Marktplatzangebote
7 Angebote ab € 11,31 €
Produktdetails
  • Verlag: Schwarzkopf & Schwarzkopf
  • Seitenzahl: 320
  • Deutsch
  • Abmessung: 220mm x 240mm
  • Gewicht: 1470g
  • ISBN-13: 9783896023209
  • ISBN-10: 3896023209
  • Artikelnr.: 09521254
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.03.2002

Die gute Form aus Dunkeldeutschland

Gerechtigkeit für DDR-Design: Was hinter der Mauer gestaltet wurde, findet späte Anerkennung. Zum Teil war es den Vorbildern aus Skandinavien und Italien gar überlegen.

VON KNUTH HORNBOGEN

Ein wenig widersprüchlich klingt das Wortpaar schon: DDR-Design. Steht der eine Bestandteil für Mangelwirtschaft und Billigprodukte, beschreibt der andere Wohlstand und Produktentwicklung. Und dennoch: Bis in die achtziger Jahre gab es in der DDR durchaus Entwürfe, die heute mehr als nur mitleidiges Lächeln hervorrufen, die sogar typisch italienisch oder skandinavisch anmuten.

Darunter sind zahlreiche Entwürfe von Designerinnen und Designern, die im Westen als unbekannt gelten dürften: Clauss Dietel, Wolfgang Dyroff oder Margarete Jahny. Fest verbunden mit ihren Namen sind Produkte wie der "Wartburg", der Staubsauger "Omega", immerhin mehr als zwei Millionen Mal verkauft, oder das Stapelgeschirr "Rationell". Prominent eingesetzt, klapperte es im innerdeutschen Verkehr der Reichsbahn quer durchs Land.

Selbst Unternehmen, die heute im Westen angesiedelt sind, profitieren noch vom Geist des DDR-Designs: Seit Jahren steht die Marke "alfi" für hervorragende Designprodukte. Thermoskannen von feinster Qualität und Form entstehen im bayerischen Wertheim. Begonnen hat die Geschichte dieser Kannen jedoch nicht mit den Design-Stars Philippe Starck oder Tassilo Grolman, deren Entwürfe heute produziert werden. Vielmehr geht der Ursprung des Unternehmenskonzepts zurück auf die Produktion von Kochtöpfen für die Haushalte der DDR, überwiegend Entwürfe von Margarete Jahny. Sie war es auch, die 1959 die erfolgreiche Serie von alfi-Isolierkannen entwarf und so den Grundstein für eine langfristige Designgeschichte des Unternehmens legte.

Von diesen und anderen Produktgeschichten berichtet das Buch "Penti, Erika und Bebo Sher - Die Klassiker des DDR-Designs" von Günter Höhne. Schon im Jahr 2000 hatte der gelernte DDR-Bürger Höhne bei der Ausstellung "4:3 - 50 Jahre italienisches & deutsches Design" in der Bundeskunsthalle in Bonn den Bereich Design aus der DDR betreut. Ein Ausstellungsteil, der große Beachtung fand, nicht nur bei Fans der Vorwendejahre. Auch italienische Designstars zeigten sich verwundert. Denn was sie in den Vitrinen erblickten, waren keine schlechten Kopien westlicher Produkte; es waren Dinge, die das Zeug hatten, bisherige Designgeschichte neu zu schreiben.

Alessandro Mendini, einer der intellektuellen Vorreiter des italienischen Designs, staunte zum Beispiel über den Fernseher "Weissensee", schon seit 1959 im Standardsortiment des Fachhandels der DDR. Er staunte, weil ihm bis dahin Geräte des deutsch-italienischen Design-Teams Richard Sapper und Marco Zanuso als Vorreiter in Sachen Kunststoffverarbeitung gegolten hatten. Weit gefehlt, denn diese waren erst Anfang bis Mitte der Sechziger entstanden.

DDR-Designer als Speerspitze der Innovation? Offenbar! Auch der Staubsauger Omega 1064 sorgte für Verwunderung. In Italien lobten viele das Gerät wegen seiner dynamischen Formgebung - und gingen stillschweigend von westlicher Herkunft aus. Daß derart gelungenes Haushaltsgerät aber aus dem Land der Vereinheitlichung stammte, war nahezu allen Besuchern neu. Dennoch - die besten Jahre des DDR-Designs waren die des jungen Sozialismus: die Jahre, als die Regelwut das Design noch nicht zu ordnen geschafft hatte, Normen nicht existierten.

Das änderte sich mit dem Einfluß des Amtes für Industrielle Formgestaltung. Höhne spricht gern von "verordnetem Design", bezeichnet die Tätigkeit der Formverordner als "Anleitung und Kontrolle". Designerinnen und Designern wurde die freiberufliche Tätigkeit schwergemacht, Designförderung mutierte zur Designverwaltung. Höhne erinnert sich, kommt zu dem Schluß: "Auf solchem verkrusteten Boden konnte Design und Designerfürsorgekultur wohl kaum gedeihen." So sank die Designqualität rapide. Wachsender Einfluß von Parteigängern und Ministerien verstellte jegliche Entwicklung. Wurden 1979 noch 91 Produkte mit der Plakette "Gutes Design" geehrt, sank die Zahl in den Folgejahren auf rund 50 bis 60 Auszeichnungen, um schließlich, 1988, nur noch kümmerliche 37 Produkte aus der Masse des Einheitlichen zu heben.

Erheblichen Anteil an der Misere hatte die exportorientierte Wirtschaft. Statt nämlich innovative Konzepte der Designer zu übernehmen, galt es, Staubsauger oder Messer denen der westlichen Konkurrenten anzugleichen, nur billiger. Ohne Grund, denn trotz der ungünstigen Bedingungen gelang es einigen Unternehmen, sich auf internationalem Terrain zu etablieren, überzeugende Entwürfe weltweit zu vertreiben. Hierzu zählen jene bei Ikea verkauften Lampen, die - mehrfach mit Designpreisen bedacht - von der Firma "Metalldrücker Halle" entworfen und produziert wurden. Noch heute beliefert die Firma den Möbelgiganten Ikea mit dem typisch nordischen Design, nur kommt es aus Halle.

Die Geschichte der metallenen Leuchten ist eine der Improvisationslust findiger DDR-Unternehmer. Denn auf die Idee, einen verwandten Artikel herzustellen, kam man, als gestiegene Energiekosten dazu führten, die Produktion von Heizsonnen einzustellen. Auf Anordnung der Planwirtschaftler schien das Ende der Metalldrücker zu drohen. Statt jedoch aufzugeben, hängte man die Wärmespender an die Decke, tauschte Heizspiralen gegen Glühbirnen aus und nannte das Ergebnis kurzerhand Lampe. Gemeinsam mit der benachbarten Hochschule für industrielle Formgestaltung Burg Giebichenstein entwickelte man in den folgenden Jahren zahlreiche, zum Teil in riesigen Stückzahlen produzierte Leuchtkörper.

Doch gab es nicht nur skandinavisches Design im Land des Mangels, auch italienisches Design kam aus der DDR. Schon 1985 hatten Albrecht Ecke und Reinhard Panier eine Leuchte aus Kunststoffteilen entworfen und damit sogar den 1. Preis im Leuchten-Innovationswettbewerb gewonnen. Zur Produktion der steckbaren Lichtquelle "Clip + Clap" konnte sich jedoch kein Unternehmen des real existierenden Sozialismus entschließen.

Weniger ängstlich war der Produzent Slamp. Stolz präsentierte das italienische Label jenen Entwurf 1998 auf der Frankfurter Messe Tendence und machte alsbald Bekanntschaft mit einem der Designer, der, als er den 12 Jahre alten Entwurf entdeckte, seinen Augen nicht trauen mochte. Nachdem man sich auf die Urheberschaft geeinigt hatte, war klar: Italienisches Design darf auch aus der DDR kommen.

Günter Höhne: "Penti, Erika und Bebo Sher - Die Klassiker des DDR-Designs". 280 Seiten, 570 schwarzweiße und farbige Abbildungen, Großformat 22 mal 25 Zentimeter, gebunden, ISBN 3-8 96 02-3 20-9. 25,90 Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Schade, schade, bedauert Hans Wolfgang Hoffmann, dass es Günter Höhne, Mitte der achtziger Jahre Chefredakteur der gesamtdeutsch beachteten aber in der DDR publizierten Design-Zeitschrift "form + zweck", versäumt hat, in seinem Buch über Gestalter und Gestaltung der DDR das Typische des DDR-Designs und dessen Unterschiede zum Design in der Bundesrepublik herauszuarbeiten. Der Rezensent freut sich zwar, dass Höhne mithin als erster damit begonnen hat, die Geschichte des DDR-Designs aufzuarbeiten und allerlei Unbekanntes darüber abzulichten und zu berichten weiß, stört sich aber an der mangelnden Distanz des Autors zu seinem Gegenstand. Dessen "gepflegte Opferattitüden" werden wohl kaum, ist Hoffmann überzeugt, dazu beitragen, bestehende Vorurteile über DDR-Design abbauen oder "ostalgische" Schwärmereien objektivieren. Immerhin aber, meint der Rezensent, enthalte der Band das bisher beste Bildarchiv zum Vorleben unserer Neubundesbürger.

© Perlentaucher Medien GmbH