in Selbstorganisation”, der es gelungen sei, Angehörige sehr „unterschiedlicher Generationen, Nationalitäten, sozialer Herkünfte in mehr als fünfzig Ländern und dreißig Jahren unter einen Hut zu bringen”.
In der Tat: Mit der Sprache der Aktion und ihrer programmatischen Distanz zu Ämtern und Posten ist es Greenpeace gelungen, immer wieder neue Generationen zu gewinnen und sich in wechselnden Umfeldern durchzusetzen. So in den siebziger Jahren, als „Umwelt” für Politik und Wirtschaft ein Fremdwort war; in den Achtzigern, als die Organisation ihren Schwerpunkt von Nordamerika nach Europa verlagerte und die Atomkraftwerke zum negativen Symbol starker sozialer Bewegungen wurden; seither in der Phase der Institutionalisierung, Entpolitisierung und Professionalisierung des Umweltfrage.
Maßgeblich für den Erfolg war das Gespür für die Bedeutung der Medien in der politischen Kommunikation und für die außerordentliche Sprachkraft der Bilder, das bereits die Gründer 1971 auszeichnete. Greenpeace-Geschichte ist besser als jede andere im Bildmedium zu erzählen. Die Co-Herausgeberin des Buches, Conny Boettger, analysiert die Greenpeace-Performance als eine „Politik der Visualisation” – als Versuch, widerständiges Handeln zielgerecht so anzusetzen, dass es das Material für „Schlagbilder” (Boettger gebraucht den vom Kunsthistoriker Aby Warburg geprägten Terminus) hergibt. Kritiker warnen allerdings davor, dass sich eben dies Prinzip eines Tages abnutzen könnte.
Historische Dokumente dieser Kategorie, Pressefotos und unveröffentlichtes Material, aber auch ungewöhnliche Bildperspektiven und Seitenblicke versammelt das hervorragend gestaltete Buch. Obwohl seine Herausgeber als Kommunikationschef und Bildredakteurin für Greenpeace Deutschland arbeiten, ist aus ihrer Arbeit kein Jubelband geworden; die Bildunterschriften und Kapiteleinleitungen sind sachlich-informativ. Was allerdings noch immer fehlt, ist eine profunde Untersuchung zur Greenpeace- Geschichte, die auch die Analyse des Umfeldes und der organisationsinternen Abläufe einschließt.
Drei Jahrzehnte Greenpeace sind auch ein Anlass, nach der Zukunft der Organisation in einer Zeit zu fragen, in der Umwelt kein Modethema mehr ist, aber an Brisanz nichts verloren hat. Wer sich die Bilddokumente ansieht, stellt fest, dass Greenpeace in den vergangenen Jahren unbeschadet aller Verdienste zum Beispiel bei der Mobilisierung gegen genmanipulierte Lebensmittel oder bei Landwirtschafts-Themen wie BSE durch Abwesenheiten glänzte. Die Idee einer Konsumenten-Initiative scheint man ebenso wenig weiterverfolgt zu haben wie die Ökosteuer-Kampagne, und eine große Initiative zum Thema „Umwelt und Verkehr” ist noch nicht angelaufen.
GÜNTER HOFFMANN
Der Rezensent ist Soziologe, Diplom-Ingenieur und freier Journalist in Berlin.
CONNY BOETTGER, FOUAD HAMDAN: Greenpeace. Changing the World. Die Fotodokumentation, Edition Rasch & Röhring, Steinfurt 2001. 284 Seiten, 68 Mark.
Auf dem Höhepunkt der Kampagne gegen die Versenkung der Ölplattform Brent Spar kam der Absturz: Greenpeace hatte falsche Angaben über Ölmengen und Schadstoffe in Umlauf gebracht. Der erfolgreichen Umweltorganisation hat das zeitweilig sehr geschadet; der Mythos der Unfehlbarkeit war dahin. Das Foto stammt aus dem Geburtstagsbildband, mit dem Greenpeace sich selbst – zu Recht – als wegweisende Grassroot-Organisation für den Umweltschutz feiert.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Mit diesem Bildband, der über 700 Fotos enthält, ist den Herausgebern ein "zeitgeschichtliches Dokument" gelungen, wie der Rezensent Günter Hoffmann feststellt. Dieser Band erzähle die nun dreißig Jahre dauernde Geschichte des Umweltverbandes Greenpeace, der - wie man auch an den Fotos sehen könne- im Verlauf seiner Geschichte professioneller und auch konstruktiver geworden sei. Hoffmann stellt fest, dass sich gerade die Geschichte von Greenpeace dazu eignet, in Bildern erzählen zu werden, denn viele der Fotos würden geradezu als "Schlagbilder" wirken. Insgesamt lobt Hoffmann den Band als "hervorragend gestaltetes Buch", das - wenn es auch von zwei Greenpeace Mitgliedern verfasst worden sei - nicht in überschwängliche Lobhudelei ausgeartet sei, vielmehr sachlich und schlicht informiere.

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