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Portia Quayne ist sechzehn Jahre alt, als ihre Mutter stirbt und sie in die Obhut ihres kühlen, gelangweilten Halbbruders Thomas und seiner Frau Anna gegeben wird. Nach dem letzten Wunsch ihres Vaters sollte sie hier ein "normales, fröhliches Familienleben" kennenlernen. Doch das Gegenteil ist der Fall: Das Klima und die Stimmung in dem stilvollen Haus am Regent's Park sind ebenso eisig wie der Januartag, an dem der Roman einsetzt. Thomas und Anna sind typische Vertreter der englischen Mittelschicht, die sich gegen alles abschottet und kein störendes Element in ihrer Umgebung zuläßt. Da Portia…mehr

Produktbeschreibung
Portia Quayne ist sechzehn Jahre alt, als ihre Mutter stirbt und sie in die Obhut ihres kühlen, gelangweilten Halbbruders Thomas und seiner Frau Anna gegeben wird. Nach dem letzten Wunsch ihres Vaters sollte sie hier ein "normales, fröhliches Familienleben" kennenlernen. Doch das Gegenteil ist der Fall: Das Klima und die Stimmung in dem stilvollen Haus am Regent's Park sind ebenso eisig wie der Januartag, an dem der Roman einsetzt.
Thomas und Anna sind typische Vertreter der englischen Mittelschicht, die sich gegen alles abschottet und kein störendes Element in ihrer Umgebung zuläßt. Da Portia nicht weiß, wie man Kompromisse eingeht, wird ihre Rolle als Störende immer evidenter; sie gleitet in eine Isolation, aus der sie auch ein erstes Verliebtsein nicht befreit. Leidenschaft, Mißverständnisse, die emotionale Verkümmerung der Heranwachsenden und die Heftigkeit des unschuldigen Verrats - all dies erzählt Elizabeth Bowen mit großartigem Gefühl für Komik und ihrem ironischen, gewissenhaften Talent für Beschreibungen menschlicher Motivationen.
Autorenporträt
Elizabeth Bowen, geb. 1899 in Dublin; Schulausbildung in England, Studium der Kunst in London nach dem Ersten Weltkrieg. Ab 1923 Buchveröffentlichungen mit Erzählungen und Romanen. Sie starb 1973 in London.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.12.2004

Hochseilakt ohne Netz
Tiefe Blicke in "Kalte Herzen": Elizabeth Bowens Hauptwerk

In den Welten, in die uns Elizabeth Bowen entführt, herrscht stets eine gewisse Anspannung - obwohl die Schriftstellerin selbst diese klamme Atmosphäre ganz entspannt vermittelt. Das Seil, auf dem die 1973 gestorbene anglo-irische Autorin so schwindelfrei und elegant zu tanzen verstand, war gespannt zwischen den Polen Unschuld und Desillusion - über einem Abgrund von Motivationen, Erwartungen und seelischer Versehrtheit. Davon handeln all ihre Romane, insbesondere "The Death of the Heart" (1938), der zusammen mit "The Heat of the Day" (1949) als ihr Hauptwerk gilt und der jetzt, man lese und staune, erstmals in deutscher Übersetzung vorliegt.

Das Herz, das im Laufe von "Kalte Herzen", wie der leicht verharmlosende deutsche Titel lautet, so wenig Liebesnahrung bekommt, daß es schließlich zu ersticken droht, gehört Portia Quayne. Die Sechzehnjährige - Ergebnis einer kurzen Gefühlsverwirrung und darauf folgenden zweiten Ehe ihres Vaters in einem bereits fortgeschrittenen Alter - kommt nach dem Tod der Mutter zu ihrem Halbbruder Thomas und dessen Frau Anna nach London. Das Ehepaar, das sich in einer gesicherten Eintönigkeit eingerichtet hat, begegnet der Waisen mit geheuchelter Fürsorge; immer stärker empfindet sich das Mädchen als Störende - ohne die Möglichkeit, diesem quälenden Zustand zu entfliehen.

Portia ist der Inbegriff von Gutartigkeit und Naivität - ein Zustand emotionaler Unschuld, der, wie sich herausstellt, zahlreiche Parasiten anzieht. Auf kindlich-hingebungsvolle Art verliebt sie sich in den sprunghaften Eddie, einen Bekannten der Quaynes, den Portias Unvermögen, ihn als Opportunisten zu erkennen, ebensosehr anzieht wie in verächtliche Rage versetzt: "Liebes, ich will dich nicht; ich habe keinen Platz für dich; ich will nur das, was du gibst . . . Das Leben ist so viel unmöglicher, als du denkst. Begreifst du nicht, daß wir alle die scheckliche Macht haben, einander zu schaden, ganz gleich, wie sehr wir lieben? Du quälst mich, wenn du dich so quälst." Portia ist von der aufrichtigen Anhänglichkeit jener Menschen, die sich nicht vorstellen können, warum andere weniger freigebig mit ihren Gefühlen sein sollten. Es ist schmerzlich zu verfolgen, wie sie immer wieder zurückgewiesen, ja verspottet wird, bis niemand mehr ihr verletztes Herz erreichen kann - was aber ohnedies keiner versucht.

Oberflächlich betrachtet, geschieht nicht viel in diesem Roman. Portia kommt nach London, versucht sich bei den Quaynes und in der neuen Schule zurechtzufinden, wird für einige Wochen in ein Seebad geschickt, wo sie in eine Clique von Gleichaltrigen gerät, deren Verhalten sie nicht durchschaut. Als sie nach London zurückkehrt, ist ihre Isolation unabänderlich. In der trügerisch matten Schilderung dieser Ereignisse verdichten sich Atmosphäre und Charaktere. Am Schluß hat jeder entweder selbst betrogen oder ist betrogen worden; am auffälligsten Eddie, der im Kino mit einer anderen Händchen hält, während Portia neben ihm sitzt. Ihr Aufbegehren gegen diesen und einen weiteren Verrat macht sie endgültig zur Außenseiterin.

Elizabeth Bowen hatte sich bereits in ihrem vorigen Roman, "Das Haus in Paris" (1935; die deutsche Neuübersetzung erschien 2002), mit dem Verlust kindlicher Unschuld in notwendiger Anpassung an eine oft verlogene Welt auseinandergesetzt. In "Kalte Herzen" jedoch erreichen die Auswirkungen der unglücklichen Familienverhältnisse ein tragisches Ausmaß. Portias gute Eigenschaften verkümmern zusehends in der Gesellschaft von Menschen, die ihr keinerlei Zuneigung und Wärme entgegenbringen, sondern nur die eigene Überlegenheit in ihren erschrockenen Augen gespiegelt sehen wollen. Das Mädchen erweckt einerseits Mitleid, etwa bei Matchett, der alten Haushälterin der Quaynes, aber auch Mißtrauen, vor allem bei Anna, die heimlich in Portias Tagebuch liest.

Daß "The Death of the Heart" trotz dieser seelischen Trostlosigkeit zu einem der beliebtesten und erfolgreichsten Romane Elizabeth Bowens wurde, verdankt sich einer Prosa, die furchtlos auch die schneidendsten Wendungen beschreibt. Die autoritäre Erzählstimme, die den Leser gewissermaßen mit festem Schuhwerk über zersplittertes Glas führt, gibt die psychologische Konstruktion von Dialogen und Begebenheiten klar zu erkennen, ohne daß diese leise Künstlichkeit je störend wirken würde. Im Gegenteil: Von der ersten Seite an umfängt den Leser eine Melancholie, der nichts Sentimentales anhaftet, die sich aber auch dann nicht verflüchtigt, wenn Elizabeth Bowen ihre sozialkritischen Krallen ausfährt und etwa das emporkömmlingshafte Getue der englischen Mittelschicht mit kalter Belustigung schildert. Die Autorin läßt die Unsicherheiten, Wünsche und Befürchtungen, denen jede Form sozialen Verhaltens unterworfen ist, anklingen, ohne sie je brutal auszuformulieren - schließlich respektierte sie auch selbst gesellschaftliche Gepflogenheiten, ohne sich der Konvention zu unterwerfen. In literarischer Hinsicht ist diese gezügelte Unangepaßtheit ein Geschenk, das uns der Schöffling Verlag jeden Herbst aufs neue macht, seitdem er 2001 mit "Der letzte September" die Wiederentdeckung Elizabeth Bowens einläutete.

Elizabeth Bowen: "Kalte Herzen". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Sigrid Ruschmeier. Verlag Schöffling & Co., Frankfurt am Main 2004. 471 S., geb., 24,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 14.02.2005

Der Frosthauch der neuen Zeit
Diskrete Trauer: Elizabeth Bowen und ihr Roman „Kalte Herzen”
Mit klirrender Kälte und einem „Bollwerk von Pelz und Tuch” beginnt dieser Roman, der die Landschaft und das Wetter, vor allem aber die Atmosphäre verschiedener Häuser samt der Dinge, die sie beherbergen, so aufmerksam betrachtet wie seine Figuren. Die anglo-irische Schriftstellerin Elizabeth Bowen, 1899 in Dublin geboren, 1973 in London gestorben, ist eine Meteorologin des Gesellschaftlichen. Der Abstieg von Adel und Großbürgertum, die irische Unabhängigkeitsbewegung, die Auswirkungen des Ersten Weltkriegs spielen in „Kalte Herzen” eine große, wenn auch indirekte Rolle. Alles wird davon beeinflusst, auf eine untergründige, fast unheimliche Weise. Aber nur selten wird es ausgesprochen, z.B. wenn es von einem Mann heißt, er sei ein „1914-18er Modell”, für das es „keinen Markt” mehr gäbe. „Männertypen veralten wie Autotypen.” Wohl wahr.
Das Indirekte, seltsam Verschwiegene macht den Reiz Elizabeth Bowens aus. Das unterscheidet sie von der redseligeren Jane Austen, mit der sie immer wieder verglichen wird. Zugleich wirkt ihr Werk weniger angespannt als das von Virginia Woolf, die zweifellos die modernere Schriftstellerin ist. Intelligenz und diskrete Schwermut prägen ihren Stil, der immer wieder durch seine kleinen lakonischen Ausbrüche verblüfft.
Ein Fauxpas bringt die Handlung des Romans, der im 1938 erschienenen Original „The Death of the Heart” heißt, in Gang. Anna, die pelzbewehrte Dame, die man in der Eingangsszene lange mit einem befreundeten Schriftsteller in eisiger Januarkälte auf einer Brücke stehen sieht, muss ihm gestehen, dass sie heimlich das Tagebuch ihrer 16-jährigen Schwägerin liest. Scham, Lust am Verrat und helle Empörung - denn sie selbst sieht sich in den Aufzeichnungen grausam karikiert - gehen bei dieser Enthüllung Hand in Hand. Anna und ihr Mann Thomas haben die junge Portia aufgenommen, die aus einer Mesalliance von Thomas’ Vater stammt, dessen letzter Wille es war, seine Tochter möge beim Stiefbruder ein Zuhause finden. Nun sieht sich die Gönnerin aus Pflichtgefühl plötzlich mit einem Spion im eigenen Hause konfrontiert. Portia, die freundlich und harmlos wirkt, scheint ziemlich schlecht über die Frau ihres Stiefbruders zu denken, so zumindest kommt es dieser vor und so wird es auch dem Leser suggeriert. In den Passagen des Tagebuchs, die Bowen wiedergibt, lässt sich davon allerdings nichts erkennen. Offenbar genügt schon ein fremder Blick, damit das Selbstbewusstsein der Hausherrin bröckelt. Das ist nah an einer Allegorie des deklassierten Großbürgertums, das sich hinter den Insignien des Adels verschanzt, um sich gegen die Furcht vor weiterem Abstieg zu wappnen.
Intrigantin im Interieur
Der Diskurs um die Bedrohung des gesellschaftlichen Status wird topologisch geführt, nicht psychologisch. So ist das Haus Windsor Terrace Nr. 2, nobel in der Nähe des Regent’s Park gelegen, eine Klimazone besonderer Art. Von außen wirkt es einladend mit seinen hell erleuchteten Fenstern, drinnen aber herrscht strikte Abgrenzung und Gefühlskontrolle. Das Arbeitszimmer des Hausherrn, der sein Geld mit einer Werbefirma verdient, seinen Besitz aber mütterlichem Erbe verdankt, darf in seiner Anwesenheit nicht betreten werden, auch wenn er dort nichts anderes tut, als sein Gesicht nach getaner Arbeit „in leere Züge zerfallen lassen”. Da ihr Mann kaum mit ihr spricht, versammelt Anna platonische Liebhaber zum täglichen Teestündchen, um im launischen Gespräch Komplimente und Spitzen auszuteilen. Matchett, die von Thomas’ Mutter mit den Möbeln übernommene Haushälterin, intrigiert gegen den neuen Lebensstil. Das Haus ist ihr nicht „gutbürgerlich” genug, dem Mangel an Familientraditionen begegnet sie mit Verachtung. Sie sieht hier „keinen Ort, wo Schatten hausten, keine Stelle, wo sich ein Gefühl verdichten konnte. Die Zimmer waren eingerichtet für die Vertrautheit von Fremden oder für einsamen, erschöpften Rückzug.”
Es ist also kein Wunder, dass Portia, die in armseligen Hotels aufwuchs, aber zu ihrer verstorbenen Mutter eine symbiotische Beziehung hatte, ständig gegen ungeschriebene Gesetze verstößt. Als sie wegen eines Urlaubs ihrer Ersatzfamilie zu Annas ehemaliger Gouvernante ans Meer geschickt wird, genießt sie die „aufrichtige Unhöflichkeit elementarer Beziehungen”, das rege Treiben jugendlicher Vergnügungen, die durch das warmherzige Regiment der Hausherrin gerade so viel wie unbedingt nötig in Zaum gehalten werden. Im Gegensatz zur vornehmlich optisch beschriebenen Windsor Terrace ist Waikiki der „Resonanzkasten” einer sich lautstark gebärdenden Familie.
„Kalte Herzen” ist eine literarische Studie über gesellschaftliche Druck- und Temperaturverhältnisse. Dass der Befund über die Kälte des Modernisierungsprozesses in einer Form vorgetragen wird, die sich eher dem 19. als dem 20. Jahrhundert zuordnen lässt, macht diesen Roman ebenso unterhaltsam wie interessant. Seine Modernität entspringt dem Unterbewusstsein. Er liest sich, als habe Elizabeth Bowen Sigmund Freuds Diktum, das Ich sei nicht mehr Herr im eigenen Hause, noch einmal in konkrete Anschauung zurückübersetzt.
MEIKE FESSMANN
ELIZABETH BOWEN: Kalte Herzen. Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Sigrid Ruschmeier. Verlag Schöffling & Co., Frankfurt am Main 2004. 470 Seiten, 24,90 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Meike Fessmann hat den Roman "Kalte Herzen" der 1899 geborenen und 1973 verstorbenen irischen Autorin Elizabeth Bowen gleichermaßen "unterhaltsam wie interessant" gefunden. Der gesellschaftliche Abstieg der gehobenen Schichten, die irische Unabhängigkeitsbewegung und die Folgen des Ersten Weltkrieg bilden zwar den Untergrund des Buches, werden aber kaum je ausgesprochen, stellt die Rezensentin fest, die gerade in der Verschwiegenheit Bowens den besonderen "Reiz" dieses Romans entdeckt. "Kalte Herzen" dreht sich um die Angst vor gesellschaftlicher Deklassierung und um die Gefühlskälte, die der Modernisierungsprozess bis in die heimischen vier Wände herein getragen hat, erklärt Fessmann. "Intelligenz und diskrete Schwermut" durchziehen dieses Buch, lobt die Rezensentin, die sich von der Aufmerksamkeit, mit der Bowen genauso ihre Figuren wie die meteorologischen Verhältnisse, die Dinge und die Interieurs großbürgerlicher Häuser betrachtet, gefangen nehmen lässt.

© Perlentaucher Medien GmbH
Mit Kalte Herzen hat Elizabeth Bowen ihren wohl besten Roman geschrieben. Neue Zürcher Zeitung