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Es entsteht das Bild einer ebenso durchsetzungsfähigen wie talentierten Frau, deren bemerkenswerteste Filme ausgerechnet Propagandawerke sind. Für die Nachkriegszeit zeigt das Buch, wie stark die öffentliche Ablehnung Riefenstahls auch mit der Verdrängung der einstmals breiten Zustimmung für das NS-Regime zusammenhängt. Nachdem jahrzehntelang die Diskussion um die NS-Kultur und insbesondere die Person Leni Riefenstahl als Tabu-Thema behandelt wurde, entwickelt sich seit einigen Jahren eine sachorientierte Diskussion, die sich insbesondere um eine kulturgeschichtliche Einbettung der 30er und…mehr

Produktbeschreibung
Es entsteht das Bild einer ebenso durchsetzungsfähigen wie talentierten Frau, deren bemerkenswerteste Filme ausgerechnet Propagandawerke sind. Für die Nachkriegszeit zeigt das Buch, wie stark die öffentliche Ablehnung Riefenstahls auch mit der Verdrängung der einstmals breiten Zustimmung für das NS-Regime zusammenhängt. Nachdem jahrzehntelang die Diskussion um die NS-Kultur und insbesondere die Person Leni Riefenstahl als Tabu-Thema behandelt wurde, entwickelt sich seit einigen Jahren eine sachorientierte Diskussion, die sich insbesondere um eine kulturgeschichtliche Einbettung der 30er und 40er-Jahre in Deutschland bemüht. Durch ihren kritischen Impuls setzt sich Rothers Untersuchung allerdings auch deutlich ab von den Ansätzen der Werbe- und Popkultur, in denen die nationalsozialistische Ästhetik bereits eine Art Kultstatus zu gewinnen scheint.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 18.10.2000

Griff nach der Wirklichkeit
Rainer Rother diskutiert den Fall der talentierten Frau Riefenstahl
Ein Bild gibt es in diesem Buch, das wirkt verwirrend, erschreckend. Man sieht den Kameramann Hans Ertl an einer, durch den Aufnahmewinkel riesig verzerrten Kamera – er scheint das Geschehen einzusaugen im Olympiastadion 1936 in Berlin. Hinter ihm, eine Hand an seine Schulter gekrallt, die Regisseurin Leni Riefenstahl. Die beiden wirken wie ein bürgerliches Ehepaar – seine gepunktete Krawatte! – auf einem Ausflug in die Reichshauptstadt, zum epochalen Geschehen. In Wirklichkeit sind sie dabei, selbst Geschichte zu machen, Filmgeschichte. Das Ganze wirkt familiär – wäre da nicht das Monstrum der Kamera. War’s am Ende solche Monstrosität, die Leni Riefenstahl gereizt hat am Kino?
„Frl. Riefenstahl berichtet über Vorarbeiten am Olympiafilm. Sie ist ein kluges Stück. ” So hat Goebbels es notiert, in seinem Tagebuch. Es ist nicht möglich, heute, sich vorzustellen, was die Nazis erwartet haben von Riefenstahl, und was diese dafür sich einzuhandeln erhoffte – die kurze Karriere als Tänzerin und als Schauspielerin haben ihr nicht genügt.
Rainer Rother, Filmhistoriker und Leiter des Zeughauskinos in Berlin, versucht eine neue Darstellung des Falles, des Mythos Riefenstahl – es ist das erste Buch über sie nach der großen „Renaissance”, nach Ausstellungen, dem Interviewfilm von Ray Müller, der Ankündigung von Jodie Foster, sie wolle das Leben von Riefenstahl verfilmen.
Die Probleme sind die gleichen geblieben. Nur mit den grotesken Kurzschlüssen ist es vorbei, die einst so wohlfeil waren. (Klaus Kreimeier in der Stuttgarter Zeitung, 1972: „Triumph des Willens ist politischer Lobgesang bis zum Exzeß, sein Ornamentalismus die filmische Hymne auf die mörderische Massenverachtung der Faschisten. ”)
Rainer Rother steigt mit Benjamin ein, seinem Satz von der eigentümlichen Struktur der Größe bei den Schriftstellern und ihren Werken: „Ein Werk ist nicht berühmt, weil es groß ist – es ist groß, weil es berühmt ist. ” Ist das Werk von Riefenstahl groß? Berühmt ist es allemal – zwei Filme sind legendär, der Parteitagsfilm Triumph des Willens und der zweiteilige Olympia-Film, zwei eher umstritten, Das blaue Licht und Tiefland. Politisch gilt sie als naiv, aber nicht unbedingt unschuldig.
Eine traditionelle Vorstellung vom Kino liegt dieser Bewertung zugrunde – Fluidum, Schwung, die Fähigkeit, das Publikum mitzureißen. „Die Hauptschwierigkeit lag darin, die an und für sich sich immer wiederholenden Vorgänge fließend zu machen, Steigerungen zu erzielen, Übergänge zu finden, mit einem Worte, den großen Film der Bewegung rhythmisch zu gestalten. ” (Gespräch mit dem Film-Kurier, November 1933)
Rainer Rother argumentiert politisch und ästhetisch in seinem Buch – um Riefenstahl Gerechtigkeit widerfahren zu lassen –, aber selten verhaken sich die verschiedenen Stränge wirklich dabei. Der Riefenstahl Genie zuzugestehen, geht auch heute nicht ohne weiteres, ohne Wenn und Aber – schon gut, dass man ihr nicht permanent ein „Mea culpa” abverlangt. „Wir haben ein fürchterliches Erbe hinterlassen. Ich habe etwas abzutragen. Da bleibt Schuld, so kann man es nennen. ” (Die Welt, Mai 2000. ) In der Mediendiskussion nach Barthes und Zizek müsste man eigentlich wissen, wie solche Sätze zu werten sind, und wie sie wirken.
In einer Reihe im Münchner Filmmuseum, in den Siebzigern, die den „Krieg der Kameras” dokumentierte, sah man immer wieder die gleichen erbeuteten, ausgebeuteten Bilder aus dem Triumph des Willens, in die Antinazi-Propaganda der Amerikaner effektiv hineinmontiert: Steigerung, Übergänge, rhythmische Gliederung. Totalitarismus im Kino, das ist auch ein ästhetisches Problem: ob wir lieber ein knallhartes Montagekino – Marke Eisenstein – wollen oder eins der Diffusion, der Zerstreuung – Marke Welles & Renoir –, wobei die Markennamen nicht unbedingt wirklich mit den betreffenden Regisseuren zu tun haben müssen. Das eigentliche Monster ist jedenfalls die Kamera. Das Bild von den Olympia-Aufnahmen ist vielsagend – es zeugt vom Bann, den die Wirklichkeit ausüben kann. Aber zugleich ist da offensichtlich jemand, der diese Wirklichkeit in den Griff kriegen will.
FRITZ GÖTTLER
RAINER ROTHER: Leni Riefenstahl. Die Verführung des Talents. Henschel Verlag, Berlin 2000. 288 S. , 39,90 Mark.
Das Paar Ertl-Riefenstahl
Verlag
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.11.2000

Wir wollen werden wie die Kinder
Parallelaktion: Junger deutscher Film und alte Dame des NS-Kinos

Ein Phantom geistert durch die Filmlandschaft, und das ist der Autor. Gemeint ist damit nicht jener Literat, dessen Arbeit "abgedreht" wird, ohne daß er noch irgendeinen Einfluß geltend machen könnte. Vielmehr ist die Rede vom "auteur", der dieses Verfilmen selbst besorgt. Das Fremdwort weist die Richtung, und die geht ins Mutterland der Cinephilie, nach Frankreich. Von dort war jenes Häuflein deutscher Filmemacher beeinflußt, das sich Ende Februar 1962 für den Film neue, bis dato ungekannte Freiheiten wünschte "von den branchenüblichen Konventionen, von der Beeinflussung durch kommerzielle Partner, von der Bevormundung durch Interessengruppen".

Was ziemlich pompös als "Oberhausener Manifest" daherkam, war genau besehen nichts weiter als eine dünne Erklärung der Absicht, in Zukunft Filme irgendwie anders herstellen zu wollen. Worum es tatsächlich gegangen sei, darum bemüht sich eine medienwissenschaftliche Dissertation von Eike Wenzel. Er unternimmt den Versuch, an wenigen Filmen mit viel Theorieaufwand eine "Arbeit an der deutschen Geschichte seit den sechziger Jahren" zu rekonstruieren.

Siebzehn Jahre nach Kriegsende begann, was in teutonischer Manier mit Schweiß und Mühen verbunden bleiben sollte: die "Aufarbeitung" der nationalsozialistischen Vergangenheit im Kino. Auch wenn die besseren - oder bloß hartnäckigeren - unter den Autorenfilmern ihre Nischen im Produktionssystem der Bundesrepublik schließlich fanden, für das Publikum blieben ihre Filme stets hartes Brot. Was immer von Kluge und Farocki, von Straub-Huillet oder zuletzt von Jean-Luc Godard zum Thema Deutschland ins Kino kam, atmete dort den Geist einer Tragödie, die zum falschen Zeitpunkt gespielt wird.

Diesen eher bescheidenen Erfolg der Unlust des Publikums anzulasten, die Sinnlichkeit des Kinosessels mit der unbequemen Bank der Aufklärung zu tauschen, wäre allerdings billig: Gerade im Kino vermag sich ein jeder Zuschauer - entschieden gegen die amorphe Auffassung von dem einen Publikum - als Subjekt zu begreifen. Das Problem lag viel eher auf der Seite der Macher. Indem sich diese, nach der kollektiven Verdrängung in den fünfziger Jahren, der jüngeren politischen Geschichte annahmen, mußten sie zwangsläufig jedes Anknüpfen an die alte Filmherstellung vermeiden. Nur so wurde der erwünschte Bruch der Geschichtsinterpretation auch ästhetisch plausibel. "Nicht versöhnt" - das von Böll entliehene Motto evoziert in aller Deutlichkeit die unvermeidbaren Nebenwirkungen der radikalen Fraktur.

Der Seitenblick auf die "politique des auteurs" in Frankreich verweist auf entscheidende Differenzen zum Autorenkonzept im deutschen Film: Die jungen Franzosen hatten Lehrer, und sie hatten Vorbilder, die variiert werden konnten; diese Vorbilder waren amerikanische Genrefilme, also industrielles Kino par excellence. Die weit entfernt gewählte Verwandtschaft ermöglichte auch die Formulierung eines spezifischen Lebensgefühls der frühen sechziger Jahre. Verstärkt wurde diese Aktualisierung durch radikal erzählte, persönliche Geschichten. Vor allem aber waren die französischen Jungmannen nicht durch Bücher, sondern durchs Kino sozialisiert. Notwendige Folge war, was der Kameramann Karl Freund einmal den "Gemeinschaftsgeist" der industriellen Filmherstellung im Deutschland der zwanziger Jahren genannt hat - eine Erfahrung, die den späteren Jungfilmern auf Dauer unbekannt blieb.

In die Irre geleitet wurde das "Kino der Autoren" in Deutschland aber auch von einem Geniebegriff, wie er von solitär betriebenen Künsten wie Literatur, Malerei oder auch Fotografie auf den Film übertragen wurde. Das betrifft nicht nur die Seite der Produktion, sondern ging als theoretisches Konzept auch in die Betrachtung und Kritik von Filmen ein. Allgegenwärtiger Deckbegriff ist hier noch immer, hinter den wiederkehrenden Motiven sowie der persönlichen "Handschrift" eines Regisseurs, der - obsolet geglaubte - persönliche "Stil", mit dem sich der singuläre Genius von der Masse der Handwerker und Apologeten vorgeblich abhebt.

Der Ort ist paradox, an dem man den Idealfall erkennen kann, wie sich eine selbstbestimmte Künstlerpersönlichkeit des Kinos gegen alle Widrigkeiten von außen durchzusetzen vermag. Es ist die Methode Leni Riefenstahls, die sich in einer neuen Monographie Rainer Rothers beschrieben findet. Selbstverständlich gilt dieses Ideal nur für die Zeit bis 1945 und für die Produktionsseite der Filme: Der vormaligen Tänzerin und Darstellerin in Bergfilmen stand bereits für die erste eigene Regie eine "verschworene Gemeinschaft" von Männern zur Verfügung, die "experimentierfreudig und kompromißlos" nach den besten künstlerischen Lösungen suchte. Die psychischen Dynamiken einer solchen Geschlechter-Konstellation (ein modisches Thema) beiseite lassend, legt Rother mit sicherem Gespür für Belege Riefenstahls Deckung durch die höchsten Instanzen des "Dritten Reiches" frei.

So werden die beiden Parteitagsfilme, der Wehrmachtsfilm "Tag der Freiheit", der Zweiteiler über die Olympischen Spiele 1936 und selbst Riefenstahls letzter Spielfilm "Tiefland" als Auftragsproduktionen des "Dritten Reiches" erkennbar, das sich dabei freilich bedeckt hielt. Der Abstand blieb stets gewahrt, um Riefenstahls Filmen einen Industriestandard zu sichern, ohne daß sich die Regisseurin um Produktionspläne und Kalkulationen zu kümmern brauchte. Deren hartnäckige Meinung, niemals mit den Zielen des NS-Regimes konform gegangen zu sein, ist damit ein für allemal widerlegt. Aber es gibt eine noch wichtigere Erkenntnis aus diesem Buch zu gewinnen, für die sich der Autor allerdings auf glattes Parkett begibt: Er nimmt die heute Achtundneunzigjährige beim Wort, die stets auf ihrem Status der "Künstlerin" beharrte, und zeigt die Konstruktion zunächst einer "Autorin", dann schlicht des "Genies" des deutschen Filmes auf. Diese Konstruktion setzte schon 1932 ein, und auch nach dem Krieg blieb der Mythos des solitären Blicks u. k. gestellt. Ein Zustand, der fortdauert: Fürs nächste Jahr droht uns ein großformatiger Wandkalender mit den bekannten heroischen Körpern.

Film und Fotografie kommen nicht ohne Autor aus, noch weniger aber ohne massenhaftes Publikum. Riefenstahls Kunst besteht darin, eine große Menge von Männern und Frauen, ungeachtet des Dargestellten, in deren eigenen Blick verliebt zu machen. In solchem Wahrnehmen löst sich im medialen Normalfall die sinngebende Instanz des Autors auf. Niemand hat darüber prägnanter geschrieben als Walter Benjamin, dessen Schicksal in der kulturkritischen Lesart zur Leitmetapher für die Kapitulation wurde - auch vor der Übermacht eines passiv verbleibenden Publikums. Fürs Kino, für die Massenmedien insgesamt, hat man die formende Rolle und damit auch die Verantwortung des Zuschauers bisher zweifellos noch zu wenig reflektiert. Er läßt hier so manches Werk erst bedeutend werden, und das hat in den seltensten Fällen mit einer einheitlichen Ideologie zu tun, viel häufiger dagegen mit dem Verhalten von Lemmingen.

Am überzeugendsten hat der Kunsthistoriker Franz Roh den "verkannten Künstler" des neunzehnten Jahrhunderts verabschiedet. Auf das Entstehungsdatum seines Buches gewendet - die Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts -, ist so kein Verlust mehr bezeichnet. Seit Kubismus und Surrealismus ging die Pflicht zur Kritik in den bildenden Künsten, und zu ihnen zählen wir mittlerweile auch den Film, an das mündige Individuum über. Diesem aber muß man, schon aus demokratischen Gründen, die Entscheidung über Wert oder Unwert massenmedialer Kunst im einundzwanzigsten Jahrhundert durchaus zumuten.

THOMAS MEDER

Eike Wenzel: "Gedächtnisraum Film". Die Arbeit an der deutschen Geschichte in Filmen seit den sechziger Jahren. Verlag J. B. Metzler, Stuttgart 2000. XII, 456 S., Abb., br., 65,- DM.

Rainer Rother: "Leni Riefenstahl". Die Verführung des Talents. Henschel Verlag, Berlin 2000. 256 S., 60 Abb., geb., 39,90 DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

In einer recht umfangreichen Rezension referiert Frieda Grafe über lange Strecken über das sich wandelnde Bild Leni Riefenstahls in bisherigen Publikationen und Selbstdarstellungen. Das vorliegende Buch kann sie - trotz einiger Schwächen - am Ende durchaus empfehlen, nicht zuletzt. Ihr gefällt es, dass Rother in dem Bewusstsein, heute in "leichteren Zeiten" zu leben, sich jeder Überheblichkeit enthält. Allerdings stellt sie auch eine Unsicherheit bei Rother fest, etwa da, wo er offenbar befürchtet, dem Kult um die Filmemacherin Vorschub zu leisten. Wirklich bedauerlich findet sie, dass Rother Riefenstahls jüngstes Eingeständnis ihrer Schuld lediglich in einer Fußnote erwähnt und ihm damit nicht den Stellenwert einräumt, den es ihrer Ansicht nach verdient habe. Dennoch lobt sie das Buch insgesamt, weil es die "Aufmerksamkeit" der Leser zu stärken wisse.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Weil derweil die Künstlerin hier zu Lande weiter und weiterhin als persona non grata gehandelt wird, ist Leni Riefenstahl, die Verführung des Talents' eine Ausnahme von der Regel: Der Filmwissenschaftler Rainer Rother veröffentlicht damit die erste umfassende deutsche Publikation zu Hitlers Lieblingsregisseurin, ja zum Phänomen Riefenstahl'... Unverändert beharrt sie darauf, nichts gewusst, gesehen, gehört zu haben. Offenbar ist ihr nie klar geworden, dass sie damit neue Schuld auf sich lädt. Denn ihr Schweigen gibt den Unverbesserlich-Gestrigen reichlich Nahrung. Dies zu konterkarieren, ist der entscheidende Verdienst des Buches." (Leipziger Volkszeitung)