Marktplatzangebote
Ein Angebot für € 16,00 €
  • Gebundenes Buch

Wir befinden uns in Dresden und Weimar zwischen 1903 und 1906. Die schicksalhafte Begegnung zwischen Karl May und dem Maler Sascha Schneider, einem der begabtesten Schüler Max Klingers, führt zu einer intensiven Freundschaft zweier Brüder im Geiste . An langen Abenden wird diskutiert: Politisches, Künstlerisches und Weltanschauliches. Das Buch ist eine Art Parabel auf den misslungenen Wandlungsversuch des Schriftstellers, der wie vieles in seinem Leben tragisch ausgeht. Es beschreibt die einmalige und äußerst fruchtbare Künstlerfreundschaft der beiden in jeder Hinsicht so unterschiedlichen…mehr

Produktbeschreibung
Wir befinden uns in Dresden und Weimar zwischen 1903 und 1906. Die schicksalhafte Begegnung zwischen Karl May und dem Maler Sascha Schneider, einem der begabtesten Schüler Max Klingers, führt zu einer intensiven Freundschaft zweier Brüder im Geiste . An langen Abenden wird diskutiert: Politisches, Künstlerisches und Weltanschauliches. Das Buch ist eine Art Parabel auf den misslungenen Wandlungsversuch des Schriftstellers, der wie vieles in seinem Leben tragisch ausgeht. Es beschreibt die einmalige und äußerst fruchtbare Künstlerfreundschaft der beiden in jeder Hinsicht so unterschiedlichen Männer vor dem politischen und kulturhistorischen Hintergrund der ersten Jahre des 20. Jahrhunderts.
Autorenporträt
Klaus Funke, geboren 1947, studierte nach seinem Abitur im Jahr 1965 Agrarwissenschaften. Obwohl er schon früh mit dem Schreiben begann, veröffentlichte er seine ersten Texte erst im Alter von 55 Jahren. Seitdem entstanden zahlreiche Romane, Erzählungen und Novellen. Als freiberuflicher Schriftsteller verfasst Funke aber ebenso Rezensionen, Feuilleton- und Theatertexte. 2006 erhielt er das Literaturstipendium des Freistaates Sachsens.
Klaus Funke lebt heute in seiner Heimatstadt Dresden, ist verheiratet und hat zwei Töchter.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Klaus Funkes Roman passt laut Elmar Schenkel ganz gut zum jüngst wieder aufflammenden allgemeinen Interesse an Karl May. Dass sich der Autor in seiner Geschichte der Beziehung Mays zu dem symbolistischen Maler Sascha Schneider sowie den Intrigen des Journalisten Rudolf Lebius annimmt, findet er spannend. Zumal ihm der Autor auch ein gut recherchiertes Zeitbild der sächsischen Provinz um 1900 nicht vorenthält. Wenn Funke mitunter wie May tönt und unwichtige Figuren überhand nehmen, kann Schenkel das verschmerzen. Wichtiger scheint ihm, dass der Autor seinen Gegenstand nicht vorführt, sondern ihn als sympathischen, wenngleich etwas schrägen Zeitgenossen zeigt.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.05.2013

Wo früher gelogen wurde, macht sich jetzt Größenwahn breit

Abenteuergeschichten: Klaus Funkes opulenter Roman über Karl Mays Freundschaft zu dem Maler Sascha Schneider erzählt von einer ungewöhnlichen Blutsbrüderschaft.

Karl May ist im letzten Jahr nicht nur als der Winnetou-Autor, sondern auch als Pazifist, Völkerfreund, Spiritualist und Sumatra-Reisender wiederentdeckt worden. Und noch vieles mehr wurde wieder öffentlich: Er war ein begabter Hochstapler, der Pferde wie Billardkugeln stahl und unter Pseudonymen wie "Dr. Heilig" Unheiliges tat, er trat als Landwirt aus Martinique auf und verhaftete unbescholtene Bürger, um an ihr Geld zu kommen. Kaum war er im Gefängnis, saß er im Gottesdienst an der Orgel, leitete die Anstaltsbibliothek und baute einen Knastchor auf. Dieser Selbsterfinder behauptete stur und steif, selbst Old Shatterhand zu sein, auch wenn seine Hände nicht zum Schmettern taugten, der Henrystutzen in seiner Villa nur Attrappe war und er nur ein paar von den tausend Sprachen sprach, die zu beherrschen er vorgab. Hätte Winnetou wirklich seinen Blutsbruder in Radebeul besucht, wäre er sprachlos gewesen angesichts so vieler Schaustellerei.

Und doch hat dieser psychisch auffällige Mann eine Nation über Jahrzehnte derart beflügelt, dass seine Leser ihm vieles durchgehen ließen. Spätere Autoren regte er zu Fiktionen über sein Leben an, von Erich Loest bis Hans-Christoph Buch und Peter Henisch. Thomas Mann hielt ihn für einen "gar nicht uninteressanten Charlatan". Seine Abenteuerbücher über Amerika, den Orient und andere Länder verkauften sich phantastisch. May verhalf einer Nation zu Heldenbildern, zu Phantomen, die Demütigungen zu überwinden halfen, und verlieh dem Deutschen, noch besser: dem Sachsen, eine Stimme im kolonialen Konzert, in dem sich Deutschland zu kurz gekommen wähnte.

Um 1900 jedoch begann sein Imperium zu dämmern. Es sind die Jahre von 1903 bis 1906, die Klaus Funke mit seinem historischen Roman "Die Geistesbrüder" ins Auge fasst. Brennpunkt ist die Beziehung Mays zu dem symbolistischen Maler Sascha Schneider, jedoch werden durch Rückblicke und Andeutungen Vergangenheit und Zukunft eingefangen. Der Dresdner Autor hat gründlich recherchiert und bringt mit seinem Zeit- und Sittenbild die sächsische Provinz der Jahrhundertwende gut ins Bild - mit ihrer heimtückischen Gemütlichkeit, dem Einfluss des Dresdner Hofes auf die Politik und mit der Kunstszene in Meißen und Weimar. Manchmal tönt seine Prosa im Stile Karl Mays, man hört das Räuspern des Erzählers, der den Leser an die Hand nehmen will. Manchmal verliert er sich in unwichtige Figuren wie dem Verleger Fehsenfeld, den wir allzu lang auf der Jagd beobachten müssen (ja, klar, die Jagd ist symbolisch gemeint). Insgesamt aber öffnet der Roman ein Fenster in das Leben eines Menschen, das mindestens so verrückt und spannend war wie seine Werke.

Die stürmische Beziehung zu Sascha Schneider, der mit seinen männlichen Akten einen gewissen Ruhm erlangte, fällt zusammen mit Mays Umorientierung. Er möchte vom Abenteuerautor zum Präzeptor, besser noch Erlöser der Nation werden. Er verfängt sich in seinen selbstgestrickten Fiktionen, auch die nachgeschobene Amerika-Reise macht ihn nicht authentischer. Zudem rührt sich seit der Jahrhundertwende ein kritischer Geist, der ihn zerstören will. Erzkonservative werfen ihm vor, die Jugend zu verderben.

Insbesondere zeigt Funke den Journalisten Rudolf Lebius, der Karl May zugrunderichten will. Später wird er May "einen geborenen Verbrecher" nennen und durch den Schmutz ziehen, nachdem er dessen kriminelle Jugend ausgegraben hat. May braucht eine neue Identität, der Western gibt sie nicht mehr her, und so macht er aus Old Shatterhand und Co. eine Weltidee. Nach und nach steigt der Kolportageroman auf zur Menschheitsgeschichte, die Villa Shatterhand in Radebeul wird zur Zentrale einer pazifistisch-religiösen Erneuerung.

Da kommt ein in Allegorien und schwermütiger Symbolik handelnder Maler nur recht. Schneider wird vom Propheten dazu auserkoren, Mays Werk auf eine neue Stufe zu heben. Seine Bilder, irgendwo zwischen William Blake, Fidus und schwülstigem FKK, sollen die Fehsenfeldsche Ausgabe schmücken. Aus den Geistesbrüdern werden bald Bild- und Blutsbrüder. May stört sich nicht an der homosexuellen Ausrichtung seines Freundes, die dieser ihm beichtet, er nimmt ihn in Schutz, und auch seine Liebe trägt homoerotische Züge. Der Roman endet mit Schneiders Distanzierung von May. Funke erzählt, wie sich Fehsenfeld gegen die Schneiderschen Deckelbilder wehrte, weil er meinte, dass May damit seine Leser verlöre. Weitere Verwicklungen werden verfolgt: Es sind die Jahre, in denen May mit seiner zweiten Frau Klara zusammen ist. Seine erste Gattin, Emma, macht ihm aber weiterhin Schwierigkeiten. Die letzten Jahre Mays finden nicht auf der Prärie statt, sondern im Gerichtssaal. Es hilft dabei seinem Ruf nicht, dass sich eine Diebesbande auf seine Werke beruft.

Mit diesen endlosen Prozessen verschont uns Funke, aber wir ahnen, dass es nicht gut ausgehen kann für den empfindlichen Menschenfreund. Wo früher hochgestapelt wurde, macht sich jetzt Größenwahn breit. Und doch bleibt May sympathisch. Im neuen Deutschland fühlt er sich unverstanden, sein Pazifismus stößt auf Ablehnung. Die Deckelbilder Schneiders, diese Engel und Teufel in düsteren Landschaften, könnte man als Ausdruck des Unbewussten sehen, das immer schon in den Abenteuergeschichten wetterleuchtete. Die späten Werke, in denen Karl May zunehmend allegorisch wird, sind weitgehend ungelesen geblieben, trotz Arno Schmidt und Hans Wollschläger. Wenn er gelesen wird, dann überlässt man sich lieber den abenteuerlichen Plots als seiner Mystik (darin erging es ihm wie Arthur Conan Doyle, dem man den Detektiv abnahm, aber nicht den Spiritisten) - ein Spagat, den Funkes Roman anschaulich bebildert.

Und was geschieht mit den Protagonisten, wenn man das Fenster des opulenten Schmökers zuschlägt? Stoff für weitere Romane: Schneider wird aufgrund einer Erpressung nach Italien fliehen und 1927 im Hafen von Swinemünde sterben, Emma May wird in einer Pflegeanstalt, Fehsenfeld in Armut enden. Klara May wird den Karl-May-Verlag gründen und die Villa Bärenfett bauen lassen, außerdem wird sie sich mit Hitlers Halbschwester anfreunden, die das Nachbarhaus in Radebeul bezieht, und sich den Nationalsozialisten andienen.

Und Karl May? Er stirbt 1912, und seine letzten Worte sind angeblich: "Sieg, großer Sieg! Ich sehe alles rosenrot!" Nach seinem Tod bleibt er der meistgelesene und umstrittenste Autor der Deutschen. Aber eben auch ein Phantom: Das Volk liest ihn in stark überarbeiteten Ausgaben. 1912 machte der Wiener Autor Robert Müller eine Umfrage unter Intellektuellen zu Karl May und kam zu dem Ergebnis: "Germanisten, Professoren und andere öde Kerle sind dagegen. Und alles Frischere und Buntere weiß ein Wörtchen pro zu sagen." Daran hat sich bis heute nicht viel geändert.

ELMAR SCHENKEL

Klaus Funke: "Die Geistesbrüder". Roman einer Künstlerfreundschaft. Karl May und Sascha Schneider.

Husum Druck- und Verlagsgesellschaft. Husum 2013. 428 S., geb., 19,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr