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Amsterdam 1758. Nach allen Regeln der Kunst beginnt ein Mann, eine Frau zu verführen. Er ist unter dem Namen Chevalier de Seingalt im Auftrag der französischen Regierung in der Handelsmetropole. Lucia ist eine Edelprostituierte, in den höheren Kreisen Amsterdams auch dafür bekannt, daß sie nie den ihr Gesicht verbergenden Schleier ablegt.Überzeugt von seiner Unwiderstehlichkeit, wettet er mit ihr, daß sie, wie jede andere Frau vor ihr, es nicht bereuen wird, sich von ihm lieben zu lassen.Was Seingalt nicht weiß, ist, daß er die geheimnisvoll Verschleierte in seiner Jugend gekannt und geliebt…mehr

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Produktbeschreibung
Amsterdam 1758. Nach allen Regeln der Kunst beginnt ein Mann, eine Frau zu verführen. Er ist unter dem Namen Chevalier de Seingalt im Auftrag der französischen Regierung in der Handelsmetropole. Lucia ist eine Edelprostituierte, in den höheren Kreisen Amsterdams auch dafür bekannt, daß sie nie den ihr Gesicht verbergenden Schleier ablegt.Überzeugt von seiner Unwiderstehlichkeit, wettet er mit ihr, daß sie, wie jede andere Frau vor ihr, es nicht bereuen wird, sich von ihm lieben zu lassen.Was Seingalt nicht weiß, ist, daß er die geheimnisvoll Verschleierte in seiner Jugend gekannt und geliebt hat; was Lucia nicht weiß, ist, daß Seingalt als einer der größten Liebhaber der Welt in die Geschichte eingehen soll: Er ist Casanova.Arthur Japin erzählt in seinem Roman Die Verführung die Geschichte der Lucia von Pasiano, die eine kluge Frau war; ihr mitreißendes Leben, das sie von den Kanälen Venedigs zu den Grachten in Amsterdam führte. Er erzählt von ihrer Unschuld, ihren Erfahrungen und Opfern und zeichnet ein leidenschaftliches Porträt des 18. Jahrhunderts mit seinen Widersprüchen von Verstand und Instinkt, Geist und Sinnlichkeit, Kopf und Herz.
Autorenporträt
Arthur Japin, geboren 1956 in Haarlem, lebt in Utrecht. Er arbeitete viele Jahre als Schauspieler, schrieb Theaterstücke und Hörspiele. Sein erster Roman wurde in 13 Sprachen übersetzt und wird zur Zeit verfilmt. Die Verführung erschien bereits in England, den USA und Frankreich und ist auf dem besten Weg, ebenfalls ein internationaler Bestseller zu werden. Mirjam Pressler, 1940 in Darmstadt geboren, gehört zu den namhaftesten Autorinnen der deutschsprachigen Kinder- und Jugendliteratur, sie ist auch eine renommierte Übersetzerin aus dem Hebräischen und Niederländischen. Für ihr übersetzerisches Gesamtwerk erhielt sie 1994 den Sonderpreis des Deutschen Jugendliteraturpreises. 2004 wurde sie für ihr Gesamtwerk mit dem Deutschen Bücherpreis ausgezeichnet. Sie lebt in der Nähe von München.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.06.2006

Schuld war nur der Casanova
Vom unschuldigen Wildfang zur Edelkurtisane: Arthur Japins Roman "Die Verführung"

Der alte Casanova hat kein Glück mehr bei den Frauen. Seine Eroberungstechnik gilt als überholt, schlimmer: als brutalstmögliche Aufklärung, und so strampelt er sich in Fellinis Film so mechanisch in seiner Verrichtungsbox ab wie Vaucansons Flötenspieler. Der Rokoko-Galan erscheint heute als Glücksritter von eher trauriger Gestalt, wenn nicht als venezianischer Bruder des Vicomte de Valmont. Wenn der Wüstling, der die Liebe als strategisches Kriegsspiel betreibt, ein Waterloo erlebt, darf er daher kaum auf Mitleid rechnen. Schon bei Arthur Schnitzler fand der melancholisch und müde gewordene Libertin in Marcolina seine Zucht-Meisterin. In Andrew Millers "Kleiner Geschichte, die meist von der Liebe handelt", wurde er kürzlich von einem Boudoir-Luder nach allen Regeln der Verführungskunst gedemütigt, und jetzt erleidet der Chevalier de Seignalt auch in Amsterdam eine schmerzliche Schlappe.

Aus ein paar dürren Bemerkungen in seinen Memoiren geht hervor, daß Casanova sich 1742 auf einem Landgut im Friaul in die vierzehnjährige Lucia verliebte. Die Unschuld vom Lande treibt den ehrgeizigen jungen Abbé mit ihrer Arglosigkeit zur Raserei: Jeden Morgen schlüpft das Mädchen zum Plaudern und Kuscheln in sein Bett. Von so viel reizender Naivität entwaffnet, verzichtet der größte Liebhaber aller Zeiten großmütig auf einen allzu leichten Sieg und legt lieber nach Schuljungenart selber Hand an sich. Als er Monate später seine Rechte einfordern will, ist der Engel bereits gefallen und mit einem Laufburschen durchgebrannt. Hätte er weniger heroischen Triebverzicht geübt, wirft Casanova sich vor, dann hätte er Lucia glücklich gemacht; so aber wird er, wie ihm ein böses Wiedersehen 1758 vor Augen führt, ihren Untergang verschulden: "Lucia, die zarte, hübsche und unschuldige Lucia, die ich so sehr geliebt und die ich aus Zartgefühl verschont hatte, in diesem Zustand, häßlich und abstoßend geworden, in einem Bordell von Amsterdam!" Der Kavalier wirft der von ihren Ausschweifungen verwüsteten Schlampe hastig zwei Dukaten hin und wendet sich mit Grausen: "Ich verspürte keine Neigung, ihre Geschichte zu hören; ich glaubte, sie zu kennen."

Diesen Irrtum korrigiert der holländische Autor Arthur Japin jetzt: Lucia hat Casanovas Liebe nie verraten, sondern ihn nur aus Zartgefühl und Rücksicht auf seine Karriere verschont. Als die Pocken ihre Schönheit und alle Hoffnungen auf eine Heirat zerstörten, ließ sie sich vom Grafen entjungfern, von einem Monsieur de Pompignac in der Kunst höfischer Verstellung einführen und ihr Kindheitsparadies hinter sich. Früh desillusioniert, will Lucia nur noch für wahr halten, was sinnlich erfahrbar und vernünftig zu begreifen ist, und dieses "Observo ergo est" gilt auch für ihr entstelltes Gesicht: Solange es hinter Schleiern, Masken und Fächern verborgen bleibt, existiert ihr Makel nicht. Ihre Freundin Zélide, eine enzyklopädisch gebildete Femme savante, lehrt sie Scham als pöbelhaft zu verachten und die Vernunft als Maske weiblicher Intuition zu gebrauchen. In Venedig, Neapel und Paris holt sich Lucia den letzten Schliff für ihre Karriere als Amsterdamer Luxusprostituierte: Der Schleier, mit dem sie sich vor Mitleid und peinlich berührten Blicken schützt, macht sie für die vorurteilslosen Pfeffersäcke nur um so begehrenswerter.

Beim Liebesgeplänkel bietet Lucia dem larmoyanten Zyniker eine Wette à la mode an: Wenn sie dem selbstgefälligen Frauenversteher nachweisen kann, daß er einmal nicht selbstloser Diener und Opfer weiblicher List und Lust, sondern selber Täter und Betrüger war, will sie sich als Preis hingeben. Sie kann die frivole Wette nur gewinnen, denn sie hat längst alles verloren; ihr Schicksal ist der Beweis. Casanova hat seine "dumme Enthaltsamkeit" längst bereut und greift sofort zu, wenn sich ihm irgendwo das Paradies darbietet. Für die Benutzeroberfläche Frau gilt die Betriebsanleitung: What you see is what you get. Lucia dagegen hat leidvoll erfahren müssen, daß man nicht alles bekommt, was man sieht, und nicht alles zeigen darf, was man hat. "Man braucht weniger Mut, um sich zu entblößen, als sich zu bedecken." Ohne daß sie ihr Opfer, ihr Gebrechen oder gar ihre Identität enthüllen müßte, stürzt sie Casanova in tiefste Schuldgefühle.

"Die Verführung" ist selber ein verschleierter Roman, der seine Reize unter einer glatten Oberfläche verbirgt; nicht umsonst war Japin Theater- und Filmschauspieler. Die bunte, sinnenfrohe Welt des achtzehnten Jahrhunderts, die Oberwelt der reinen Vernunft wie die Unterwelt der Zuchthäuser, Bordelle und Kaschemmen, ist die Kulisse für lange philosophische Gespräche über den ewigen Widerstreit von Verstand und Gefühl, Rationalität und Romantik, grundlosen Optimismus und aufgeklärten Pessimismus. Manchmal fallen Japins Liebes- und Lebensweisheiten etwas schlicht, seine Figuren und Dialoge wie Schattenrisse der "Gefährlichen Liebschaften" aus, und auch die Anspielungen auf Aids, Antisemitismus oder den Konflikt zwischen Casanovas altem Europa und der Neuen Welt des Pelzhändlers Jamieson zeugen nicht immer von höherem Esprit. Aber im Bildungsroman Lucias, in der Dressur und Emanzipation eines rousseauistischen Wildfangs zur raffinierten Salonschlange, steckt viel von der Dialektik der Aufklärung und in der Leidensgeschichte der verschleierten Fremden (die Japin vom anatomischen Theater bis zum venezianischen Maskenball und barocken Sexgewerbe durchdekliniert) mehr als ein Zipfel vom Kopftuchstreit. Die Toleranz und liberale Freigeisterei, auf die sich die Amsterdamer Bürger so viel zugute halten, enthüllt sich dabei als verdeckte Form von Kontrolle und Gewalt, der Schleier als Befreiung, Schutzschild und Waffe für die stigmatisierte Frau. "Solange ich mich in den andern nicht sehe, muß ich mich auch selbst nicht mehr betrachten. Erlöst von dem Bild, das ich von mir habe, kann ich mich wieder gefahrlos in die Welt begeben, wie ein Kind unter Erwachsenen." Allerdings macht es schon noch einen Unterschied, ob eine Muslimin sich männlichen Blicken entziehen oder eine Edelkurtisane ihre pockennarbige Haut so teuer und geistreich wie möglich verkaufen will.

Arthur Japin: "Die Verführung". Roman. Aus dem Niederländischen übersetzt von Mirjam Pressler. Verlag Schöffling & Co., Frankfurt 2006. 297 Seiten, geb., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Eine kurze Episode nur ist die doppelte Begegnung mit der erst hinreißend jungen und naiven, dann im Bordell wieder getroffenen völlig ruinierten Lucia in Casanovas Memoiren. Arthur Japin hat daraus aber einen Roman gestrickt, in dem Casanova nicht so gut wegkommt, dafür aber Lucia Gerechtigkeit widerfährt. Die Pocken, erfahren wir, haben ihre Schönheit zerstört - und aus der Praxis der Verschleierung hat Lucia eine Theorie zum Verhältnis von Nacktheit und Schleier gewonnen. Durch trickreiches Verbergen und Locken weckt sie noch immer das Begehren der Männer. Martin Halter erkennt sehr wohl die Absicht des Autors, hier auch etwas zu aktuellen Themen - Kopftuch zum Beispiel - zu sagen, und ist verstimmt. Aber nicht zu sehr. In der Entwicklungsgeschichte von Lucia vom "rousseauistischen Wildfang zur raffinierten Salonschlange" entdeckt er viel Wahrheit und nimmt dafür die eine oder andere etwas flache Pointe in Kauf.

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