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Elizabeth Bowen schreibt oft über Männer, die nicht wissen, was ihre Frauen fühlen, oder über Liebhaber, die eine Frau zwar besitzen, aber nicht kennen wollen.Ihre Heldinnen sind häufig leidenschaftlich, egoistisch und schwierig. Umgebungen bilden Stimmungen ab: »Das Haus wirkte wie in ewigem Januar: Sonnigere Jahreszeiten prallten an seinem Gemäuer ab.«Elizabeth Bowens Geschichten sind dramatisch und verstörend ihr Stil ist, nach Meinung ihrer Biographen, derart perfekt, dass es unmöglich ist, ihn zu imitieren:»Sie betrachtete Julian und wünschte, er wäre eine Uhr. Auch wenn sie gewollt…mehr

Produktbeschreibung
Elizabeth Bowen schreibt oft über Männer, die nicht wissen, was ihre Frauen fühlen, oder über Liebhaber, die eine Frau zwar besitzen, aber nicht kennen wollen.Ihre Heldinnen sind häufig leidenschaftlich, egoistisch und schwierig. Umgebungen bilden Stimmungen ab: »Das Haus wirkte wie in ewigem Januar: Sonnigere Jahreszeiten prallten an seinem Gemäuer ab.«Elizabeth Bowens Geschichten sind dramatisch und verstörend ihr Stil ist, nach Meinung ihrer Biographen, derart perfekt, dass es unmöglich ist, ihn zu imitieren:»Sie betrachtete Julian und wünschte, er wäre eine Uhr. Auch wenn sie gewollt hätte, hätte sie nicht sehr tief in ihn hineinschauen können; sie war in jeder Hinsicht kurzsichtig.«
Autorenporträt
Elizabeth Bowen, geb. 1899 in Dublin; Schulausbildung in England, Studium der Kunst in London nach dem Ersten Weltkrieg. Ab 1923 Buchveröffentlichungen mit Erzählungen und Romanen. Sie starb 1973 in London.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 07.08.2008

Alles ist an seinem Plätzchen
Sommernacht: Die Short Stories der Elizabeth Bowen
Eine heimliche Klassikerin und späte Geistesverwandte Jane Austens – seit Jahren macht sich der Schöffling-Verlag um die heute fast vergessene Elizabeth Bowen (1899-1973) verdient. Der Neuausgabe von sechs Romanen hat er nun eine Auswahl ihrer Short Stories folgen lassen, die, vor dem Zweiten Weltkrieg entstanden, von explosiver Dichte und Fülle sind.
Wo aber besonderer Detailreichtum ist, da wächst allgemeine Verunsicherung auch. So vielleicht ließe er sich fassen, der zwiespältige Eindruck, den die Krypto-Romantik der Irin beim Leser hinterlässt. Einerseits ist da diese rührende Tantenhaftigkeit Bowens, die alles aus „ihrer” sinkenden Zeit für uns, die Modernen, gesammelt und aufgehoben hat: ekrüfarbene Spitzenblusen, Eichentruhen, Pelzmäntel, Handschuhe auf Silbertabletts, Zibelinenmorgenmäntel, Marabufedern, Strohschachteln, Porzellankätzchen sowie eine Riesenkollektion von Miniaturen jener Menschen, die mit diesen Dingen leben. Alles ist an seinem Plätzchen, denn nach der Art von Tanten, die stets fürchten, es könne auch nur das Geringste verloren gehen, hat Bowen eine unerbittliche Akkuratesse an den Tag gelegt.
Dann aber die Nachtseite: Bowens peinigende Unberechenbarkeit. Als litte die streng und planvoll alles konservierende Dame an einer zutiefst modernen Krankheit: der Zerstreutheit. So lässt sie hier mal etwas fallen, spielt dort auf etwas an, ihre Einstellungen sind verhuscht, ihre Ansichten wechseln sprunghaft je nach Laune. Es geht in der leicht muffigen Welt ihrer Short Stories gerade so zu wie in den Köpfen kurzatmiger Fortschrittsmenschen. Wie diese, könnte man meinen, streift auch Bowen die Dinge nur schlaglichtartig, wie in äußerster Gehetztheit und Besorgtheit. Für Erklärungen, wie diese momenthaft in den Blick geratenden Dinge denn nun zusammenhängen, was sie eigentlich motiviert – dafür ist bei ihr explizit keine Zeit.
Im Dämmer der Umnachtung
Der Leser, von so manchem poetischen Detail unwiderstehlich angezogen, mag abgestoßen sein von der Schwierigkeit, sich einen Reim auf das Geschehen im Ganzen zu machen. Und das, obwohl sich nicht einmal viel ereignet in diesen Kurzgeschichten. Ein Mann packt kalt den Koffer für die Durchgebrannte („Das rote Kleid”), ein Bräutigam besucht ein Pärchen („Der Verlobte”), eine Zugeknöpfte korrespondiert mit ihrer heimlichen Liebe („Was Menschen Übles tun”), zwei Schwestern lieben einen Abwesenden („Der Emu”).
Äußerst spärlich also sind die Aktionen, unsichtbar passiert das Wesentliche im Innern. Dass da bei Bowen mehr ist als die bloße Oberfläche der Erscheinungen, beweisen die im Leser aufsteigenden Ahnungen, ein dunkles Gefühl, das in seinem Ungenügen den hellen Verstand um Hilfe anruft: Warum wird in diesen Geschichten so gehandelt, wie gehandelt wird? Warum wird jeder Schluss verweigert? Was ist der Grund? Und bald mag der Verstand, im Verein mit dem Gespür, hinter Bowens Szenenkulissen gewisse Schemen ausmachen, die wiederkehren. Es geht etwa immer wieder um den Ersatz naher Blutsverwandtschaft durch eine entfernte Bekanntschaft von moralisch zweifelhaftem Ruf. Noch schematischer: um den Ersatz von etwas Natürlichem durch etwas Künstliches.
Eben dieses An-die-Stelle-Treten eines Ersatzobjekts, das Verschwinden des Ursprünglichen oder Eigentlichen hinter dem Artifiziellen, das Verstecktsein des wahren Geschehens hinter einer bestimmten Ansicht davon – das ist es, was die scheinbar kindische Tante Bowen fortwährend auskostet (wie oft ist nicht die Rede von Fenstern, Türen, Schirmen, drinnen und draußen!). Wie alle Edeldamen misstraut Bowen dem unverstellt Offenen und Direkten. Sie kann mit Sprache fein umgehen, also umgeht sie alles Unfeine. Schönheitssüchtig, wie sie ist, würde sie es als hässlich erachten, die ungeschminkte Wahrheit der Natur rein als solche ausstellen zu wollen.
Das unterscheidet diese Meisterin nicht nur der Dekadenz, sondern auch der Dezenz von ihren Nachfahrinnen, die sich schmeicheln, die Leserschaft in ihre ganz unverblümten „Feuchtgebiete” hineinzuziehen. Hängen diese an der mittlerweile alten Leier des Tabubruchs, ist bei Bowen alles zum Zerreißen gespannt. Am diabolischsten vielleicht in der Geschichte mit dem einwiegenden Titel „Sommernacht”. Es ist die unpoetische Nacht des Weltkrieges, die hier poetisch hereinbricht: Im Dämmer der Umnachtung reist ein ziemlich naives Menschlein namens Emma im Auto seinem Verlangen nach. Die Kinder Di und Vivie, den Major und die Bet-Tante im alten Haus mitsamt dem Mief und Plüsch zurücklassend, steuert die „kleine Fahrerin” in halsbrecherischem Tempo einen topmodernen Glaspalast an, besessen vom pragmatischen Selfmademan Robinson, dem Objekt ihrer Sehnsucht.
Am Ende halten sich das Erdmenschlein und der Angehimmelte im Arm – und es ist, als hätt’ die Blindheit zerfahr’ner, flattriger Natur die kalte, feste Auf- und Abgeklärtheit still geküsst. Leitmotiv dieser Geschichte: das in ihr allzeit gewünschte „Gute Nacht!”. CLAUDIO GUTTECK
ELIZABETH BOWEN: Sommernacht. Short Stories. Aus dem Englischen von Sigrid Ruschmeier. Mit einem Nachwort von Elsemarie Maletzke. Verlag Schöffling & Co., Frankfurt am Main 2007. 252 Seiten, 24,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.12.2007

Ein kluges Kätzchen namens Polyphem
Aufmüpfige Damen: Short Stories von Elizabeth Bowen

Von Daniela Strigl

Die Kinder sind in den Kurzgeschichten von Elizabeth Bowen (1899 bis 1973) die Wissenden, manchmal auch die Tiere. Zum Beispiel der Kater Polyphem, der zu Beginn der Geschichte "Mrs. Charles" nervös den Aufbruch der jungen Titelheldin beäugt. Sie hat einige Monate bei der Familie ihres Mannes zugebracht, während dieser die gemeinsame Wohnung in Lyon eingerichtet hat. Der Abschied von der Schwiegermutter, von deren Töchtern fällt ihr schwer, man hat einander ins Herz geschlossen. Dass Mrs. Charles' Gefühle für ihren Gatten zu wünschen übriglassen, errät man bald. Charles, unterhaltsam, scharfsinnig, ritterlich, ist der strahlende Mittelpunkt der Familie: "Er war ein guter Mensch, wollte unbedingt, dass es ihnen allen gutging." Aber der Kater, der seinen Namen nicht von ungefähr trägt, weiß es besser: "Frag Charles, was aus meinem anderen Auge geworden ist, gab Polyphem ihr zu verstehen." Auch Mrs. Charles weiß alles und behält es für sich, weiß, dass ihr so eindrucksvoller Mann in Wahrheit "durch und durch verdorben" ist, dass sie ihn nicht lieben kann, dass sie von ihm kein Kind will. Und sie widersteht der Versuchung, der einiges ahnenden Schwiegermama ihr Herz auszuschütten, und bricht in tapferer Selbstverleugnung auf in eine gar nicht rosige Zukunft.

Elizabeth Bowens klassisch komponierte Kurzgeschichten fallen, wie es sich gehört, mit der Tür ins anglo-irische Herrenhaus, zwei, drei erzählerische Pinselstriche, und der Leser findet sich am Kamin einer Upper-Class-Familie, deren Mitglieder er seit Urzeiten zu kennen meint und um die herum Räume und Dinge eine große Suggestivkraft gewinnen. Bowen interessiert sich für jene Momente, in denen das Schicksal die Weichen stellt und der Lebenszug rumpelnd und quietschend und doch kaum merklich in ein Gleis gerät, das ihn nicht mehr freigeben wird. Dramen werden geschildert, präzis, kühl, mit grausamer Komik, ihre Schlüsse bleiben offen, die Prognose ist meist düster. Bowen erzählt von auseinanderbrechenden Verhältnissen unter glanzvoller Oberfläche, von vage eingestandener Unzufriedenheit und illusionären Hoffnungen, von egozentrischen Frauen und altmodischen Männern, von eigenwilligen und verstörten Kindern.

Die Autorin, geboren in Dublin, erzogen in England, hatte Erfahrungen mit einer hinter imposanter Fassade implodierenden Familie: Ihr Vater kam in eine Nervenheilanstalt, als sie sieben war, ein Trauma, das ihr lebenslanges Stottern eintrug, sechs Jahre später starb ihre Mutter an Krebs. Freilich hielt Elizabeth Bowen nichts von einer Literatur, der die "Duftspur" persönlicher Gefühle anhaftete, sie war entschieden gegen Kunst als Therapie: "Eine Geschichte muss sich wie eine wohlgeformte Seifenblase vom Strohhalm des Bläsers lösen, rund und schön davonschweben als eine neue, vollständige, reine, schillernde Welt."

Ihre Short Stories lösen diesen Anspruch auf bravouröse Weise ein. Anders als Virginia Woolf, mit der sie befreundet war, vertraute Bowen in der Form dem Bewährten. Von ihren 27 Prosabüchern sind in den letzten Jahren sechs Romane in einer neuen deutschen Ausgabe herausgekommen, darunter "Der letzte September", "Das Haus in Paris" und "In der Hitze des Tages", eine nicht nur vom Umfang her gewaltige Leistung der Übersetzerin Sigrid Ruschmeier, die mit Elsemarie Maletzke auch die Auswahl der vorliegenden Kurzgeschichten besorgte - mit einer für Bowen untypischen Tendenz zu aufmüpfigen Charakteren, zu Veränderung und zum emotionalen Ausbruch.

In "Das rote Kleid" wird ein etwas steifer, reicher Herr von seiner Frau verlassen, der er kaum je wirklich nahe war. Er tröstet sich, alles werde bloß "eine Frage von ein paar Veränderungen im Haushalt und einer leichten gesellschaftlichen Peinlichkeit" sein. Da bekommt er von ihr einen Brief. Sie, die mit einem anderen durchgebrannt ist, erwartet, der Gatte werde wie gewohnt alles Nötige arrangieren, die Scheidung zum Beispiel, und eine Auswahl ihrer Garderobe, die er ihr schicken soll. Angesichts eines Kleides, das in ihrer beider Geschichte bedeutsam war, fallen bei ihm alle Schranken - er vergeht sich am Ersatzobjekt, zerfetzt es, dann den Rest, packt alles auftragsgemäß in die Koffer.

In "Was Menschen Übles tun" findet der Ausbruch der Gattin aus dem goldenen Ehekäfig nur in der Phantasie statt, und die Titelerzählung "Sommernacht" lässt eine verheiratete Frau quer durch Irland zu einem Mann rasen, der durch seine Seitensprungroutine jede Liebe im Keim erstickt. Lauter schöne, schillernde Seifenblasen, die länger halten, als man ihnen zutraut. Da es einerlei ist, mit welchem Buch man eine große Autorin für sich entdeckt: warum nicht mit diesem?

- Elizabeth Bowen: "Sommernacht". Short Stories. Aus dem Englischen übersetzt von Sigrid Ruschmeier. Mit einem Nachwort von Elsemarie Maletzke. Verlag Schöffling & Co., Frankfurt am Main 2007. 252 S., geb., 24,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Ausgesprochen freudig begrüßt Rezensent Thomas David diesen Band mit Erzählungen, unter denen es seinen Informationen zufolge auch einige Erstveröffentlichungen gibt. Das Meisterhafte dieser Texte besteht für ihn in den, mit "präzisem Kalkül" inszenierten Situationen, und der Flüchtigkeit und Leichtigkeit, mit der sie dann stets geschildert und ausgearbeitet sind. Gemeinsam ist den Erzählungen aus Davids Sicht außerdem, wie darin der "rauhe Stoff es Lebens" zu "kostbaren Miniaturen" verarbeitet wird, deren Protagonisten im Glanz ihrer Erfahrung auf ihn manchmal geradezu erhaben wirken. Auch Auswahl und Übersetzung werden als "fabelhaft" sehr gelobt.

© Perlentaucher Medien GmbH