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Im 6. Jahrhunderthat eine weltweite Naturkatastrophe die Erde erschüttert - rund 18 Monate lang war die Sonne hinter einem Schleier aus Staub verborgen. David Keys schildert die Auswirkungen dieser aller Wahrscheinlichkeit nach durch einen gigantischen Vulkanausbruch verursachten Klimaveränderung: extreme Kälte- und Dürreperioden, Sturmfluten, Hungersnöte, Epidemien, Völkerwanderung, tiefgreifender gesellschaftlicher Wandel und weiträumige politische Veränderungen.

Produktbeschreibung
Im 6. Jahrhunderthat eine weltweite Naturkatastrophe die Erde erschüttert - rund 18 Monate lang war die Sonne hinter einem Schleier aus Staub verborgen. David Keys schildert die Auswirkungen dieser aller Wahrscheinlichkeit nach durch einen gigantischen Vulkanausbruch verursachten Klimaveränderung: extreme Kälte- und Dürreperioden, Sturmfluten, Hungersnöte, Epidemien, Völkerwanderung, tiefgreifender gesellschaftlicher Wandel und weiträumige politische Veränderungen.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Keys hat eine starke These - und Rezensent Hartwin Brandt hat eine starke Aversion dagegen. Keys versuche in deterministischer Weise quasi die ganze Weltgeschichte aus einer Naturkatastrophe im Jahre 535 ableiten - ein Vulkanausbruch in Asien soll an allem schuld gewesen sein. Gerade Keys vermeintlich wissenschaftliche Argumentation stimmt den Rezensenten verdächtig: Er zitiere ohne Quellenangabe, berufe sich auf mündliche Aussagen von Naturforschern - da könne man ihm die behauptete Beweiskraft seiner Ausführungen kaum abnehmen. Brandt weist Keys auch Fehler nach - etwa, dass er eine Pestepidemie im alten Athen nicht gekannt zu haben scheint. Am absurdesten findet Brandt Keys` Ausblick, in dem er für die nächste Zeit eine weitere Katastrophe dieser Art voraussagt.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.10.1999

Auch das noch!
Im Jahr 535 soll sich ein feuerspeiender Berg aus den Fluten erhoben haben: David Keys zählt zu den Liebhabern des Vulkans / Von Hartwin Brandt

Die nahende Jahrtausendwende scheint allerorten die Suche nach den wahren und großen Zusammenhängen zu beflügeln; tritt dann noch - wie jüngst geschehen - eine durch mediale Inszenierungen verstärkte Sonnenfinsternis hinzu, schlägt erst recht die Stunde der Kosmologen und Welterklärer. Zu Letzteren gesellt sich der englische Publizist David Keys mit seinem kaum zufällig im Jahr der besagten Sonnenverdunkelung publizierten Buch "Als die Sonne erlosch". Mit diesem Werk strebt Keys nicht weniger an als eine wissenschaftlich fundierte Deutung weltweiter Entwicklungen seit dem sechsten Jahrhundert nach Christus, die er sämtlich auf eine von ihm postulierte Naturkatastrophe mit globalen Konsequenzen zurückführt.

Ausgangspunkte für Keys sind Schilderungen spätantiker und byzantinischer Autoren (Prokop, Johannes von Ephesos, Cassiodor) von Seuchen, Dürren, Hungersnöten und Sonnenfinsternissen. Die in ihren Einzelheiten und Folgen recht gut dokumentierte Pestkatastrophe der frühen 540er Jahre in Byzanz erklärt Keys mit einem von ihm erschlossenen Seuchenherd in Ostafrika; der unfreiwillige Import infizierter Nagetiere im Zuge wirtschaftlicher Kontakte habe die Epidemien in der spätantiken Welt der Römer und ihrer Nachbarn verursacht. Der afrikanische Seuchenherd wiederum sei im Zuge einer durch katastrophale Klimaentwicklungen bedingten Abfolge von Dürren und Überschwemmungen entstanden.

In einem wahren Parforceritt über den spätantiken und frühmittelalterlichen Globus sucht Keys anschließend den Nachweis zu erbringen, dass in aller Welt in der zweiten Hälfte des sechsten Jahrhunderts Klimaschwankungen und Naturkatastrophen sowie Pandemien zu umwälzenden politischen, soziokulturellen und ökonomischen Veränderungen geführt hätten. So seien die Awaren wegen dramatischer Ernährungsprobleme aus der asiatischen Mongolei gen Westen aufgebrochen, und "in den Jahren 536 und 537 scheinen die klimatischen Probleme auch die Slawen betroffen" und zum Einfall in das Römische Reich bewogen zu haben. Im Jemen hätten die Beulenpest und ein ebenfalls angeblich klimatisch bedingter Dammbruch den Nährboden für die Ausbreitung des Islam bereitet und somit die Voraussetzungen für die Islamisierung der gesamten östlichen Mittelmeerwelt geschaffen, und entsprechend revolutionäre Vorgänge ermittelt Keys auch für Westeuropa. Denn in Britannien hätten Pest und Hunger im sechsten Jahrhundert die Spaltung zwischen dem keltischen Westen und dem angelsächsischen Osten begründet, insofern läge hier gewissermaßen "die Geburtsstunde von Wales".

Auch in Asien und Altamerika seien die Grundlagen für die Entwicklungen in Mittelalter und Neuzeit bereits in dieser Zeit gelegt worden, ausschließlich bedingt durch die ominöse Naturkatastrophe des Jahres 535. Deren Identität gibt Keys erst in den letzten Kapiteln seines Buches preis: Ein gewaltiger Vulkanausbruch habe 535 die Weltgeschichte nachhaltig verändert. "Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" (dieser Formel bedient sich Keys stets, wenn er sich auf nicht hinreichend belegbare Vermutungen stützt) sei dieser "große Knall" im Gebiet der Sunda-Straße zwischen Sumatra und Java losgegangen. Tausende von Kubikkilometern flüssigen Magmas seien mehrere Kilometer hoch in die Luft geschleudert worden, ein gigantischer Wolkenpilz aus Asche und Trümmern sei weit in die Stratosphäre aufgestiegen, und riesige Staubwolken hätten sich gebildet. Wahrscheinlich, so Keys, müsse von mehreren wiederkehrenden Explosionen ausgegangen werden, die sich über Monate hingezogen hätten. Globale Klimaveränderungen, Temperaturstürze und ein Wechsel von längeren Dürreperioden sowie Überschwemmungen seien Folgen dieser nahezu singulären Katastrophe gewesen.

In seiner Einleitung bekennt sich Keys emphatisch zu einer deterministischen Sicht der Geschichte und scheut sich nicht, die Monokausalität zum ausschließlichen Deutungsprinzip zu erheben. Denn das seines Erachtens nun schlüssig bewiesene Naturphänomen sei "der einzige die gesamte Welt betreffende Faktor beim Niedergang" der globalen Zivilisation des sechsten Jahrhunderts gewesen. Gleichzeitig erhebt Keys den Anspruch auf wissenschaftliche Qualität und Exaktheit seiner gesamten Argumentation; immer wieder beruft er sich auf Baumringuntersuchungen und die Auswertung von Eiskernbohrungen, von der Vulkanologie bis zur Biologie der Heuschrecken, von der Epidemiologie bis hin zur Altafrikanistik ist kein Feld vor seinem energischen Zugriff sicher.

Dieser erfüllt aber keineswegs alle Anforderungen, die an ein wissenschaftliches Werk zu richten sind. Antike und mittelalterliche Autoren zitiert Keys stets ohne Stellenangabe (so dass eine Nachprüfung seiner Übersetzungen nur mit immensem Aufwand möglich wäre), in seinem Anmerkungsapparat beruft er sich in der Regel auf mündliche Auskünfte von Experten verschiedenster Couleur sowie nicht selten auf unpublizierte Studien, in zahlreichen "Ursachen-Folgen-Diagrammen" werden der Leserschaft bisweilen abenteuerlich anmutende Kausalketten präsentiert, und chronologische Probleme und Ungereimtheiten werden souverän umschifft oder zurechtgebogen, bis der Verfasser verkünden kann: "Es passt alles zusammen." In Einzelfällen offenbart Keys erhebliche Wissenslücken. So weiß er zum Beispiel von keinem Pestausbruch in der Antike vor den Epidemien der byzantinischen Zeit - die berühmte, von Thukydides detailliert geschilderte Seuche im perikleischen Athen kennt er nicht.

Mit einem seiner spätantiken Gewährsleute, Prokop von Cäsarea, teilt Keys die Vorliebe für drastische Situationsbeschreibungen und phantasievolle Gemälde. So kann er sich etwa "gut vorstellen, wie wahrscheinlich Tausende türkischer Edelmänner mit ihrem wehenden schwarzen Haar und den gewaltigen Schnauzbärten über die Steppe geritten kamen". Seine Vorstellungskraft erstreckt sich freilich nicht nur auf die Vergangenheit, sondern in einem "Ausblick" titulierten Kapitel sucht Keys auch noch futurologische Talente unter Beweis zu stellen. Unter dem Yellowstone-Nationalpark, im kalifornischen Long Valley, bei Neapel und in Papua-Neuguinea lokalisiert er jeweils vulkanische Potentiale, deren Eruption zu vergleichbaren Folgen wie denen des Jahres 535 führen könnten. Bei dieser Feststellung belässt es Keys jedoch nicht, vielmehr entwirft er ein detaillierteres Horrorszenario mit dem Fazit: "Auf lange Sicht würde wohl durch eine solche Katastrophe das geopolitische Ungleichgewicht zwischen den Industriestaaten und der Dritten Welt reduziert. Obwohl Asien, Afrika und vielleicht auch Südamerika Abermillionen Tote zu beklagen hätten, würde ihre Position dem Westen gegenüber letztlich eher gestärkt als geschwächt."

Uns als staunenden und bangen Lesern derartiger Visionen bleibt nur die stille Hoffnung, dass Keys bei der Zukunftsdeutung ähnlich weit über das Ziel hinausgeschossen sein möge wie bei der Interpretation der Vergangenheit. Aus einer unbezweifelbaren Häufung von Naturkatastrophen, Seuchen, Hungerkrisen und Wanderungsbewegungen des sechsten Jahrhunderts hat er allzu salopp ein großes Weltgemälde entworfen. Hauptamtlich ist Keys als Fachjournalist für die BBC und als Archäologie-Korrespondent für den "Independent" tätig. Der Unabhängigkeit und Ungebundenheit assoziativer Kombinationen hätte er in seinem Buch besser engere Grenzen gesetzt.

David Keys: "Als die Sonne erlosch". 535 nach Christus: Eine Naturkatastrophe verändert die Welt. Aus dem Englischen von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann. Karl Blessing Verlag, München 1999. 415 S., Abb., geb., 44,90 DM.

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