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Was sich jahrhundertelang vor staunendem, geiferndem oder erschüttertem Publikum abspielte, geschieht heute meist hinter hohen Gefängnismauern und mit Giftspritze: eine Hinrichtung. Macht es das besser? So oder so entscheidet der Staat über das Leben von Menschen. Nicht erst seit Saddam Husseins Tod durch den Strang ist die Diskussion über die Rechtmäßigkeit der Todesstrafe wieder losgebrochen. Eine packende Geschichte des brutalen Geschehens im Namen der Gerechtigkeit. Anhand unzähliger Fälle zeichnet der Journalist und Historiker Martin Haidinger die Blutspur der Justiz durch die Geschichte…mehr

Produktbeschreibung
Was sich jahrhundertelang vor staunendem, geiferndem oder erschüttertem Publikum abspielte, geschieht heute meist hinter hohen Gefängnismauern und mit Giftspritze: eine Hinrichtung. Macht es das besser? So oder so entscheidet der Staat über das Leben von Menschen. Nicht erst seit Saddam Husseins Tod durch den Strang ist die Diskussion über die Rechtmäßigkeit der Todesstrafe wieder losgebrochen. Eine packende Geschichte des brutalen Geschehens im Namen der Gerechtigkeit. Anhand unzähliger Fälle zeichnet der Journalist und Historiker Martin Haidinger die Blutspur der Justiz durch die Geschichte nach, nennt die Namen von Henkern und Opfern und gibt Einblicke in die erschütterndsten Fälle. Die Todesstrafe das letzte staatliche Argument im Ringen um Sühne für Kapitalverbrechen, und zugleich das am öftesten missbrauchte Instrument politischer Willkür.
Autorenporträt
Martin Haidinger, Mag. phil., wurde 1969 in Wien geboren und absolvierte dort ein Studium der Geschichte. Seit 1990 arbeitet er als Journalist für österreichische und deutsche Rundfunkanstalten und schreibt für Zeitungen und Magazine. 1996 erhielt Haidinger den Österreichischen Staats-Förderpreis für Wissenschaftspublizistik. Der Buchautor, Romancier und Kabarettist ist außerdem Lehrbeauftragter der Karl-Franzens-Universität Graz und der Katholischen Medienakademie in Wien.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.10.2007

Der letzte Gang
Martin Haidinger hat eine kurze Geschichte der Hinrichtung geschrieben, die auf Schlaglichter setzt

Es hat sich in einigen Medien eingebürgert, von einer Hinrichtung zu sprechen, wann immer es über eine besonders brutale Tötungsaktion zu berichten gilt. Mafiosi richten demnach hin, auch Terroristen, Amokläufer, Bankräuber - wo sie doch eigentlich morden. Der österreichische Journalist und Schriftsteller Martin Haidinger macht in seinem Buch auf diese sprachliche Verfehlung aufmerksam. Er versucht, die Grenzen zwischen Todesstrafe und Mord auszuloten, die heute im Wirrwarr von staatlichen, parastaatlichen und privaten Akteuren immer mehr verschwimmen.

Für die westliche Welt gilt aber bis auf weiteres: Die Hinrichtung im wörtlichen Sinn ist ein Vorrecht des modernen Staates, dem nach Max Weber das Monopol legitimer Gewaltsamkeit zukommt. Eigentlich kann man kein Buch über die Geschichte der Todesstrafe schreiben, ohne Max Weber wenigstens zu erwähnen. Haidinger hat es dennoch getan. Das ist zumindest keine Stärke seines Buches, dessen kleiner Quellenapparat allerdings zeigt, dass dem Autor an strenger Wissenschaftlichkeit nicht gelegen ist. Haidinger geht konsequent anekdotisch vor und wirft, mit erklärter Absicht, lediglich Schlaglichter auf die Geschichte der Hinrichtung, die er in Geschichten zu systematisieren versucht. Nur narrativ könne die notwendige emotionale Nähe zum Sujet hergestellt werden: Wer gegen die Todesstrafe ist, müsse wissen, wie jemand fühle, der den Mörder seiner Liebsten im Gerichtssaal sehe. Und wer für die Todesstrafe ist, sollte eine Vorstellung davon haben, was passiert, wenn mit der Giftspritze, dem angeblich humansten Werkzeug der Henker, versehentlich die Vene durchstochen wird und sich das Gift langsam über das Muskelgewebe im Körper des Verurteilten ausbreitet.

Freilich: Die Todesstrafe ist weit älter als der moderne Staat. Das erste bekannte schriftliche Todesurteil stammt von den Sumerern aus dem Jahr 1850 vor Christus. Der Kodex des babylonischen Königs Hammurabi sah schon Leib- und Lebensstrafen wie Pfählen und Verstümmeln vor. Bei den Griechen, Römern und schließlich im Mittelalter entwickelte sich die Henkerei zu einem Kunsthandwerk, das stets beliebter war als die, die sich darin übten.

Im 19. Jahrhundert, als Folge der Aufklärung, die ihr Glaube an das Gute im Menschen nicht davon abhielt, Hinrichtungsabläufe zu optimieren, sollte die Todesstrafe zu einem bloßen Verwaltungsakt werden. Mit der Moderne einher geht auch die Desinfektion der Hinrichtung. Man soll sie sich als einen klinischen Vorgang vorstellen, der etwa in den Todestrakten amerikanischer Gefängnisse tatsächlich wie eine Operation unter sterilen Bedingungen anmutet. Nur dass der Arzt lediglich kommen darf, um den Tod festzustellen - andernfalls würde er seinen Eid brechen.

Die Geschichte der Hinrichtung, das macht das Buch von Haidinger deutlich, oszillierte seit je zwischen Berauschung und einem Unbehagen, das bisweilen kuriose Blüten getrieben hat. Für die Todeskandidaten, deren Hinrichtung kurz bevorsteht, wird seit je alles getan - sofern es nicht zu ihrer Begnadigung führt. Bei einem Häftling im kalifornischen Staatsgefängnis St. Quentin, der sich zum Schluss seines Lebens die "G'schichten aus dem Wienerwald" von Johann Strauß anhören wollte, führte das dazu, dass mangels Tonbandaufnahme extra ein Orchester einbestellt wurde.

2006 sind nach einer Statistik von Amnesty International offiziell 1591 Menschen hingerichtet worden. Und wenn die Zahl doppelt so hoch läge: Für den Leser bliebe sie eine Zahl. Mehr anzufangen weiß er dagegen mit den Geschichten, die Haidinger, der weder verbergen kann, dass er aus dem schwarzen Wien kommt, noch, dass er auch als Kabarettist arbeitet, zum Besten gibt: über den Schah, der von einer Hinrichtung in Österreich-Ungarn so begeistert gewesen sein soll, dass er darum bat, man möge gleich noch einen Weiteren töten. Oder über den abessinischen Kaiser Melink II., der sich 1890 drei elektrische Stühle liefern ließ, um wenig später festzustellen, dass es in seinem Reich keinen Strom gab.

Solche nicht immer verbürgten Geschichten können vielleicht eine vage Ahnung davon vermitteln, dass die Unterscheidung zwischen Hinrichtung und Mord oft nur eine juristische war. Sie sind aber meist zu kurios, als dass sie, wie es Haidinger beabsichtigt, betroffen machen könnten. Nur Mörder und Opfer wissen, was Mörder und Opfer fühlen.

TIMO FRASCH

Martin Haidinger: "Von der Guillotine zur Giftspritze". Die Geschichte der Todesstrafe. Fakten, Fälle, Fehlurteile. Ecowin Verlag, Salzburg 2007.

222 S., geb., 19,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Eine Geschichte der Todesstrafe mit "kleinem Quellenapparat" und ganz ohne Max Weber anzugehen, findet Rezensent Timo Frasch mindestens gewagt. Die Absicht des Autors, anekdotisch vorzugehen, scheint er mit fortschreitender Lektüre indes immer einleuchtender gefunden zu haben. Immerhin sagt ihm so eine kuriose, wenngleich auch "nicht immer verbürgte" Geschichte, etwa aus der Zeit der Sumerer, mehr als jede Statistik, und er beginnt zu ahnen, dass die Grenzziehung zwischen Mord und Hinrichtung "oft nur eine juristische" war. Was Mörder und Opfer fühlen, vermag ihm allerdings auch Martin Haidinger nicht zu vermitteln.

© Perlentaucher Medien GmbH