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'Mit mir schläft man auf hartem Boden unter Skorpionen, aber auch dort, wo man Früchte pflückt und murmelt, du bist die Farbe, du bist die Farbe.' Radikal und kompromisslos lebt Tomaz Salamun seine eigenen Albträume und Ekstasen, doch er lebt auch unsere. Er verzeichnet "in extremis" die Wunder und Verbrechen des sich selbst verschlingenden und gebärenden Kosmos, 'den Kampf um den Samen, der im All abläuft'. "Ballade für Metka Krasovec" ist ein Buch über Liebe und Lust. Ein Buch, in dem Salamun die Erlebnisse eines aufwühlenden Jahres bannt, durchwirkt von seiner Poesie, in der es keine…mehr

Produktbeschreibung
'Mit mir schläft man auf hartem Boden unter Skorpionen, aber auch dort, wo man Früchte pflückt und murmelt, du bist die Farbe, du bist die Farbe.' Radikal und kompromisslos lebt Tomaz Salamun seine eigenen Albträume und Ekstasen, doch er lebt auch unsere. Er verzeichnet "in extremis" die Wunder und Verbrechen des sich selbst verschlingenden und gebärenden Kosmos, 'den Kampf um den Samen, der im All abläuft'. "Ballade für Metka Krasovec" ist ein Buch über Liebe und Lust. Ein Buch, in dem Salamun die Erlebnisse eines aufwühlenden Jahres bannt, durchwirkt von seiner Poesie, in der es keine Trennung zwischen realem und Surrealem, zwischen Magie und Wirklichkeit gibt.Warme Erinnerung an die Kindheit in Slowenien, die Hochzeitstagemit seiner Frau Metka, die Nächte mit seinem mexikanischenGeliebten Alejandro ('siehst du denn nicht, dass er mir als Christus erschienen ist') - alles wird einer befreienden Poetik der omnipräsenten Verzückung unterworfen und folgt den Geboten der 'Transgression', der Überschreitung poetischer Geschmacks- und Tabugrenzen.
Autorenporträt
Tomaz Salamun, geb. 1941 in Zagreb, aufgewachsen in Koper, lebt in Ljubljana. Er gilt als 'der produktivste Störenfried und wortmächtigste Häretiker in der slowenischen Gegenwartsliteratur' (Michael Braun). Seine Gedichte sind in fast alle europäischen Sprachen übersetzt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.03.2006

Wenn alles zum Vorschein kommt
Mehl von Meißner Tellern: Der slowenische Dichter Tomaz Salamun ist zu entdecken

Mit "Poker", einem im Selbstverlag veröffentlichten Gedichtband, betrat 1966 der damals fünfundzwanzigjährige Slowene Tomaz Salamun die literarische Bühne von Titos Jugoslawien. Man wüßte gern, ob in "Poker" auch das Anagramm von Koper mitgemeint ist, einer unfern von Triest gelegenen Hafenstadt, wo der 1941 in Zagreb geborene Salamun aufwuchs. Passen würde es zu diesem Dichter durchaus, bei dem Scherz und Ernst oft ununterscheidbar sind. Bereits die ersten Verse von "Poker" zeigten sein Pokerface: "Der Bilder meines Stammes müde / bin ich ausgewandert."

Das kann man wörtlich nehmen, denn das politisch wie kulturell erstarrte Nachkriegsjugoslawien konnte das junge Genie nicht halten. Salamun lebte lange in den Vereinigten Staaten, befreundete sich mit John Ashbery und Charles Simic und war sogar zeitweilig slowenischer Kulturattaché in New York. Die eigentliche Auswanderung aber zielte in die Weite einer Sprache, die von einem folkloristisch getönten Surrealismus in die Sphären von Beat-Generation und Pop-art reicht. So weit wie diese Bereiche, so reich seine Produktion. Über dreißig Gedichtbände machten Salamun auch international bekannt.

Seine Anfänge waren nicht ohne Risiko, da Salamun auch politisch gern den Provokateur gab. Daß er es nie ohne Ironie und Selbstironie tat, bewahrte ihn vor dem Schlimmsten. Immerhin kam er für sein Gedicht "Duma 1964" kurz ins Gefängnis. Einer der Verse fragte scheinbar harmlos: "Was soll man / mit einer krepierten Katze machen damit sie nicht stinkt." Doch in der Katze sah sich der Polizeipräsident von Ljubljana karikiert. Er hieß Macek, zu deutsch "Kater". Die Witwe von Oton Zupancic (1878 bis 1949), der mit dem Großgedicht "Duma" das Muster für Salamuns "Duma 1964" geliefert hatte, soll sich beim Lesen der Kontrafaktur vor Lachen ausgeschüttet haben.

"Duma 1964" eröffnet jetzt den Band "Lesen: Lieben". Fabjan Hafner hat die Gedichte aus vier Jahrzehnten zusammengestellt und übersetzt. Ihm verdanken wir auch den im Vorjahr erschienenen Einzelband "Ballade für Metka Krasovec". Wer sich für Salamun interessiert, wird auf zwei weitere Bände zurückgreifen, die Peter Urban übersetzt hat, auf "Vier Fragen der Melancholie" (2003) und "Aber das sind Ausnahmen" (2004). Ein reich gedeckter Tisch. Doch nur ein Bruchteil einer immensen Produktivität.

Was ist ihr Geheimnis? Tomaz Salamun ist kein Artifex, dem es um das Ideal der Vollkommenheit geht. Dabei mangelt es ihm nicht an Selbstgefühl. Er stellt es nur anders aus. Er sucht kein Horazisches Denkmal, dauerhafter als Erz. Er setzt auf eine ununterbrochene Poesie, die selbst der Tod nicht aufhält: "Wenn mich die Würmer / fressen, / werden sie Gold erzeugen, / wie ich, aus allem." Lassen wir offen, ob tatsächlich alles Gold ist. Sagen wir lieber: Salamun liebt auch das Katzengold, wenn es nur ordentlich glänzt.

Salamun ist ein Könner auf der kurzen Strecke, ein Meister der prägnanten Gnomik und der bildhaften Epiphanie. In einem der kurzen Gedichte erinnert er sich an seine Kindheit: "Als ich meinem Vater auf die Schulter kletterte, / wußte ich nicht, daß er sterben würde." Das gibt ihm den Blick für Details: "Blaue Handtücher jagen mir immer Entsetzen ein." Das bedarf keiner näheren Erklärung, weil der Leser sich an eigene Kindheitsschocks erinnert fühlt. An anderer Stelle bekommt solche Erinnerung plötzlich historische Tiefe: "Die deutschen Gefangenen essen aus Blechnäpfen."

Vor allem in den frühen Gedichten gibt es explizit politische Passagen, Einschüsse von Satire und Kritik; etwa den sarkastischen Seufzer: "O wackere Slowenen, erkälteter Gegenstand der Geschichte." Salamun hat sich entschlossen, in historicis einen höheren, zumindest unabhängigeren Standpunkt einzunehmen. Das bewährt sich in jenen Gedichten, die den Totalitarismus in konzisen Sätzen beschreiben. So in dem folgenden, titellosen Gedicht: "Am größten ist die Gnade, die sich dem Grauen / öffnet. Jedes Todessystem gewinnt / Material. Die Dichtung schätzt man bei Hof am höchsten, / denn sie fördert die Fron. / Kafka ist schuld an der Besetzung von Prag." Diese wenigen Zeilen ersetzen lange historische Analysen. Hier ist Salamun auf der Höhe seiner Kunst. Wahrheit ist eben mehr als Gold. Tadeln wir den Dichter aber nicht gleich, wenn er uns in seinen langen Gedichten mit pompösen Arrangements imponieren möchte.

So ist in dem Poem mit dem merkwürdigen Titel "Rathenau. Puppe, Grab" zwar von Stoffpuppen die Rede und auch von Salamun selbst - nicht aber von Rathenau. Es sei denn, wir wollten uns entschließen, in dem evozierten Du den Toten als Liebesobjekt zu sehen. Da bleibt das Groteske hermetisch, und es ist vielleicht besser so. Manchmal wirken die Einfälle, die der Dichter aus dem Ärmel schüttelt, auch unfreiwillig komisch. Etwa: "Mehl trinke ich von Meissner Tellern." Salamun geht solche Risiken gern ein. Vielleicht testet er unser Urteilsvermögen. Einmal heißt es: "Dichten ist die ernsthafteste Beschäftigung auf der Welt / Wie in der Liebe kommt alles zum Vorschein."

Was die Liebe angeht, so darf man die "Ballade für Metka Krasovec" auch als ein Buch der Liebe und der Liebesgeständnisse ansehen. Es gibt sich als Bilanz eines aufwühlenden Jahres. Da steht das Zeugnis der Liebe zur Ehefrau, der Malerin Metka Krasovec, neben der Konfession einer Affäre mit dem Mexikaner Alejandro. Da gibt Salamun sich nach Kräften moralfrei. Aber er provoziert uns nicht sonderlich. Sei es, daß wir stärkeren Stoff gewöhnt sind, sei es, daß wir dem Poeten wie einem genialen Kind alles seiner Spiellust zurechnen. Außerdem genießen wir eine andere Lust, eine mit etwas Degout gewürzte, nämlich die Lust, diesen manchmal ungezogenen, doch nie langweiligen Salamun zu lesen. Und alle Lust will bekanntlich Ewigkeit, wie ihr Dichter auch.

Tomaz Salamun: "Lesen: Lieben". Gedichte aus vier Jahrzehnten. Aus dem Slowenischen übersetzt und mit einem Nachwort von Fabjan Hafner. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2006. 120 S., geb., 19,80 [Euro].

Tomaz Salamun: "Ballade für Metka Krasovec". Gedichte. Aus dem Slowenischen von Fabjan Hafner. Edition Korrespondenzen, Wien 2005. 164 S., geb., 22,20 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

In den USA, in die er 1972 auswanderte, ist der slowenische Lyriker Tomaz Salamun inzwischen viel berühmter als in seiner Heimat. Und in Deutschland war er bislang unbekannt, ein Sachverhalt, an dem sich mit der Veröffentlichung mehrerer seiner Gedichtbände dringend etwas ändern sollte, so der Rezensent Paul Jandl. Bezeichnend für den Dichter ist - nach kämpferisch-dissidenten Anfängen - die Nähe zur amerikanischen Lyrik der Beat-Poeten, aber auch von Wallace Stevens oder John Ashbery. Der Band "Ballade für Metka Krasovec" ist im Original bereits 1981 erschienen und nach der zweiten Frau des Dichters benannt. Der Rezensent erfreut sich an den surrealen Momenten, die Salamun dem amerikanischen Provinzalltag abgewinnt. Gerne scheint sich Jandl hier dem "Fluss der Assoziationen" überlassen zu haben.

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