Marktplatzangebote
33 Angebote ab € 1,00 €
  • Gebundenes Buch

Budapest, 1990. Der eiserne Vorhang ist gefallen. Fünf amerikanische College-Absolventen sind auf der Suche nach dem wirklichen Leben: Charles, smarter Risiko-Kapitalgeber einer New Yorker Investment Firma, sucht nach dem großen Deal; Mark, Nostalgie-Forscher, sucht nach der Vergangenheit; Emily sucht nach Anerkennung; Scott versucht, sich von seiner Familie, insbesondere seinem Bruder John, frei zu machen; und ebendieser John sucht sowohl seine als auch Emilys Liebe. Die fünf Suchenden sind getrieben von Visionen und der Sehnsucht, endlich Geschichte zu schreiben, endlich ein wirkliches Leben…mehr

Produktbeschreibung
Budapest, 1990. Der eiserne Vorhang ist gefallen. Fünf amerikanische College-Absolventen sind auf der Suche nach dem wirklichen Leben: Charles, smarter Risiko-Kapitalgeber einer New Yorker Investment Firma, sucht nach dem großen Deal; Mark, Nostalgie-Forscher, sucht nach der Vergangenheit; Emily sucht nach Anerkennung; Scott versucht, sich von seiner Familie, insbesondere seinem Bruder John, frei zu machen; und ebendieser John sucht sowohl seine als auch Emilys Liebe. Die fünf Suchenden sind getrieben von Visionen und der Sehnsucht, endlich Geschichte zu schreiben, endlich ein wirkliches Leben zu führen. Alle sind sich einig, dass dieses wirkliche Leben, Ziel all ihrer Sehnsüchte, nur im glitzernden, fernen Prag stattfinden kann.
Autorenporträt
Arthur Phillips, geboren 1969 in Minneapolis, Studium in Harvard. 2002 Erfolg mit seinem literarischen Romandebüt "Prag" und Übersetzung in zahlreiche Sprachen. Der Autor lebt heute - nach längeren Aufenthalten in Budapest und Paris - mit seiner Familie in New York.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 26.09.2003

Ein Fest fürs Leben
Nach 1989: Arthur Phillips‘ großartiger Roman „Prag”
Schätzungsweise 30 000 junge Amerikaner soll es nach der Wende von 1989 nach Prag getrieben haben. Den Schlachtruf dazu hatte die „New York Times” ausgegeben, als sie Prag „das Paris von morgen” nannte und damit einer ganzen Generation akademischer Glücksritter das leuchtende Beispiel von Joyce, Hemingway und Gertrude Stein vor Augen stellte. Die Expats von 1989/90 wollten die neuen Moderns sein: eine romantische Bohème, die den großen, durch Václav Havel eindrucksvoll verkörperten Wandel hautnah mit erlebte. Manche wurden Journalisten, andere Investment-Banker, wieder andere machten einen Pizza-Service auf, die meisten aber wollten eigentlich nur eins: schreiben.
Und so saßen sie, Nirvana-hörend, im Buch-Café Globe im Stadtteil Holešovice, die Regale mit englischsprachiger Literatur im Rücken (denn Tschechisch lernten sie nie), vor sich einen Cappuccino und ein leeres Blatt. Lange geschah nichts, aber jetzt ist der Große und wahrscheinlich nie mehr zu überbietende Amerikanische Expat-Roman tatsächlich erschienen. Die amerikanischen Kritiken, die Arthur Phillips‘ Erstling begleitet haben, sind überschwänglich und haben Recht. „Prag” heißt der (von Sigrid Ruschmeier glänzend ins Deutsche übersetzte) Roman. Er spielt in Budapest.
Wahrheitsspiele im Gerbeaud
Arthur Phillips, so heißt es in der einzigen Kurzbiographie, die von ihm im Umlauf ist, sei Harvard-Absolvent, als Jazz-Musiker aufgetreten, habe sich als Redenschreiber und gescheiterter Unternehmer betätigt und fünfmal die amerikanische Quizsendung Jeopardy gewonnen. Von 1990 bis 1992 lebte er in Budapest, wo er den Rohstoff für seinen Debütroman einsammelte, der erst zehn Jahre später, 2002, erscheinen sollte. Die Biographie – kokett, unstet, genialisch –, die Phillips von sich verbreiten lässt, ist zugleich die Quersumme aus den Biographien der fünf jungen Amerikaner, die an einem späten Freitag Nachmittag im Mai 1990 auf der Terrasse des Café Gerbeaud in Budapest das „Wahrheitsspiel” spielen. Mit einem Spiel beginnt der Roman, und es wird nicht sein letztes sein.
Als sei sein literarisches Vermögen mit dem Erzählen allein nicht ausgelastet, streut Phillips Spielregeln, Listen und andere narrative Fremdkörper in den Roman ein. 530 Seiten ist dieser Roman dick, aber der Autor demonstriert auf jeder Seite einen Überschuss an Geist und Witz – als langweile er sich, sobald er den Standards des gehobenen Realismus Genüge tut. „Kundera-flavored” wird dieses Buch von amerikanischen Kritikern genannt, viel passender wäre aber der Vergleich mit Doderer. Das Multi-Perspektivische, das Hyper-Präzise, das totale Gesellschafts-Panorama, der Witz, der Übermut, die Melancholie im Hintergrund und natürlich der Schauplatz: das alles erinnert tatsächlich an Doderers „Strudlhofstiege” und mehr noch an die „Wasserfälle von Slunj”. Auch bei Doderer könnten fünf junge, zukunftsfrohe Amerikaner an einem mitteleuropäischen Kaffeehaustisch das „Wahrheitsspiel” gespielt haben.
Dieses Spiel geht wie folgt. Im Kreis herum treffen fünf Spieler vier Runden lang Aussagen, die angeblich wahr sind. In Wahrheit ist nur eine der vier Aussagen wahr, alle anderen sind erfunden oder erlogen. Die Spieler müssen nun jeweils erraten, welche Aussagen ihrer Konkurrenten wahr sind. Gewonnen hat, wer die meisten seiner Aussagen den anderen als wahr verkauft hat und zugleich die meisten Lügen seiner Mitspieler enttarnt hat. „In der Wahrheit leben”, so Václav Havels berühmte Formel, bedeutet das auch: das Wahrheitsspiel spielen – und vor allem gewinnen? „In gewissen Kreisen junger Ausländer”, schreibt Phillips, sei das Wahrheitsspiel in den Jahren 1989/90 überaus beliebt gewesen.
Erfunden haben es angeblich vier jungen Männer und die junge Frau, die es an jenem Freitag Nachmittag auf der Terrasse des Café Gerbeaud spielen und deren Lebensfäden Phillips zum Teppich seines Romans verweben wird. Reihum stellt er sie am Anfang vor: Charles Gábor, ungarischstämmiger Investmentbanker, von dem gesagt wird, er sehe aus „wie ein Dandy auf einem Art-déco-Bild aus den zwanziger Jahren”. Daneben Mark Payton, ein Kanadier und Absolvent der „cultural studies”, der in Budapest an einer „Geschichte der Nostalgie” schreiben will. Sodann Emily Oliver aus Nebraska, ein All-American-Girl, das dem amerikanischen Botschafter als persönliche Referentin dient, und neben ihr Scott Price aus Seattle, der in Budapest der typischsten aller Expat-Beschäftigungen nachgeht: Er unterrichtet Englisch und fällt ansonsten durch seine „muskulöse Geschmeidigkeit und offenkundige kalifornische Gesundheit” auf.
Der Letzte im Bunde ist sein „frisch eingetroffener und ihm (aus innerfamiliären Gründen) über Gebühr verhaßter jüngerer Bruder John”. Dieser John Price, vierundzwanzig Jahre alt, wird die eigentliche Hauptfigur des Roman. Er wird die zweittypischste Beschäftigung für einen Amerikaner in Budapest ergreifen und Journalist beim englischsprachigen „BudapesToday” werden. Er wird seine bis dahin resolut verteidigte sexuelle Unschuld verlieren und sich unsterblich in Emily verlieben, und er wird ganz am Ende ein anderes Ziel seiner Wünsche erreichen, die Stadt nämlich, die dem Roman seinen Namen gab, ohne in ihm vorzukommen.
Der Investmentbanker, der Historiker, die Botschaftsangestellte, der Sprachlehrer, der Journalist. Mit dieser Eröffnung hat Phillips eine breit gefächerte, soziologisch stimmige Szenerie eröffnet, in der zunächst eigentlich nur (aber auch wieder stimmig) die Ungarn fehlen. Wie sollten sie auch in Erscheinung treten, wenn ihr Englisch brüchig und ihr Ungarisch den Fremden (mit Ausnahme des Hungaro-Amerikaners Gábor) nicht zugänglich ist? Lange Zeit verweilt der Roman bei der amerikanischen Kolonie und ihrer selbstgenügsamen Lebensform, der die Einheimischen vorwiegend als Staffage dienen. Ehe dann im zweiten Kapitel die ungarische Geschichte und Wirklichkeit mit Macht herein bricht.
Der Investmentbanker hat den Antrag eines ungarischen Verlegers zu prüfen, der für den Wiederaufbau seines seit 150 Jahren im Familienbesitz befindlichen Verlags frisches Kapital braucht. „Der Horváth Kiadó”, zu deutsch „Der Horváth Verlag” heißt dieses Kapitel, in dem Phillips die Geschichte eines von Krieg, Kommunismus und Exil gebeutelten, aber nie besiegten Verlagshauses und seines aktuellen Eigentümers erzählt, eines Mitteleuropäers, wie er im Buche steht. Und dem Investmentbanker erwächst aus diesem Ansuchen eine Lebensaufgabe, weit ernsthafter als alles, was er in Budapest erwartet hatte.
Schlafen, trinken, rauchen
Sonst leben sie einfach vor sich hin, die Amerikaner in Budapest, arbeiten und schlafen wenig, trinken und rauchen viel, hängen in Jazzclubs ab und lassen sich von den örtlichen Mädchen anhimmeln. Jung sind sie, sie haben Zeit, den historischen Augenblick zu genießen und ihr Dabeisein. Ein Jahr, vom Mai 1990 bis zum Mai 1991, umfasst dieser Roman, er ist auch die Chronik einer langsamen Ernüchterung. Anders als Doderer führt Phillips nicht die losen Fäden kontingenter Schicksale zu vielleicht dauerhaftem Glück zusammen. Statt dessen beginnt er mit einem Bild des Glücks, wie es fortan nie mehr erreicht wird.
Später werden sich die fünf amerikanischen Freunde an den Nachmittag im Café Gerbeaud als einen großen und goldenen Moment im Leben und in der Geschichte erinnern, in dem man, wie illusionär auch immer, glauben konnte, nun werde das Gute zum Durchbruch kommen. Oder in den ironischen Worten Thomas Manns, die Phillips seinem großartigen Roman voran gestellt hat: „...jetzt kommt ein nützliches Aevum herauf, ihr sollt sehen, dass es mit Geld und Verkehr, Geist, Handel und Wohlstand zu tun hat...damit Frieden und Wohlhaben für immer gesichert wären. Ganz erquickliche Idee, habe gar nichts dagegen.”
CHRISTOPH BARTMANN
ARTHUR PHILLIPS: Prag. Roman. Aus dem Amerikanischen von Sigrid Ruschmeier. Verlag Schöffling & Co., Frankfurt am Main 2003. 530 Seiten, 26 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Arthur Phillips' "großartiger Roman" "Prag" hat Rezensent Christoph Bartmann völlig begeistert. Phillips erzählt darin von fünf jungen Amerikanern, die sich zwischen Mai 1990 und Mai 1991 in Budapest ein lockeres Leben machen, berichtet Bartmann: meist leben sie einfach vor sich hin, arbeiten und schlafen wenig, trinken und rauchen viel, hängen in Jazzclubs ab und lassen sich von den örtlichen Mädchen anhimmeln. Vor allem die erzählerischen Qualitäten des von Sigrid Ruschmeier "glänzend" ins Deutsche übersetzten Romans haben Bartmann überzeugt: auf jeder Seite demonstriere der Autor einen "Überschuss an Geist und Witz" - "als langweile er sich, sobald er den Standards des gehobenen Realismus Genüge tut". Dabei erinnert ihn der Roman weniger an die Romane Kunderas, der von der amerikanischen als Vergleich herangezogen wurde. Das "Multi-Perspektivische" und "Hyper-Präzise", das "totale Gesellschafts-Panorama", das entworfen wird, und nicht zuletzt "Witz", "Übermut" und die "Melancholie im Hintergrund" sowie der Schauplatz erinnern Bartmann an Doderers "Strudlhofstiege". Während Doderer die losen Fäden kontingenter Schicksale zuletzt zu einem vielleicht dauerhaftem Glück zusammenführe, beginne Phillips mit einem Bild des Glücks, "wie es fortan nie mehr erreicht wird".

© Perlentaucher Medien GmbH
…mehr