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Ein jüdisches Schicksal in Deutschland, teils rekonstruiert aus den Archiven, teils berichtet vom einzigen noch lebenden Zeugen. Dr. Hans Kaufmann (1876-1957), Regisseur und Intendant, zählte nicht zu den 'Großen' der Theaterszene. Aber er wirkte in einer großen Theaterzeit, und er wusste dies als Leiter mittlerer Bühnen (Braunschweig und Bern) durch Ur- und Erstaufführungen von Dramen und Opern zu nutzen. Ab 1933 erlitt er das Schicksal all derer, die dem NS-Regime als Juden galten, wenn auch in der 'milderen' Form eines dreijährigen Aufenthalts in Theresienstadt. Er kehrte krank und…mehr

Produktbeschreibung
Ein jüdisches Schicksal in Deutschland, teils rekonstruiert aus den Archiven, teils berichtet vom einzigen noch lebenden Zeugen. Dr. Hans Kaufmann (1876-1957), Regisseur und Intendant, zählte nicht zu den 'Großen' der Theaterszene. Aber er wirkte in einer großen Theaterzeit, und er wusste dies als Leiter mittlerer Bühnen (Braunschweig und Bern) durch Ur- und Erstaufführungen von Dramen und Opern zu nutzen. Ab 1933 erlitt er das Schicksal all derer, die dem NS-Regime als Juden galten, wenn auch in der 'milderen' Form eines dreijährigen Aufenthalts in Theresienstadt. Er kehrte krank und vorzeitig gealtert zurück: nach Hiddesen bei Detmold, wo er schon vor seiner Deportation Zuflucht gefunden hatte.
Autorenporträt
Manfred Fuhrmann, geboren 1925, studierte Musik, Alte Sprachen sowie Römisches Recht und war von 1962 bis 1990 Professor für Klassische Philologie an den Universitäten von Kiel und Konstanz. Seit 1989 ist er ordentliches Mitglied der Akademie der Wissenschaften zu Heidelberg. 1990 wurde ihm der Johann-Heinrich-Voss-Preis für die Übersetzung der Reden Ciceros durch die Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt verliehen. Er starb am 12. Januar 2005. Er veröffentlichte u. a. Die antike Rhetorik (1984), Cicero und die römische Republik. Eine Biographie (1989), Rom in der Spätantike (1994), Europas fremd gewordene Fundamente (1995), Seneca und Kaiser Nero. Eine Biographie (1997), Geschichte der römischen Literatur (1999) und Der europäische Bildungskanon des bürgerlichen Zeitalters (1999).
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 06.08.2003

Im Irdischen tüchtig und dem Höheren zugewandt
Humanität: Manfred Fuhrmann erzählt das Leben eines jüdischen Theaterdirektors
Erst die neueste Geschichte mit ihrer vergleichsweise enormen Überlieferungsmasse hat es erlaubt, das an illustren Menschen entwickelte Genre der Biographie auch auf typische, wenn man so will: durchschnittliche Menschen auszudehnen. Nichts macht eine Epoche oder eine Gesellschaft der Vorstellungskraft so zugänglich wie eine in diesem Sinn repräsentative Biographie. Der Ablauf des Lebens zwischen Geburt und Tod bleibt das Urmeter historischer Zeit.
Manfred Fuhrmann, der Konstanzer Altphilologe, der Biograph Ciceros und Senecas, Historiker der abendländischen Bildung und besonders des deutschen Bildungsbürgertums, hat nun die Lebensbeschreibung eines nicht gewöhnlichen, aber eben auch nicht seine Epoche überragenden Mannes vorgelegt; sie erhellt eine ganze Zeit in ihrer monströsen Außerordentlichkeit: die erste Hälfte des deutschen 20. Jahrhunderts.
Fuhrmann zeigt in dem Theatermann Hans Kaufmann (1876 bis 1957) einen typischen Bildungsbürger, musisch, belesen, dem Höheren zugewandt, aber zugleich im Irdischen außerordentlich tüchtig.
Kaufmann war Berliner, Sohn eines Börsenmaklers und Charlottenburger Stadtverordneten; von früh an wollte er zur Bühne, musste aber, den nüchternen Sitten der Zeit folgend, erst zum Dr. iuris promovieren, bevor er seiner Neigung – oder Berufung – folgen durfte. Er wurde Dramaturg, Regisseur, Intendant, und so seit 1900 zum mitwirkenden Zeitgenossen einer großen Theaterepoche. Bei Otto Brahm hatte er einen am Ensemblespiel orientierten naturnahen Inszenierungsstil gelernt, die Leitsterne seiner Jugend waren Ibsen, Strindberg, Hauptmann. Doch auch der Oper galt seine Liebe und Begabung, Mozart, Verdi, Wagner, Strauss, Schreker, Hindemith – fast alle Großen und viele Kleinere wie Lortzing hat er aufgeführt und inszeniert, erst am Schillertheater in Berlin, dann in Braunschweig und Bern, wo Kaufmann während der zwanziger Jahre Theaterdirektor war. Außerdem war Kaufmann jüdischer Herkunft. Das ist der eine Faktor, der ein ganz und gar gelingendes Leben ins Unglück stürzte. Fuhrmann spricht hier als Zeitzeuge, denn es war seine Familie, die dem Geächteten im Zweiten Weltkrieg für ein paar Jahre Unterschlupf gewährte.
Mit Leib und Leben
Es ist schwer zu entscheiden, was mehr zu der Erschütterung beiträgt, mit der man dieses minutiös dokumentierte, liebevolle Buch liest: die wundervolle Rekonstruktion einer noch ganz intakten, freien und lebhaften Bildungswelt zu Beginn – im Leitmedium der Theatergeschichte – oder der grausige Sturz in ein sinnloses Unheil. Beides zusammen ergibt das Bild der Zeit. Kaufmann kam für mehr als zwei Jahre nach Theresienstadt und überlebte; die Fuhrmanns verdankten ihre Rettung wohl einem nachsichtigen SS-Offizier. Wozu sind Kultur und Bildung gut? Das ist die Frage, die über diesem historiographischen Kleinod schwebt.
Sie konnten das Schreckliche nicht verhindern; aber sie halfen Kaufmann zu überleben – durch den idealistischen Glauben an die Menschheit –, und sie bewähren sich in einer Erinnerung, die das Gewesene mit Nachdenklichkeit festhält. Fuhrmann begreift sein Werk ausdrücklich als Beitrag zu den jüngsten künstlich aufgeputschten Antisemitismus-Debatten der Feuilletons. Es berichtet von Umständen, in denen Humanität sich mit Leib und Leben bewähren musste und kein Lippenbekenntnis war.
GUSTAV SEIBT
MANFRED FUHRMANN: Aus der Bahn geworfen. Die Stationen des jüdischen Theatermannes Dr. Hans Kaufmann. Mit einem Geleitwort von Martin Walser. Aisthesis Verlag, Bielefeld 2003. 132 Seiten, 16 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Manfred Fuhrmanns Biografie des jüdischen Theatermannes Hans Kaufmann ist für den begeisterten, wenn auch erschrockenen Rezensenten Gustav Seibt die "Lebensbeschreibung eines nicht gewöhnlichen, aber eben auch nicht seine Epoche überragenden Mannes" und erhellt auf erschütternde Weise "eine ganze Zeit in ihrer monströsen Außergewöhnlichkeit", nämlich die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts. Fuhrmann, so der Rezensent, fungiert in diesem "historiografisches Kleinod" als Zeitzeuge, der Kaufmanns Werdegang sowie das intellektuelle Klima des gebildeten Judentums beschreibt, und dessen Zeugnis in die erschütternde Frage mündet: "Wozu sind Kultur und Bildung gut?" Fuhrmann, erklärt der Rezensent, begreift sein Werk ausdrücklich "als Beitrag zu den jüngsten künstlich aufgeputschten Antisemitismus-Debatten der Feuilletons", in denen "Humanität" zumeist zum "Lippenbekenntnis" gerät.

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