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Seit nahezu 20 Jahren sammelt der Journalist David Dambitsch in zahlreichen Rundfunk-Interviews "Stimmen der Geretteten" - Berichte von Überlebenden der Shoah. Neben Zeitzeugen wie Primo Levi, Arno Lustiger, Grete Weil, Simon Wiesenthal und Imre Kertész kommen auch deren Kinder zu Wort; das Trauma der Eltern lebt in ihnen fort. Die großartige CD-Edition von David Dambitsch ist ein lebendiges Zeugnis wider das Vergessen. Die "Stimmen der Geretteten" werden erstmals für ein größeres Publikum hörbar.
"Ich bin die letzte Generation, die eine lebendige Erfahrung von Auschwitz hat. Mit mir wird
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Produktbeschreibung
Seit nahezu 20 Jahren sammelt der Journalist David Dambitsch in zahlreichen Rundfunk-Interviews "Stimmen der Geretteten" - Berichte von Überlebenden der Shoah. Neben Zeitzeugen wie Primo Levi, Arno Lustiger, Grete Weil, Simon Wiesenthal und Imre Kertész kommen auch deren Kinder zu Wort; das Trauma der Eltern lebt in ihnen fort. Die großartige CD-Edition von David Dambitsch ist ein lebendiges Zeugnis wider das Vergessen. Die "Stimmen der Geretteten" werden erstmals für ein größeres Publikum hörbar.

"Ich bin die letzte Generation, die eine lebendige Erfahrung von Auschwitz hat. Mit mir wird diese lebendige Erfahrung aussterben. Es bleibt die Erinnerung." (Imre Kertész)
Autorenporträt
David Dambitsch, geboren 1959 in Berlin, arbeitete bei der amerikanisch-deutschen Rundfunkanstalt RIAS Berlin bis zu deren Auflösung infolge der Vereinigung Deutschlands. Seitdem schreibt er für das Informationsprogramm Deutschlandfunk im nachgefolgten Deutschlandradio. Die engagierte und kritische Auseinandersetzung mit dem NS-Regime und dessen Folgen ist zentrales Thema seiner Beiträge. Ein Teil seiner Familie entging nur knapp der Shoah.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.10.2002

Ein Hörraum voll kostbarer Worte
Die Stimmen der Shoa-Überlebenden / Von Michael Jeismann

Schon wieder? würde mancher wohl sagen, und die Skepsis wäre auf den ersten Blick nachvollziehbar: "Stimmen der Geretteten" heißt das drei CD starke Hörbuch von David Dambitsch und bietet "Berichte von Überlebenden der Shoa". So etwas wie das gigantische Spielberg-Projekt mit seinen sechzigtausend Videoaufnahmen, aber für Arme? Oder Claude Lanzmanns "Shoa" fürs Autoradio - denkt man und ist dabei keineswegs zynischer als manches, was im Namen der Erinnerung an Holocaust-Memorabilien produziert wird. Aber nichts dergleichen. Was man zu hören bekommt, ist eine fesselnde und berührende Geschichte tief aus dem Bauch des zwanzigsten Jahrhunderts.

Es sind nicht allein die Stimmen der Geretteten, es sind gerettete Stimmen. Stimmen, die immer etwas mehr zu erzählen haben als das eigene Schicksal, so schrecklich es auch gewesen ist. Genau hier liegt der Grund dafür, daß nach dem Hören nicht das schiere Entsetzen zurückbleibt. Indem nicht ein individuelles Schicksal ganz allein für sich steht, indem historische Zusammenhänge und Differenzen zwischen all den Verfolgten sichtbar werden, tritt am Ende die Individualität um so deutlicher hervor. Und so erreichen diese Erzählungen auf ähnlich intime Weise wie etwa der von Kersten Brandt, Hanno Loewy und Krystina Olesky herausgegebene Band mit den in Auschwitz gefundenen Fotografien, die die Opfer bei ihrer Ankunft noch bei sich trugen, was die Verfolger und Mörder als Eindruck gerade als Gesamteindruck verhindern wollten: Anstatt einer gesichtslosen Masse von Opfern, die auch mit umgekehrten Vorzeichen noch exakt der ästhetisch-politischen Voreinstellung der Nazis wie der Bolschewisten entsprochen hätte (denn auch von denen handelt das Buch), gewinnt hier der einzelne im historischen Mahlwerk sein Profil zurück.

Wieviel Millionen umgebracht wurden, wie viele mit knapper Not oft als einzige ihrer Familie der Vernichtung entrinnen konnten, die große Zahl hat auf jedem einzelnen Platz. Das ist eine Leistung, die die Frage: schon wieder? nicht mehr aufkommen läßt. Was es allerdings bedeutet, wenn eine solche Geschichtserzählung nicht mehr, wie wir es gewohnt sind, im geschriebenen Wort auf uns kommt oder über das Fernsehen, sondern wortwörtlich als eine Geschichte, so als säßen die, die sie erlebt haben, und die, die zuhören, beieinander, das wäre noch zu klären. Aber der Reihe nach. Was genau ist denn hier zu hören?

Es handelt sich um eine Zusammenstellung von Rundfunksendungen, die David Dambitsch in den vergangenen zehn Jahren für Radio Bremen, das Deutschlandradio und den Norddeutschen Rundfunk produziert hat. Es ist nicht bei der Kompilation geblieben, sondern es ist eine Komposition daraus entstanden. Die erste CD handelt vom "Traum der Gleichberechtigung" und vom jüdischen Widerstand; die zweite ist den "geretteten Worten" gewidmet sowie "Recht, nicht Rache". Auf der dritten CD schließlich geht es um die "Shoa und Stalin" sowie um das "Trauma der Überlebenden". Welche Stimmen sind zu hören, außer denen der ausgezeichneten Sprecher? Es sind die Stimmen von Alfred Kerr, Hans Sahl, Gershom Sholem, Grete Weil, Primo Levi, Walter Zadek, Myriam Du-nour, Imre Kertész, Leon de Winter, Hannah Arendt und Arno Lustiger, um einige zu nennen. Stimmen also aus dem kulturellen Leben, wie man so sagt. Aber tatsächlich hört man diese Stimmen aus den polyphonischen Tunneln der Gedanken, Stimmungen und Meinungen, aus jenem System kommunizierender Röhren, das nie ein Asyl sein konnte, keine Burg, kaum ein Unterschlupf. Denn wie die Juden ins Ausweglose erst definiert und dann getrieben wurden, wäre ohne Kultur nicht gekommen. Es sind mithin Stimmen aus einem Raum voller Echo, bösem Lachen, voller Gezänk und kostbarer Worte - ein Raum, in dem der Schatten des Anderen immer neben einem sitzt. Das muß man wissen, wenn man hier eintritt, um den Spalt, der sich öffnet, zu spüren und die Tür zu sehen, die sich schließt.

Oder war sie immer schon geschlossen? Öffnete sie sich nur in Ausnahmefällen, war die Abschottung das Normale? Hört man die Stimmen aus dem "Traum der Gleichberechtigung", dann hört man zugleich das Geräusch von Abstoßung und Anziehung in den Lebensläufen. Wenn der Direktor des jüdischen Museums in Berlin, Michael Blumenthal, erzählt, wie seine Eltern zwar nie deutsch sprachen, aber selbstverständlich Messer aus Solingen benutzten und Kochgeschirr aus Deutschland, dann sieht man, obwohl man nur hört, den Schatten der früheren Zugehörigkeit, ja des Stolzes. Dann hört man, obwohl sie nicht zu hören ist, die Vertreibung aus einer unsicheren Heimat: Man blieb der Feind, den die anderen in Reserve hielten.

Entkommen konnte man nur, wenn man etwas machte, was man nur wollen konnte, ohne Aussicht, es je ganz zu schaffen: die Identität wechseln. Was es damit auf sich hat, wird klar, wenn man Walter Zadek zuhört, der in der Weimarer Republik Redakteur des "Berliner Tageblatt" war, der sich in Palästina "unter Brüdern" fühlte, vor allem aber zu Hause - und damit eine große Ausnahme war unter den deutschen Einwanderern, den "Jeckes". "Kommen Sie aus Überzeugung oder aus Deutschland?" lautete, so erzählt Alice Schwarz-Gardos, eine beliebte Scherzfrage damals. Sie bringt am besten zum Ausdruck, wie schmerzhaft das Weggehen war und wie schwer das Ankommen. In der letzten deutschen Zeitung, den "Israel Nachrichten", stehen heute die Todesanzeigen vorne, auf der ersten Seite - die Einwanderer der dreißiger Jahre sterben, die Verbindung zu Deutschland ist dünner geworden. In Israel aber ist unvergessen, was die Juden aus Deutschland für den jungen Staat leisteten. Es sind auch egoistische Gedanken, wenn man an den ungeheuren Verlust denkt, plötzlich übrigens ist man beim Zuhören so mitten in der Gegenwart. Und es ist diese intellektuelle Gegenwärtigkeit, nichts anderes also als historisches Bewußtsein, das diese Stimmen-Sammlung so aufregend macht.

Widerstand war die andere Möglichkeit, sich selbst zu unterscheiden, damit man nicht von anderen unterschieden wurde. Erfrischend zu hören, wie Hannah Arendt auf dieser Stimmensammlung den Vorwurf abweist, die Juden hätten sich wie "Schlachtvieh" abtransportieren lassen. Die anderen Deutschen, die aus anderen Gründen ins KZ gebracht wurden, haben sich doch auch nicht gewehrt. Aber was für eine Möglichkeit oder sollte man sagen: Unmöglichkeit der Widerstand war. Für den, der keine Waffen besaß, der nicht mehr in dem Alter war, in dem er körperlichen Strapazen auf Dauer gewachsen ist. Und doch: Es gab diesen jüdischen Widerstand, der häufig auch kommunistisch-sozialistischer Widerstand war, auch wenn das offizielle Deutschland daran merkwürdig uninteressiert war. Natürlich zählt dazu auch der Widerstand in den polnischen Ghettos, die uns einen Mut und eine Selbstbehauptung sondergleichen vor Augen stellen. Hier ging es nicht um militärisch Entscheidendes, sondern um das Zeichen eines politischen Kampfes.

Man sollte sich heute diese Geschichte anhören, bevor man Analogien und Vergleiche anstellt. Man braucht nur auf play zu drücken. Je mehr man dann hört, desto wirklicher wird, was war - und was ist.

David Dambitsch: "Stimmen der Geretteten". Berichte von Überlebenden der Shoah. Der Audio Verlag, Berlin 2002. 3 CDs, 225 Min., 24,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Michael Jeismann kann jenen widersprechen, die in dieser "Stimmensammlung" eine Wiederholung des Spielbergschen Shoah-Projekts vermuten. Nein, diese "Komposition" von Rundfunksendungen der vergangenen zehn Jahre sei einfach eine "fesselnde und berührende Geschichte aus dem Bauch des zwanzigsten Jahrhunderts". David Dambitsch gibt den Opfern ihre Identität zurück, schreibt Jeismann, und die Hörer erfahren neben den persönlichen Schicksalen auch immer ein Stück von der größeren Geschichte, in die diejenige der Protagonisten eingebettet ist. Und wenn man die verschiedenen Stimmen hört, deren Besitzer aus dem kulturellen Milieu des damaligen Deutschland stammen, dann versteht man, so der Rezensent, ein wenig mehr von der Vielfalt der Meinungen in der damaligen jüdischen Gesellschaft, der Unwissenheit und der Klarsichtigkeit, der Abscheu vor Deutschland und der Anziehung zum Vaterland, wenn etwa Michael Blumenthal von seinen Eltern berichtet, die ihr Besteck wie selbstverständlich in Solingen orderten. "Je mehr man davon hört", schließt der Rezensent, "desto wirklicher wird, was war - und was ist".

© Perlentaucher Medien GmbH