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In der Gegenwartsgesellschaft dringe die Sprache des Marktes in alle Poren des Sozialen. Selbst unsere rationale Moral mit ihren reziproken Rechten und Pflichten sei dem merkantilen Vertragsprinzip nachgebildet. Darum bringt Habermas das Moralprinzip "Nächstenliebe" ins Spiel, das auch zentraler Gegenstand der ersten Enzyklika des neuen Pontifex ist, die weltweit hohe Aufmerksamkeit erregt. Habermas und der spätere Papst waren sich bei ihrem Zusammentreffen 2004 in der Gesellschaftsanalyse einig und auch darin, dass Gerechtigkeit hergestellt und darüber hinaus die Nächstenliebe angemahnt…mehr

Produktbeschreibung
In der Gegenwartsgesellschaft dringe die Sprache des Marktes in alle Poren des Sozialen. Selbst unsere rationale Moral mit ihren reziproken Rechten und Pflichten sei dem merkantilen Vertragsprinzip nachgebildet. Darum bringt Habermas das Moralprinzip "Nächstenliebe" ins Spiel, das auch zentraler Gegenstand der ersten Enzyklika des neuen Pontifex ist, die weltweit hohe Aufmerksamkeit erregt. Habermas und der spätere Papst waren sich bei ihrem Zusammentreffen 2004 in der Gesellschaftsanalyse einig und auch darin, dass Gerechtigkeit hergestellt und darüber hinaus die Nächstenliebe angemahnt werden müsse. Unterschiedlich sehen beide allerdings die Rolle der Religion im säkularen Staat. Detlef Horster setzt sich in seinem Essay kritisch mit den beiden Positionen auseinander und fragt von einem sozialphilosophischen Standpunkt aus nach den Möglichkeiten und Grenzen religiöser Impulse für die Moral der Gegenwart.
Autorenporträt
Horster, DetlefDetlef Horster lehrte in verschiedenen Funktionen an den Universitäten Utrecht (Niederlande), Kassel, Berlin (Humboldt-Universität), Port Elizabeth (Südafrika) und Zürich. Er war Visiting Fellow am »Institut für die Wissenschaft vom Menschen« in Wien und ist derzeit Professor für Sozialphilosophie an der Universität Hannover.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 13.03.2007

Das Wohlergehen bringt keinen festen Boden unter die Füße
„Jürgen Habermas und der Papst”: Detlef Horster liefert Theorie-Kostproben, Fallbeispiele und Zitate zu Grundfragen von Moral und politischer Gerechtigkeit
Der Haupttitel des schmalen Buches von Detlef Horster, „Jürgen Habermas und der Papst”, ruft unweigerlich das intellektuelle Gipfeltreffen vom Januar 2004 in der Katholischen Akademie München in Erinnerung, das zwischen dem seinerzeitigen Präfekten der Glaubenskongregation sowie alsbaldigem Pontifex Maximus der katholischen Kirche und dem zum Papst der Feuilleton-Zivilgesellschaft avancierten Frankfurter Sozialphilosophen stattfand, der sich im Laufe der Jahrzehnte von einem Verächter der bloß „formalen” Demokratie zum Präzeptor des freiheitlichen Verfassungsstaates gewandelt hat.
Die zentrale Frage nach den vorpolitischen Grundlagen des Verfassungsstaates beantwortete Ratzinger eher im Sinne eines unaufgebbaren substantiellen Bezuges auf den christlichen Glauben. Habermas hingegen erklärt eine von ihren vermeintlichen Quellen abgenabelte, selbstmotivationale Stabilisierung im Sinne des Aufbaus und der Bewahrung demokratischer politischer Tugenden für prinzipiell möglich, plädiert aber zugleich dafür, religiöse Beiträge auch in der modernen politischen Welt als potentiell sinnstiftend ernst zu nehmen und in den säkularen Diskurs einzuspeisen.
Der Untertitel deutet an, worum es daneben noch alles geht: nämlich um einen Streifzug durch zeitlos aktuelle ethische, politische und philosophische Grundfragen nach der guten und gerechten Ordnung sowie den Grundlagen allgemein gültiger moralischer Werte. Niemand wird eine erschöpfende Darstellung erwarten, wenn „Gerechtigkeit, globale und lokale” und im selben Kapitel dann auch gleich noch die Menschenwürde auf nur siebzehn Seiten behandelt werden. Stattdessen bietet der Verfasser hier kleine Theorie-Kostproben, fügt konkrete Fallbeispiele hinzu und präsentiert das eine oder andere gelehrte Zitat. Dass es dabei öfter eher assoziativ zugeht, kann nicht verwundern und trifft im Übrigen auf das gesamte Themenpotpourri zu: Die verbreitete Wehklage über den allgemeinen Werteverfall führt Horster anhand der Kontroverse zwischen Putnam und Habermas zur (bejahten) Frage nach der objektiven Begründbarkeit moralischer Werte; von dort geht es dann über das erwähnte Gipfelgespräch sowie die (abgelehnte) gängige Entgegensetzung von jüdischer Gerechtigkeits- und christlicher Liebesethik weiter zu Anforderungen an eine gerechte und menschenwürdige Sozialordnung, um nach einer kritischen Erörterung der Nächstenliebe, die weniger als abstrakte Fernstenethik und den Menschen überfordernde Allmenschlichkeit denn als konkrete soziale Nähebeziehung zu fassen sei, mit einigen durchaus interessanten Hinweisen auf neuere Untersuchungen zur Moralgenese in frühen Phasen der Sozialisation zu enden.
Was heißt Werteverfall?
Eine solche Tour d’horizon provoziert unvermeidlich mancherlei Nachfragen. So scheint es wenig überzeugend, wenn der Hannoveraner Sozialphilosoph als objektiv geltend solche moralischen Normen anerkennen will, die zum „Wohlergehen der Menschen” beitragen. Mit den nicht nur in modernen westlichen Kulturen zwar allgemein akzeptierten, aber doch hochgradig vagen und in der Konkretisierung kontroversen Werten wie Frieden, Gerechtigkeit und Lebensschutz wird man in realen Konfliktlagen wohl kaum festen Boden unter die Füße bekommen. Außerdem wissen wir aus der bitteren Geschichte konfessioneller Bürgerkriege, dass Menschen eine Staatsordnung oft nur dann erträglich und ihrem Wohlergehen zuträglich finden, wenn in ihr die eine wahre Religion als einzige und allgemein anerkannte herrscht. Nach diesem Muster sind viele Staaten der Welt noch heute verfasst.
Ziemlich umstandslos deklariert Horster zudem Demokratie und Menschenrechte als Erbschaft des Christentums beziehungsweise (wie heute gerne üblich, aber in der Sache keineswegs überzeugender) als jüdisch-christlicher Tradition entstammend. Und wenn er im Gerechtigkeitskapitel unter ausgleichender Gerechtigkeit die Zubilligung eines Ausgleichs an „die Benachteiligten” und somit sozialstaatliche Kompensationsmaßnahmen versteht, so geht damit der strukturelle Sinn der aristotelischen Unterscheidung zwischen ausgleichender und verteilender Gerechtigkeit vollständig verloren.
Ungeachtet derartiger Einwände lässt sich der auf trockene Belehrung durchweg verzichtende und flüssig geschriebene Essay trotz der Sprunghaftigkeit seiner Argumentation und der entbehrlichen autobiographischen Einsprengsel recht angenehm lesen. In der Sache verdient insbesondere die Zurückweisung der populären Rede vom allgemeinen Werteverfall Zustimmung, des weiteren die Klarstellung, dass es sich dabei oft nur um den Abfall mehr oder minder weiter Teile der Gesellschaft von vormals dominierender Lehre und Praxis einer bestimmten Glaubensrichtung, etwa der christlichen Großkirchen, handelt, wie sich an der in wenigen Jahrzehnten fundamental gewandelten Sexualmoral leicht demonstrieren lässt. In diesen und weiteren Lockerungen kirchlicher Bindungen liegt der auch durch neuere Forschungstendenzen nicht in Frage gestellte harte Kern des Säkularisierungsprozesses moderner Gesellschaften.
Im Übrigen darf ein Verfall moralischer Werte natürlich nicht mit der weltanschaulichen Frage eines Werterelativismus verwechselt werden. Angesichts des gerade vom Vatikan beharrlich ausgesprochenen Verdiktes des Werterelativismus als eines Erzübels unserer Zeit sei daran erinnert, dass sich die größten Katastrophen der jüngeren Geschichte einem dezidierten (politisch, rassisch oder auch religiös verankerten) Wertabsolutismus verdanken. HORST DREIER
DETLEF HORSTER: Jürgen Habermas und der Papst. Glauben und Vernunft, Gerechtigkeit und Nächstenliebe im säkularen Staat. Transcript Verlag, Bielefeld 2006. 127 Seiten, 13,80 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Als besonders verdienstvoll begrüßt Rezensent Horst Dreier die Kritik des Autors an der Rede vom allgemeinen Werteverfall. Detlef Horster habe einen gut geschriebenen "Streifzug" durch ethische und politische Grundfragen vorgelegt und verzichte auf "trockene" Belehrungen. Mit Jürgen Habermas halte Horster moralische Werte für objektiv begründbar, wobei der Rezensent sich mit der Begründungskategorie "Wohlergehen der Menschheit" nicht zufrieden gibt, denn sie sei historisch relativ. Auch die "umstandslose" Genese von Menschenrechten und Demokratie aus einer jüdisch-christlichen Tradition wird vom Rezensenten kritisiert. Interessante Hinweise wiederum könne man zum Thema Nächstenliebe finden, wenn der Autor aktuelle Untersuchungen zur Moralgenese einbeziehe. Rezensent Dreier betont auch, dass es einen Unterschied zwischen Werteverfall und Werterelativismus gebe, und erinnert daran, dass die größten Katastrophen des zwanzigsten Jahrhunderts von Werteabsolutisten ins Werk gesetzt wurden.

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»Insgesamt bietet Horster eine reichhaltige Quelle zur Beschäftigung mit dem Verhältnis von Religion und säkularem Staat angesichts der Herausforderungen von rationalem Diskurs, Gerechtigkeit und Nächstenliebe. Mit der Rezeption der Habermas-Ratzinger-Debatte als Referenzgröße ist sein Buch für die notwendige kritisch-theoretische Diskussion über Deus Caritas est von unschätzbarem Wert.« Markus Raschke, Stimmen der Zeit, 8 (2008) »Ein exemplarischer Diskurs über Moral in der Gegenwartsgesellschaft!« Jens Walter, www.lehrerbibliothek.de, 8 (2007) »Das Buch ist wirklich gut.« Gert Scobel, 3sat buchzeit, 5 (2007) »Der auf trockene Belehrung durchweg verzichtende und flüssig geschriebene Essay [lässt sich] recht angenehm lesen. In der Sache verdient insbesondere die Zurückweisung der populären Rede vom allgemeinen Werteverfall Zustimmung, des weiteren die Klarstellung, dass es sich dabei oft nur um den Abfall mehr oder minder weiter Teile der Gesellschaft von vormals dominierenderLehre und Praxis einer bestimmten Glaubensrichtung, etwa der christlichen Großkirchen, handelt.« Horst Dreier, Süddeutsche Zeitung, 13.03.2007 »Es zeigt sich, dass die Verhältnisbestimmung zwischen Glauben und Vernunft, zwischen den unabgegoltenen Gehalten religiöser Rede und der (vermeintlich?) nachmetaphysischen Philosophie noch lange nicht abgeschlossen und vielleicht auch auf Dauer gestellt ist. In diesem Sinne kann der Essay eine interessante Grundlage für die weitere fruchtbare Auseinandersetzung sein.« A. Bohmeyer, Zeitschrift für Theologie und Philosophie, 3 (2007) »Die Analysen von Detlef Horster [...] sind kurzweilig zu lesen. Der Autor vermag philosophisch komplexe Sachverhalte verständlich zu fokussieren.« Ingeborg Feige, neue caritas, 1 (2007) Besprochen in: ID, 52 (2006) KirchenZeitung für das Bistum Aachen, 2 (2007), Peter Pappert Hannoversche Allgemeine Zeitung, 13.04.2007, Karl-Ludwig Baader reformierte presse, 4 (2007), Bernd Berger freiheit der wissenschaft, 2/6 (2008) WLA-online-Archiv, 48/1 (2009), Dietrich Schotte Theologische Rundschau, 75/2 (2010)…mehr