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Im August 1900 liegt der gelähmte und für wahnsinnig erklärte Philosoph Friedrich Nietzsche in seinem Sterbezimmer in Weimar. Mit einer Überdosis Opium will er der makabren Komödie, die ihn zum Kultstar des Fin de Siecle macht, ein Ende bereiten. Doch statt in den Tod flüchtet sich sein Geist in einen letzten Traum. Darin trifft er, eingeliefert in ein Baseler Irrenhaus, neben einer Reihe vermeintlicher Freunde auch seinen einstigen Lieblingsschüler Ludwig von Scheffler. Dieser entführt ihn aus der Anstalt. Zusammen brechen sie nach Italien auf. Als der Philosoph wieder in sein Sterbezimmer…mehr

Produktbeschreibung
Im August 1900 liegt der gelähmte und für wahnsinnig erklärte Philosoph Friedrich Nietzsche in seinem Sterbezimmer in Weimar. Mit einer Überdosis Opium will er der makabren Komödie, die ihn zum Kultstar des Fin de Siecle macht, ein Ende bereiten. Doch statt in den Tod flüchtet sich sein Geist in einen letzten Traum. Darin trifft er, eingeliefert in ein Baseler Irrenhaus, neben einer Reihe vermeintlicher Freunde auch seinen einstigen Lieblingsschüler Ludwig von Scheffler. Dieser entführt ihn aus der Anstalt. Zusammen brechen sie nach Italien auf. Als der Philosoph wieder in sein Sterbezimmer zurückkehrt, muss er in einer Vision erleben, dass seine Schwester Elisabeth den eben an die Macht gelangten Adolf Hitler als den neuen Übermenschen preist.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.06.2000

Von Bismarck gebadet
Ein Spiel, das im Kopf entschieden wird: Joachim Köhlers großer Nietzsche-Roman
Thomas Mann war dem Philosophen auf die Schliche gekommen: „Ich zweifle nicht, dass der große Liebhaber der Maske des hamletischen Zuges in dem tragischen Lebensschauspiel, das er bot – ich möchte fast sagen: das er veranstaltete, wohl gewahr war. ” Er schrieb dies 1947, kurz nach Vollendung seines Nietzsche-Romans „Doktor Faustus”, und wollte uns damit wohl sagen, Nietzsche habe der teils ratlos, teils ergriffen seine Bücher lesenden Mit- und Nachwelt nicht nur Wichtiges mitzuteilen gehabt, sondern ihr in erster Linie etwas vorgemacht. Nicht umsonst trichterte er seinem Publikum ein, es möge ihn nicht verwechseln (etwa mit einem ernsthaften Philosophen) oder gar wörtlich nehmen. Nietzsche empfahl gerade seinen Jüngern Distanz: „Es ist durchaus nicht nötig, nicht einmal erwünscht, Partei für mich zu nehmen: im Gegenteil, eine Dosis Neugierde, wie vor einem fremden Gewächs, mit einem ironischen Widerstande, schien mir eine unvergleichlich intelligentere Stellung zu mir. ”
Eine intelligente Stellung zu Nietzsche – wer möchte sie nicht einnehmen? Thomas Mann ist das ein Schriftsteller-Leben lang gelungen. Aber über den, der es als sein Privileg ansah, sich im Dienst an der höheren Erkenntnis über kanonisierte Wahrheiten lustig machen zu dürfen – ob sie nun bei Kant, Schopenhauer oder in der Bibel standen –, seinerseits Scherze zu treiben, danach war ihm nicht zu Mute. Die Lebens- und Leidensgeschichte dieses Heiligen des Immoralismus war und ging ihm zu nahe.
Jetzt liegt ein weiterer Nietzsche-Roman von Rang vor, und aus der Tragödie, als die Thomas Mann Nietzsches (und natürlich sein eigenes) Leben mit Ernst und Anteilnahme rekapitulierte, ist in Joachim Köhlers Roman „Nietzsches letzter Traum” eine Komödie geworden, freilich mit bitteren Untertönen. Nietzsches letzter Traum – der Titel birgt die Unterstellung, der Philosoph habe in seinem Leben ziemlich viele Träume gehabt. Das mag stimmen oder auch nicht – dass der Autor Joachim Köhler selbst, der 1977 im Alter von 25 Jahren eine Dissertation über die „Fröhliche Wissenschaft” vorgelegt hat, von Nietzsche zum Träumen und Fabulieren angeregt wurde, daraus macht er keinen Hehl. „Die Handlung”, heißt es in einer Nachbemerkung, „ist zum großen Teil frei erfunden. ” Das ist eine Geste von herausfordernder Offenheit. Aber wie heikel Köhler und seinem Verlag das Unternehmen erschienen sein mag, darauf deutet ein Vergleich mit dem ursprünglichen Nachwort der Druckfahnen, in dem es heißt: „Der Boden der Tatsachen wurde nur dort verlassen, wo die Wahrhaftigkeit der Darstellung es erforderte. ”
Dichtung als Wahrheit: Köhler ist es um ästhetische Wahrhaftigkeit zu tun. Er nimmt Nietzsche, den Idealismuskritiker, den Propagator des Perspektivismus, beim Wort und führt seinerseits eine „abwechslungsreiche Hirnkomödie” auf, deren historisch verbürgtes und jedem Nietzsche-Interessierten vertrautes, aber in seiner Anzahl klug reduziertes Personal – darunter Franz Overbeck und Paul J. Möbius – mit unterschiedlichen Deutungen das Phänomen Nietzsche umkreist und ihm auf diese Weise näher kommt als manche mit der vorgeblichen Wahrheit hantierende Biografie.
Ähnlich hatte Thomas Mann es mit Goethe gemacht in seinem Roman„Lotte in Weimar” von 1938. Köhler hat sich den raffinierten Polyperspektivismus dieses Romans zu eigen gemacht und entledigt sich damit der Pflicht, über Nietzsche, dem das Objektive nur eine Spielart des Subjektiven war, etwas zu sagen, das Anspruch auf Wahrhaftigkeit, auf Objektivität erheben könnte. Jeder, den er in seinen geschliffenen Dialogen zu Wort kommen lässt, jeder, der etwas über Nietzsche zu sagen hat, hat recht.
Nur geträumt
Dabei bedient sich Köhler eines im Grunde einfachen, aber wirkungsvollen Kniffs, der sein Erzählen noch in den abenteuerlichsten Passagen legitimiert: Nietzsche gelingt es, sich mit einer reichlichen Dosis Opium in einen großen, letzten Traum zu flüchten, in dem seine nun ganz ins Komisch-Groteske verdrehte Passionsgeschichte vor uns abschnurrt. Nietzsche, der die alte Unterscheidung zwischen dem Realen und Idealen nicht mehr mitmachen wollte, wird von der philosophischen Tradition auf unterhaltsame Weise eingeholt: Das Reale ist sein kranker Körper, das Ideale alles übrige. So entsteht ein facettenreiches Gesamtporträt, das sich allerdings auf authentische Quellen stützt, deren Erträge unaufdringlich eingearbeitet sind: Nietzsches Schriften, Aufzeichnungen und Briefe, ferner Dokumente und Stellungnahmen von Zeitzeugen zu seinem Kollaps und zu seiner elfjährigen Dämmerung. Wir sehen also das „Weltgenie”, dem die Welt nicht erst seit dem 3. Januar 1889 verrückt war, als Dionysos-Imitator, der nackt vor seinen Turiner Zimmerwirten herumtanzt; als einsamen Hochschullehrer, dem das Publikum ausbleibt und der zarte, homosexuell grundierte Bande zu einem besonders treuen Hörer namens Ludwig von Scheffler knüpft; Nietzsche als schlecht gekleideten, geradezu verwahrlosten möblierten Herrn, als verbummelten, größenwahnsinnigen Akademiker; als parfümierten Dandy mit femininen Zügen; und schließlich als jenen armen, von der Syphilis unrettbar hirnerweichten Irren, der seiner Mitwelt ein einziges Rätsel ist.
All dies war Nietzsche wirklich, aber das genügt einem so souveränen und stilistisch brillanten Erzähler wie Köhler nicht. Er treibt seine aberwitzige, manchmal auch die Bloßstellung nicht scheuende Lebensbeschreibung mit grellen Szenen auf jene Höhen, in die ihm der gewissenhafte Nietzsche-Forscher nur widerwillig folgt. Buchstäblich herausragend aus all der bühnenreifen Situationskomik jene Badeszene in der Basler Anstalt, in die ihn Overbeck im Januar 1889 nach dem Turiner Zusammenbruch brachte: Der Pfleger Augustin, den Nietzsche für den Reichskanzler Bismarck hält, ist diesem bei der Onanie behilflich, die für medizinisch triftig erklärt und „Kuhnesches Reibesitzbad” genannt wird. Ob Nietzsche ein solches auf diese Art tatsächlich genossen hat, wissen wir nicht. Wir wissen auch nicht, ob es beim Ehepaar Overbeck, dem Köhler bis ins Schlafzimmer folgt, wirklich so gemütlich zuging. Es kann aber nicht Aufgabe einer seriösen Nietzsche-Philologie sein, sich auf eine Debatte über den historischen Wahrheitsgehalt dieses Buches einzulassen.
Köhler nimmt Nietzsches letzte, nur noch halb zurechnungsfähige Mitteilung an die Welt, die schrille Selbstbeweihräucherung „Ecce Homo”, auf geradezu blasphemische Weise ernst: Seht, welch ein Mensch, sagt er, und führt uns diesen modernen Menschen par excellence als das interessante Tier vor, als das Nietzsche selbst den Menschen bezeichnete. Köhler gibt sich alle Mühe, jene eine Erkenntnis zu widerlegen, die Ludwig von Scheffler ausspricht: Nietzsche sei zu klein für unser Mitleid. Wohltuend ist dabei der Verzicht aufs kitschige Pathos, dem schon mehr als ein Biograf verfallen ist und das übrigens auch Nietzsche selbst nie scheute. Die schnörkelhafte Seiten-Aufmachung hätte sich der Verlag aber sparen können.
Es liegt in der Logik dieses virtuosen, anspielungsreichen Romans, dass von dem Verhängnis, als das Nietzsche sich sah und inszenierte, nicht mehr viel bleibt. Was aber falsch, weil wörtlich verstandene Nietzsche-Gefolgschaft einst anrichten wird, das deutet Köhler an: Der Arzt und Frauenverächter (Nietzsches Lehrer Schopenhauer lässt auch hier grüßen) Möbius entbietet am 25. August 1900 im Weimarer Archiv, in dem sich eine Handvoll Wissender versammelt hat, den römischen Gruß. Das letzte Stündlein hat für den Philosophen geschlagen, und der Erzähler lässt es sich nicht nehmen, es mit besonderer Ironie zu inszenieren.
Joachim Köhler hat ein bemerkenswertes, sensationell amüsantes Buch geschrieben.
EDO REENTS
JOACHIM KÖHLER, Nietzsches letzter Traum. Roman. Karl Blessing Verlag München 2000. 319 Seiten, 39,90 Mark.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.07.2000

Mummenschanz auf Toteninsel
Also sprach Nietzsche: Joachim Köhler träumt Geistesgeschichte

Am 12. November 1887 sandte Friedrich Nietzsche seinem barmherzigen Freund, dem Basler Theologen Franz Overbeck, aus dem schönen Nizza eine trostlose Bilanz: "Dieses schreckliche Jahrzehnt, das ich hinter mir habe, hat mir reichlich zu kosten gegeben, was Alleinsein, Vereinsamung bis zu diesem Grade, bedeutet: die Vereinsamung und Schutzlosigkeit eines Leidenden, der kein Mittel hat sich auch nur zu wehren." Bei seiner anschließenden Klage, jedermann habe sich "mit irgend einer Absurdität" an ihm vergriffen, konnte der Philosoph noch nicht ahnen, welch obszöne Geschichte von Vereinnahmungen Person und Werk zeigen sollten. Joachim Köhlers Nietzsche-Roman ist in dieser Hinsicht ein zwiespältiges Unterfangen. Er bemächtigt sich Nietzsches und seiner Äußerungen bis hinein ins wörtliche Zitat mit der Absicht, ihn aus dieser Vereinnahmungsgeschichte symbolisch zu befreien.

Der Grundeinfall will, dass Nietzsche sich im Jahre 1900 aus seiner Krankheit und Gefangenschaft als Inventarstück des Archivs seiner Schwester hinwegträumt und die Ereignisse seit dem Zusammenbruch in Turin am 3. Januar 1889 noch einmal durchlebt. Dabei hat Joachim Köhler seinem Helden viele alte und einige neue Bekannte zugestellt. Neben der garstigen Schwester Elisabeth und dem alten Freund Overbeck und seiner Frau Ida den Nervenarzt Ludwig Wille, den angeblichen Lieblingsschüler Ludwig von Scheffler, den Musiker und Jünger Peter Gast, die Frauenrechtlerin Helene von Druskowitz und den Nietzscheaner Paul J. Möbius, den Verfasser der berüchtigten Abhandlung über den Schwachsinn des Weibes. Eine besondere Rolle spielen schließlich der Maler Arnold Böcklin und sein Bild "Die Toteninsel". Mit sicherer Hand verleiht Köhler den Personen eine karikaturistische Kennung. So erzeugt er den Eindruck, dass Nietzsche in den Basler und Weimarer Zirkeln keineswegs der Verrückteste gewesen ist.

Die Dialoge und Ereignisse des Romans beruhen, teils in Form wörtlicher Zitate, auf Schriften, Briefen und den Dokumenten zu Nietzsches Krankengeschichte, die Köhler mit großem Geschick und sprachlicher Sicherheit weitergesponnen hat. Das führt zwangsläufig zu einem Konversationston von grotesker Künstlichkeit, gelegentlich zu druckreif formuliertem baren Unsinn. Köhler treibt das in einer ironischen Stilhaltung auf die Spitze, um die Geschichte in der Tradition von Thomas Manns Montagetechnik als Komödie des Geisteslebens zu inszenieren. Zwar greift der Autor dabei auf alle bekannten Bizarrerien und Blasphemien des späten Nietzsche zu, und auch der Syphilis-Schauder wird nicht verschmäht, jedoch in deutlicher und kühler Distanz zur sensationsheischenden Kolportage.

"Wie Sie sich um Nietzsche die Köpfe zerbrechen, wie Sie ihm mit Ihrer Vernunft auf den Leib rücken, ihn auf den Seziertisch Ihrer Neugier zerren. Phänomenal. Und jetzt wird auch noch zu Mitleid mit ihm aufgerufen. Welch makabre Krönung, meine Herrschaften." Bei Köhler repräsentiert jede literarisch-historische Person ein Nietzsche-Bild. Der Philosoph erscheint als Übermensch, einzigartiger Geistesheld und überlegener Kritiker der bürgerlichen Gesellschaft, der des Mitleids von Kleingeistern nicht bedarf, als eitler und größenwahnsinniger Spinner, als interessanter psychiatrischer Fall, als bedauernswerte Inkarnation tiefster Selbstzweifel oder als gutmütiger, weltfremder Einzelgänger. Schließlich mythologisch-psychologisch als weiblicher Charakter und einsam am Ufer sitzende Ariadne, die ewig vergeblich auf ihre Erlösung wartet. Als dunkler Spiegel der unvereinbaren Ansichten dient auf geistreiche Weise Böcklins Bild "Die Toteninsel" von 1880, das sich im Baseler Kunstmuseum befindet. Jede der handelnden Personen sieht es auf ihre Weise und stellt dem Leser damit die Befangenheiten vor Augen.

Köhlers ironischen Geschichtskonstruktionen ist dabei nichts heilig. Das Basel der Jahrhundertwende wird als Jahrmarkt kleinkarierter Interessen dargestellt, auf dem es nicht viel anders zugeht als im örtlichen Irrenhaus. Die gelehrte Welt erscheint in Gestalt erschlaffter grauer Herren, die unter Schlaflosigkeit und seelischer Verstimmung leiden und um ihre Reputation fürchten. Die Psychotherapie ist ein Zirkus grotesker Eitelkeit und sarkastischer Selbstspiegelung. Der Maler ist ein verkitschter Geck und Erotomane, der Weltverbesserer Möbius ein verklemmter Fanatiker und Dummschwätzer, und die neurotische Männerfeindin tut sich an älteren Herren mit Spitzbauch gütlich. Am Ende erweist sich das Dionysische als alberne Turnübung frustrierter und alkoholisierter bürgerlicher Individuen, wie überhaupt alle pseudoarchaischen und radikalen Vorstellungen des deutschen Griechentums bei Köhler der Lächerlichkeit verfallen. Eine auffällige Ausnahme bildet nur Jacob Burckhardt, dessen "Griechische Kulturgeschichte" (1899) das bürgerliche Griechenland grundsätzlicher in Frage stellte als Nietzsches "Geburt der Tragödie". Der noble Basler Kunsthistoriker bleibt dezent im Hintergrund.

So fügt sich dieser Interpretationsroman zu einem Panoptikum der Geisteswelt des späten neunzehnten Jahrhunderts, zu einem Irrgarten der Ansichten, in dem der Leser den Ariadne-Faden fest in der Hand behalten muss. Das Buch erscheint verdächtigerweise im Nietzsche-Jahr, aber es wäre verfehlt, daraus auf vornehmlich kommerzielle Absichten zu schließen. Dazu sind die Bezüge und Anspielungen dieses Gedankenspiels zu vertrackt. Zwar sind die Figuren aus Wachs, aber durch Köhlers Beleuchtungskunst aus dem Geist von Nietzsches "Fröhlicher Wissenschaft" (über die der Romancier 1977 promoviert hat) erwachen sie zu kunstvoller Präsenz. Natürlich vereinnahmt auch Köhler Nietzsche, aber auf eine so distanzierte und heiter-ironische Weise, dass Peinlichkeit selten aufkommt. Am Ende wünscht der Leser beinahe, Nietzsches Ende hätte sich so zugetragen, wie es hier beschrieben ist.

FRIEDMAR APEL

Joachim Köhler: "Nietzsches letzter Traum". Roman. Karl Blessing Verlag, München 2000. 320 S., geb., 39,90 DM.

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Immer wieder im Rückgriff auf Thomas Manns "intelligente Stellung zu Nietzsche" betrachtet Edo Reents diesen Roman, der ihm ausnehmend gut gefallen hat. Mit dem einfachen aber wirkungsvollen "Kniff", die ganze Erzählung als im Opiumtraum Nietzsches an ihm selbst vorbeiziehendes Leben darzustellen, hat er sich nicht auf biografische Historizität, dafür aber auf "ästhetische Wahrhaftigkeit"eingelassen, findet der Rezensent. Und was bei Thomas Mann als Tragödie des "Doktor Faustus" daherkommt, ist hier eine schrille Komödie geworden. Mit "grellen Szenen" vom "Weltgenie", der z.B. als "Dionysos-Imitator nackt vor seinen Turiner Zimmerwirten herumtanzt", inszeniert hier ein "stilistisch brillanter Erzähler" eine Interpretation von Leben und Werk, die vom "Verhängnis", wie der Philosoph sich selber sah, nicht mehr viel übrig lässt. Köhler hat als junger Mann über Nietzsche dissertiert, schreibt der Rezensent, und kenntnisreich alle Lebenszeugnisse und Briefe zu einem irren Text verwoben. Ein "bemerkenswert, sensationell amüsantes Buch" urteilt Edo Reents.

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