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Auf über 200 Seiten beleuchtet Johannes Paul II. Phänomene der Gegenwart im Licht der Geschichte. Das Buch ist das politisch-philosophische Vermächtnis des verstorbenen Pontifex. Er spricht darin alle wichtigen Menschheitsfragen aus christlicher Sicht an - Demokratie, Freiheit und Frieden, das Thema Menschenrechte sowie das Verhältnis von Kirche und Staat.

Produktbeschreibung
Auf über 200 Seiten beleuchtet Johannes Paul II. Phänomene der Gegenwart im Licht der Geschichte. Das Buch ist das politisch-philosophische Vermächtnis des verstorbenen Pontifex. Er spricht darin alle wichtigen Menschheitsfragen aus christlicher Sicht an - Demokratie, Freiheit und Frieden, das Thema Menschenrechte sowie das Verhältnis von Kirche und Staat.
Autorenporträt
Johannes Paul II. wurde am 18. Mai 1920 als Karol Wojtyla im polnischen Wadowice geboren. Er studierte zunächst Literaturwissenschaften und war Schauspieler in einer Krakauer Theatergruppe. Nach seinem Theologiestudium, das wegen der deutschen Besatzung in Polen weitgehend im Untergrund stattfinden musste, wurde er 1946 zum Priester und knapp zwölf Jahre später, im Jahre 1958, bereits zum Bischof geweiht. Ab 1964 Erzbischof von Krakau, wurde er 1967 zum Kardinal ernannt und 1978 als Nachfolger Johannes Pauls I. zum Papst gewählt. Johannes Paul II. ist der erste polnische und seit 1522/23 der erste nicht italienische Papst. 1981 wurde er bei einem Attentat auf dem Petersplatz schwer verletzt. Am 2. April 2005 verstarb Johannes Paul II.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.03.2005

Ich habe das Böse erfahren
Raum des Anstoßes: Das neue Buch von Papst Johannes Paul II.

Die Bücher des Papstes haben, anders als ein Gerücht es will, eine hohe innere Konzision. Weit entfernt davon, bloße Kompilationen von diversen Papieren zu sein, folgen sie stets einem nachvollziehbaren Gedanken. Nicht deduktiv allerdings ist ihre Logik, sondern sie entwickelt sich, mit großer Geduld, in wiederholten Antizipationen und Rückgriffen, bis die leitenden Motive klar erkennbar werden. Der aktuelle Band geht auf Gespräche im Jahr 1993 zurück, die der Papst mit den polnischen Philosophen Józef Tischner und Krzystof Michalski führte. Sie stellen den Versuch dar, auf die Geschichte des zwanzigsten Jahrhunderts eine theologische Antwort zu finden. Ausgangspunkt sind deshalb die "Ideologien", ja die "Philosophien des Bösen", unter denen der Papst den Nationalsozialismus und den Kommunismus versteht. Beide werden auf ihre philosophischen Wurzeln in der Aufklärung befragt.

Und sofort ist man in der geistigen Welt, die dem Papst am angelegensten ist, in Polen nämlich und in der Mystik. Die Kraft zum Widerstand gegen das Böse sieht er exemplarisch formuliert im Tagebuch der heiligen Faustina Kowalska. Ihr Grab liegt in Krakau, wo Johannes Paul II. vor seinem Pontifikat amtierte. Ihr habe Christus "die Gnade verliehen, die Wahrheit von der göttlichen Barmherzigkeit in besonders erleuchteter Weise zum Ausdruck zu bringen".

Soweit die Freiheit des Menschen gemeint ist, neigt der Papst dazu, der Aufklärung und selbst der Französischen Revolution eine positive Wirkung zuzugestehen. Allerdings sei sie verantwortlich für die Versuche einer Entchristlichung Europas; Wirklichkeiten würden seit Descartes systematisch zugunsten von Konstruktionen zurückgedrängt. Und wieder führt der Weg sehr schnell in die Heimat des Papstes, zu den polnischen Phänomenologen wie Roman Ingarden und zur "realistischen Philosophie". Die Untaten des zwanzigsten Jahrhunderts sieht der Papst als Folgen der Entchristlichung: "Der Mensch war allein geblieben." Unter diesem Gesichtspunkt vergleicht er die deutsche Vernichtungspolitik mit anderen ideologisch motivierten Verbrechen, so wird die vom Stalinismus organisierte Hungersnot erwähnt, bei der Anfang der dreißiger Jahre ukrainische Bauern in großer Zahl umkamen.

Man könne es, so erklärt der Papst dann weiter, "an diesem Punkt nicht unterlassen, ein Problem anzusprechen, das heute außerordentlich aktuell und schmerzlich ist". Gemeint ist die "legale Vernichtung gezeugter, aber noch ungeborener menschlicher Wesen". Man hat in der deutschen Öffentlichkeit hier und da noch vor dem Erscheinen des Buches Anstoß schon an der räumlichen Nähe genommen, in der diese Überlegungen zueinander stehen. Wer aber das Buch liest, wird Mühe haben, das angeblich Skandalisierende überhaupt zu finden. Denn es muß ja das Recht des Papstes sein, Ereignisse oder ganze geschichtliche Ketten nicht wie ein akademischer Historiker zu sehen, sondern sie ausschließlich in jenem Licht zu betrachten, das von der kirchlichen Lehre her auf sie fällt. Was der Papst feststellt, kann und will mit der historischen Forschung nicht konkurrieren - und die Kritik wäre an dieser Stelle etwa so sinnvoll wie der Einwand eines Kriminalkommissars gegen die These des Papstes, beim Attentat des Ali Agca müsse "jemand" die Kugel des Attentäters Ali Agca "geleitet und umgeleitet" haben.

Wie stets in den Schriften des Papstes ist der polnische Patriotismus ein deutlich sichtbares Element. Er steht der kirchlichen Lehre nicht entgegen, bildet vielmehr eine Art natürliches Fundament. Unbefangen spricht der Papst von den Familien, den Sippen und den Nationen als den natürlichen Gemeinschaften, die in Rechtsverhältnissen und Verfassungen nie ganz aufgehen können. "Vaterland" wird in Beziehung gesetzt zur "Vaterschaft" und zur Weitergabe des Lebens. "Das geistige Erbe, das uns vom Vaterland übergeben wird, erreicht uns über unseren Vater und unsere Mutter und begründet in uns die entsprechende Pflicht zur pietas."

Nun waren gerade in Polen Katholizismus und nationale Selbstbehauptung immer verschränkt. Wer etwa den Roman "Quo vadis?" von Henry Sienkiewicz liest - der dem Autor immerhin den Nobelpreis einbrachte - der bemerkt eine christologische Vision im Patriotismus selbst: Polen lebt, als leidende, zwischen den Großmächten aufgeteilte Nation, in der Nachfolge Christi, und zwar gerade dann, wenn es für seine nationalen Rechte eintritt. Vieles von dieser Ideenwelt ist im Buch des Papstes lebendig, ja vielleicht ist er der letzte Papst, für den patriotische Gefühle eine solche Rolle spielen.

Damit ist man der empirischen Person von Johannes Paul II. schon sehr nahegekommen, die wohl bei keinem früheren Papst so sehr als Schnittpunkt des theologisch Gemeinten erschienen ist: "Es wurde mir das Schicksal zuteil", sagt er, "eine persönliche Erfahrung der Ideologien des Bösen zu machen." Und so hat er auch den Schutz vor dem Bösen in einer persönlich dramatischen Weise erlebt, als er das Attentat - am Jahrestag der Offenbarungen von Fatima - überlebte. Indem die Linien in der persönlichen Erfahrung zusammenlaufen, gehört dieser Papst denn auch ganz der Gegenwartsmoderne an.

Langsam nähern sich die Gespräche den Titelmotiven Identität und Erinnerung, die für den Papst das Wesen der Kirche begründen. Das Zentrum der Gespräche aber ist die Sorge um die "Strömung der Anti-Evangelisierung" in Europa, die einen Kampf "gegen das Leben in seinem Anfangsstadium wie in seiner Endphase" führe. Diese Richtung verfüge über "große Zentren ökonomischer Macht, mit deren Hilfe sie versucht, den Entwicklungsländern die eigenen Konditionen aufzuzwingen". Und der Papst, der weit davon entfernt ist, demokratische Regierungssysteme grundsätzlich zu kritisieren, fragt doch auch, ob es nicht "unter dem Anschein der Demokratie" eine "andere Form des Totalitarismus" geben könne.

LORENZ JÄGER

Johannes Paul II.: "Erinnerung und Identität". Gespräche an der Schwelle zwischen den Jahrtausenden. Deutsch von Ingrid Stampa. Weltbild-Verlag, Augsburg 2005. 224 S., geb., 14,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.03.2005

Das Buch gegen Verwüstung
Der Papst sieht in der Aufklärung einen Anschlag auf die Sittlichkeit
Ende April 1994 erhielt der Journalist Vittorio Messori einen weißen Umschlag. Darin befanden sich die Antworten Johannes Pauls II. auf einen Fragenkatalog, den Messori für ein Fernsehinterview zusammengestellt hatte. Das Interview ließ sich nicht realisieren, aber aus den päpstlichen Notizen wurde ein Verkaufserfolg. „Die Schwelle der Hoffnung überschreiten” erschien im Herbst 1994. Der Schlüsselsatz lautete: „Die Welt ist nicht in der Lage, den Menschen glücklich zu machen; sie ist nicht in der Lage, vor dem Bösen in all seinen Erscheinungsformen zu retten. Diese Welt mit all ihren Reichtümern und ihren Mängeln muss gerettet, muss erlöst werden.” Schon im Juli 1993 aber hatte den Papst die Frage nach dem Sinn des Bösen beschäftigt - in jenen sommerlichen Gesprächen mit den philosophischen Freunden Jozef Tischner und Krzysztof Michalski, die der Verlag recht kühn „Gespräche an der Schwelle zwischen den Jahrtausenden” nennt und als „philosophisches Vermächtnis” bewirbt.
Die mit zwölfjähriger Verspätung veröffentlichten Gedanken zeigen einmal mehr die Geschlossenheit dieses spirituellen Weltbilds. Wenn „Erinnerung und Identität” ein Vermächtnis sein sollte, dann ist das gesamte Pontifikat dieses gläubigen Philosophen ein Testament, eine Botschaft der Geschichte, in deren Namen er das Wort ergreift, an die Mitwelt. Und diese Botschaft scheut nichts so sehr wie Lauheit und Kompromisslertum. Auch in der ebenfalls im Jahr 1993 entstandenen Enzyklika „Veritatis splendor” forderte der Papst einen unbedingten „Gehorsam gegenüber den universalen sittlichen Normen”. Pragmatismus, Materialismus und vor allem ein rücksichtsloser ethischer Liberalismus, der Freiheit und Verantwortung entkoppelt, erschienen ihm als Anschlag auf die Sittlichkeit. Diesem in sich konsequenten Argumentationsstrang folgt auch „Erinnerung und Identität”.
Einmal mehr geht der einstige Theaterautor Karol Wojtyla von einem dramatischen Weltverständnis aus. Die Menschheitsgeschichte sei das „Schauspiel der Koexistenz von Gut und Böse”. Vor dem Ende der Zeiten also kann das Böse nicht besiegt werden; Leid und Schmerz werden immer ein Teil der Welt bleiben. Dennoch glaubt der Papst einen historischen Moment exakt bezeichnen zu können, der „in qualitativ neuer, bis dahin nie . . . gekannter Form den verheerenden Erscheinungen des Bösen den Weg geebnet” hat. Dieser präzedenzlose Augenblick war, so Johannes Paul II., die Geburt der europäischen Aufklärung, das „Cogito, ergo sum” des René Descartes. Seither habe das Bewusstsein den Vorrang vor dem Sein, und gelte deshalb das Ich mehr als jedes Nicht-Ich, mehr als der Nächste, mehr als ein ins Menscheninnere verlagerter Gott. Als Kind der Aufklärung lebe das moderne Subjekt jenseits von Gut und Böse, „außerhalb jenes Wertezusammenhangs, dessen Quelle Gott selbst ist”.
Fehlen von etwas Gutem
Dass der Pontifex die Dialektik der Aufklärung derart zuspitzt, kann nicht überraschen. Auch dass er dem katastrophischen Szenario eine ebenso dialektische Volte entgegensetzt - „Wo das Böse zunimmt, dort nimmt auch die Hoffnung auf das Gute zu” -, fügt sich ins homiletische Konzept. Seltsam schwach konturiert ist jedoch der zentrale Begriff. Das Böse, heißt es, sei „das Fehlen von etwas Gutem, das in einem bestimmten Wesen eigentlich vorhanden sein müsste; niemals jedoch ist es ein totales Nicht-Vorhandensein des Guten.” Diese Definition geht auf Thomas von Aquin zurück, und wer sie mit Inhalt füllen will, muss sie um den Kern der thomasischen Philosophie erweitern: das Naturrecht.
Das Böse wäre demnach die Abkehr von der Einsicht, dass jeder Mensch als sein eigener Zweck ein absolutes Recht hat, würdevoll zu leben, von der Zeugung bis zur Bahre. Alle Kriege verstoßen folglich gegen das Naturrecht, sind „Explosionen des Bösen”. Auch wenn die Natur ausgebeutet wird, entgrenzter Kapitalismus die Verelendung der Massen vorantreibt oder Forscher ins menschliche Erbgut eingreifen, erhebt demnach das Böse sein Haupt. Ebenso verwerflich seien aktive Sterbehilfe und Abtreibung; beide stellten einen „schweren Übergriff gegenüber einem unschuldigen menschlichen Wesen” dar.
Fraglich bleibt, ob sämtliche Belege für die „Verwüstung des Gewissens” nur historisch unterschiedliche Erscheinungsformen ein und der selben „Ideologie des Bösen” sind. Angesichts eines solchen moralischen Totalbankrotts besteht die Gefahr, dass das Rettungsprogramm, ein erneuertes anti-cartesianisches Naturrecht, als defensive Gegenideologie unter Wert verkauft wird. Der zornige, traurige Papst ahnt diese Gefahr. Mit dem klügsten Satz des Buches zeigt Johannes Paul, dass er um die Grenzen des Räsonnements weiß: „Die eilfertige Sorge, dem Menschen Hilfe zu bringen, ist unvergleichlich viel wichtiger als Polemiken und Anklagen, die zum Beispiel den aufklärerischen Hintergrund der großen geschichtlichen Katastrophen des 20. Jahrhunderts betreffen.” Salopp formuliert: Nächstenliebe schlägt Kulturkritik. In diesem Punkt mag ihm gewiss niemand widersprechen.
ALEXANDER KISSLER
JOHANNES PAUL II.: Erinnerung und Identität. Gespräche an der Schwelle zwischen den Jahrtausenden. Deutsch von Ingrid Stampa. Weltbild Buchverlag, Augsburg 2005. 224 Seiten, 14,90 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Die Bücher des Papstes sind alles andere als Kompilationen verschiedener Artikel, betont Lorenz Jäger, für den die Texte Johannes Paul II. "von hoher innerer Konzision" sind. Und in einem weiteren Punkt meint Jäger den Papst verteidigen zu müssen: im Vorfeld der Veröffentlichung des Buches hatte eine Bemerkung des Papstes über die "legale Vernichtung gezeugter, aber noch ungeborener menschlicher Wesen" für Aufregung gesorgt. Jäger kann im Kontext des Buches nichts Skandalisierendes an dieser Stelle finden. Der Papst habe ja schließlich das Recht, die Dinge von der kirchlichen Lehre her zu betrachten, schreibt er. Das aktuelle Buch geht im übrigen auf Gespräche des Papstes mit den polnischen Philosophen Jozef Tischner und Krzysztof Michalski aus dem Jahr 1993 zurück. Die drei Männer haben sich über die Ideologien des Bösen im 20. Jahrhundert unterhalten: Nationalsozialismus und Kommunismus. Aufklärung und Französische Revolution lasse der Papst teilweise gelten, so Jäger, sehe aber die Ursachen für die Greuel des 20. Jahrhunderts in einer "Entchristlichung" der Welt. Immer wieder aber käme der Papst, so der Rezensent, auf seine Heimat Polen zu sprechen, und es sei so gesehen ein Glücksfall, dass der Papst vieles selbst erlebt habe. Der polnische Patriotismus stehe der kirchlichen Lehre nicht entgegen.

© Perlentaucher Medien GmbH…mehr