Produktdetails
  • Verlag: Primus-Verlag
  • ISBN-13: 9783896786692
  • ISBN-10: 3896786695
  • Artikelnr.: 26384832
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.12.2009

Bücherhäuser

Als die Bomben des Zweiten Weltkriegs die Decken der Holland Library in London niederrissen und das Mobiliar in Stücke schlugen, stiegen drei Männer mit schwarzen Hüten und langen Mänteln über die Trümmer, um ihre Blicke über einige der wundersamerweise erhaltenen Bücherregale schweifen zu lassen. Offensichtlich wussten sie gar nicht recht, wonach sie suchten, und nur weil einer von ihnen eine instruktive Seite aufschlug, klärten sich mit den Antworten auch die Fragen. Nichts kann die unverwechselbare Funktion von Bibliotheken bei der Vermittlung und Produktion von Wissen besser bezeichnen als dieses Foto, das Uwe Jochum seiner Geschichte der Bibliotheken beigegeben hat. Jochum verteidigt die Bücherhäuser gegen eine ohne Alternative verfolgte, global betriebene Digitalisierung und legt deren Risiken sachkundig dar. Alles, was wir an bedeutsamen Traditionen uns aneignen, sei hingegen wie das Buch an Materialität gebunden, die einen intersubjektiven "Handlungs- und Sprachraum als Basis unseres Sinn-und-Bedeutung-Machens" schaffe. Ob allerdings, wie er behauptet, die Theoretiker und Praktiker des Digitalen die spätantike Gnosis aufleben lassen, um mit ihrer fatalen Botschaft der Erlösung von der Welt mit Buch und Bibliothek auch die Welt selbst zu zerstören, die doch der einzige Ort sei, an dem "wir Menschen leben können" - darüber mag sich der Leser selbst ein Urteil bilden. (Uwe Jochum: "Geschichte der abendländischen Bibliotheken". Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2010. 160 S., zahlr. Abb., geb., 39,90 [Euro].) borg

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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.03.2010

Bücherwoche in Leipzig: Eine neue illustrierte Bibliotheksgeschichte
Bücher und elektronische Netze, Bücher oder elektronische Netze – das sind Themen, die in dieser Woche in der alten Bücherstadt Leipzig verhandelt werden. Am Mittwochabend wird die Frühjahrsbuchmesse eröffnet, wo sich bei den Verlegern Erfindungsreichtum und E-Book-Angst treffen. Vorher, an diesem Montag, beginnt ebenfalls auf der Leipziger Messe der 4. Leipziger Kongress für Information und Bibliothek, der bis Donnerstag geht. Dort wird, in einer sich dramatisch ändernden Bibliothekslandschaft, natürlich ebenfalls die künftige Ordnung und Speicherung unserer Textbestände debattiert. Die Bibliothekare kommen zu einem großen Fachtreffen zusammen, zu Veranstaltungen über Digitalisierungsprojekte, elektronisches Publizieren in den Wissenschaften, Urheberrecht, historische Bestände, Leseförderung und vieles mehr, auch über die Folgen der Finanzkrise für die öffentlichen Bibliotheken in Deutschland, die pro Jahr über 200 Millionen Besuche zählen.
Passend dazu liegt jetzt ein reich illustriertes Buch mit dem Titel „Geschichte der abendländischen Bibliotheken” vor. Geschrieben hat es Uwe Jochum, der die Bibliothek der Universität Konstanz leitet (Primus Verlag, Darmstadt 2010, 160 Seiten, 39,90 Euro). Die Erzählung reicht von den Höhlen der Steinzeitmenschen und den Keilschriftarchiven des Zweistromlands bis zur heutigen „hybriden Bibliothek”, die kompetente Örtlichkeit mit der Ortlosigkeit digitaler Datennetze verbinden soll – etwa eine moderne Forschungsbibliothek wie die Philologische Bibliothek der Freien Universität Berlin, zu sehen auf dem obigen Bild (Foto: dpa).
Gegenüber Uwe Jochums eigener, bei Reclam in verschiedenen Auflagen erschienener „Kleiner Bibliotheksgeschichte” ist die Darstellung in dem Bildband straffer, zugleich aber in weitere Zusammenhänge der kulturellen Entwicklung gestellt. Es ist ein kundiger, recht eleganter Durchgang von Alexandria und Rom über die mönchische Handschriftenkultur und die spätmittelalterlichen Universitäten bis zum Buchdruck und den ersten öffentlichen Bibliotheken der Neuzeit, sodann von der Welt der Aufklärung über die sakralen Kuppen der Lesesäle der Nationalbibliotheken bis zur Bibliothek als „informationsverarbeitendem System”. Durchaus kritisch schließt der Band mit der Warnung, im Siegeszug des virtuellen Textspeichers dürfe „das unauflösbare Ineinander von Raum, Zeit und Bedeutung” nicht aufgegeben werden. Ein lesens- und anschauenswertes Buch auch für diejenigen, die weniger skeptisch auf die Digitalisierung blicken als sein Autor – in der Frage sind sich nämlich auch die Bibliothekare untereinander nicht einig. jsl
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Uwe Jochums Bibliotheksgeschichte findet bei Hans-Albrecht Koch großen Zuspruch, und er freut sich nachdrücklich, dass der Konstanzer Bibliothekar sich hier nicht nur an ein Fachpublikum wendet, sondern auch den "interessierten Laien" anspricht. Ansprechend findet der Rezensent Jochums Kapiteleinteilung, die völlig zu Recht, wie der Rezensent betont, bei der Höhlenmalerei einsetzt und bis zur modernen Bibliothek von heute reicht. Koch teilt mit dem Autor übrigens die Vorbehalte gegenüber immer neuen Speicherungs- und Vernetzungsmoden im Bibliothekswesen und stimmt ihm zu, wenn er auf die Verluste hinweist, die damit einhergehen. Ein kleines Manko sieht der Rezensent im, wie er findet, allzu knappen Register, in dem beispielsweise ein Begriff wie "Public Library" fehlt, die er in ihrer amerikanischen Form übrigens auch im Buch nicht ausreichend beachtet sieht. Davon abgesehen aber würdigt er das Buch als wertvollen Beitrag, der "weite bildungsgeschichtliche Horizonte" eröffnet.

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