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Lucas Cejpek hat sich tief in die Schächte und Bedeutungssphären eines der ungefährlichsten Verkehrsmittel der Weltvorgewagt und sich mit der Wiener U-Bahn auf Forschungsreise begeben - quer durch sämtliche Tunnelsysteme undU-Bahn-Geschichten, mitten hinein in die suburbanen Lebensweisender Großstadtbewohner. Denn im Untergrundwird auch gegessen, gelesen, geliebt und gelitten: Fastfood, U-Bahn-Express, Quickie und Handydrama.Einsteigen, Aussteigen, Umsteigen, kurze Wartezeiten, Schnitt. Tempo und Effizienz der U-Bahn beflügeln seit jehernicht nur die Fantasie der Techniker, sondern auch die…mehr

Produktbeschreibung
Lucas Cejpek hat sich tief in die Schächte und Bedeutungssphären eines der ungefährlichsten Verkehrsmittel der Weltvorgewagt und sich mit der Wiener U-Bahn auf Forschungsreise begeben - quer durch sämtliche Tunnelsysteme undU-Bahn-Geschichten, mitten hinein in die suburbanen Lebensweisender Großstadtbewohner. Denn im Untergrundwird auch gegessen, gelesen, geliebt und gelitten: Fastfood, U-Bahn-Express, Quickie und Handydrama.Einsteigen, Aussteigen, Umsteigen, kurze Wartezeiten, Schnitt. Tempo und Effizienz der U-Bahn beflügeln seit jehernicht nur die Fantasie der Techniker, sondern auch die der Schriftsteller, Fotografen und Filmemacher. Lucas Cejpekbündelt diesen U-Bahn-Kosmos zu einer kleinen literarischen Soziologie, in der die Sätze in losen Notaten so dicht aufeinander folgen wie Haltestellen und Züge.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 18.10.2006

Wer zappelt da im U-Bahn-Netz?
Unterschicht und Unterwelt: Lucas Cejpeks „Dichte Zugfolge”
In der U-Bahn „macht” man einander vielleicht „an”, schaut einander an oder unverschämt nach, aber man redet nicht miteinander. Die U-Bahn ist das ungeselligste, unkommunikativste Verkehrsmittel, wahrscheinlich weil man nicht eigentlich damit „reist”, sondern bloß zwangsweise in einer Blechkiste versammelt ist, die unter einer Stadt durchgeschossen wird, enggedrängt, für wenige Minuten, immer „nix wie raus!” im Kopf. Alle sind tendenziell muffig und aggressiv, und so ist es wohl kein Zufall, sondern sowas wie die inhärente Steigerungsmöglichkeit, die in diesem Verkehrsmittel steckt, dass in den vergangenen Jahren Sprengstoffanschläge in großen Städten fast alle in U- oder S-Bahnen (der Unterschied verschleift sich ja) stattfanden: Das Medium arbeitet den Fanatikern in die Hände, Rauchentwicklung und Panik sind hier intensivst garantiert.
Keine Wunder also, dass der Wiener Autor Lucas Cejpek ein Buch, das eine nichtsnutzig unterhaltsame Plauderei hätte werden können, beklemmend enden lassen muss. Das Wiener U-Bahn-Netz ist sein Kiez, sein anthropologisches Beobachtungsobjekt für fragmentarische und dennoch „dichte” Beschreibungen jener „Unterwelt”, die in 89 Städten dieser Erde die städtische Oberwelt gar nicht mehr ohne Unterwelt denken und funktionieren lässt. Dabei wollen wir von der klebrigen Enge und Hässlichkeit der meisten U-Bahnen eigentlich nicht viel wissen, deshalb auch spielen so vergleichsweise wenige Bücher und Filme da unten, und wenn, dann sind es meistens Katastrophenfilme, und selten endet einer davon happy (ja, es gibt natürlich den schönen Film „Zazie dans le métro” von Louis Malle und Raymond Queneau, aber Zazie, die süße Göre merkt ja gar nicht, dass sie am Ende schlafend doch noch U-Bahn gefahren ist . . .).
Das Versteck der Fische
„Ausgemusterte Wagen der New Yorker Subway werden ins Meer geworfen, wo sie den Fischen als Versteck dienen” – solche Notizen und Miszellaneen, Aphorismen und bizarren, aber realistischen Zeitungsmeldungen, spielerisch produzierte Vergleiche – etwa der U-Bahn mit der einstmaligen Rohrpost, usw. – treten in Cejpeks Text zusammen und produzieren nicht Zusammenhänge oder einen sogenannten kontinuierlichen „Diskurs”, sondern halten uns mit Sprüngen und Rochaden in Bewegung: Selbst denken, selbst weiterdenken macht schlank, ist fruchtbar und zumutbar. Mit täuschender Nonchalance lenkt Cejpek unseren Blick auf eine Art „strukturelle” Wahrheit unter der anschaulichen Oberfläche; Brecht schrieb in den zwanziger Jahren, ein Foto einer Industrieanlage gebe deren Wahrheit gar nicht mehr heraus, denn technisches Funktionieren und die Bilanz seien die Wahrheit einer solchen Anlage, und die sei „in die Funktionale gerutscht”, sei nicht mehr bildlich darstellbar. Das wird’s sein, und genau in diesem Sinne spricht Cejpek von dem, was sich in Tiefen von drei Metern bis 160 Metern in Röhren unter unseren Städten abspielt: Wir sind unterminiert von einem Kabel- und Röhrengewirr, das uns entsubstanziiert hat und durch das allein zugleich unsere Großstädte noch ihre zerfallenden Teile zusammenhalten.
Die wichtigste Population der U-Bahn aber bilden die Angestellten und Arbeiter, die untere Mittelschicht also und die Unterschicht insgesamt, einschließlich der Obdachlosen, die in der U-Bahn ihre Zeitungen an Besserverdienende verkaufen wollen. Aber: „Die Oberschicht nimmt nicht die U-Bahn.” Die anderen sind die Depossedierten und kriegen nicht viel zu sehen, naja, dafür haben sie das Unterschichten-Fernsehen. Auch wenn man an einigen Stellen widersprechen möchte – die Zahlenbeispiele auf Seite 60 können nicht stimmen, da stecken Fehler drin! – was ist das doch über ein überraschendes, unerwartetes, unterhaltsames Buch!JÖRG DREWS
LUCAS CEJPEK: Dichte Zugfolge. Verlag edition korrespondenzen, Wien 2006. 110 Seiten, 15 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Jörg Drews ist von Lucas Cejpeks Buch über die U-Bahnen in aller Welt höchst fasziniert und freut sich, dass es sich nicht allein in nebensächlichen Betrachtungen ergeht, sondern zum Nachdenken anstiftet. Der Rezensent preist die vielen Beobachtungen, Überlegungen, Fundstücke oder skurrilen Meldungen über die U-Bahn als sowohl überraschend wie sehr vergnüglich, wobei er betont, dass Cejpek auch durchaus tiefgründige Überlegungen beispielsweise zur Soziologie der Untergrundbahn anstellt. Ein sehr gelungenes Buch, resümiert der Rezensent, auch wenn er glaubt, dass sich beispielsweise auf Seite 60, wo Zahlen rund um die U-Bahn versammelt sind, einige Irrtümer verstecken.

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