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Die Vereinigten Staaten von Afrika beherrschen die Welt, in Europa und Nordamerika dagegen herrschen Hunger und Krieg, und die Adoptivtochter eritreischer Entwicklungshelfer spürt ihren Wurzeln in den Slums der Normandie nach Umkehrungen der historisch-politischen Verhältnisse haben eine literarische Tradition, in der Waberi eine neue, afrikanische Note setzt. In einem märchenartigen Stil, mit Ironie und bösem Spott hält er Europa den Spiegel vor.

Produktbeschreibung
Die Vereinigten Staaten von Afrika beherrschen die Welt, in Europa und Nordamerika dagegen herrschen Hunger und Krieg, und die Adoptivtochter eritreischer Entwicklungshelfer spürt ihren Wurzeln in den Slums der Normandie nach
Umkehrungen der historisch-politischen Verhältnisse haben eine literarische Tradition, in der Waberi eine neue, afrikanische Note setzt. In einem märchenartigen Stil, mit Ironie und bösem Spott hält er Europa den Spiegel vor.
Autorenporträt
Abdourahman A. Waberi, geb. 1965 in Dschibuti, ging 1985 zum Studium nach Frankreich. Heute lebt Waberi als Schriftsteller, Journalist und Universitätsdozent in den USA und Frankreich. Seine Bücher wurden mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, in mehr als 12 Sprachen übersetzt, und die Zeitschrift Lire zählt ihn zu den 50 wichtigsten und einflussreichsten zeitgenössischen Autoren.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.08.2008

Stammeskriege in der Schweiz

Wer es nach Afrika schafft, ist noch lange nicht gerettet: Abdourahman A. Waberis Weltenspiegel kehrt die Verhältnisse um. Ein Roman muss aber mehr können.

Wilde Horden ziehen sengend und plündernd durch die Schweiz, ganz Europa ist am Beginn des einundzwanzigsten Jahrhunderts ein Armenhaus, geplagt von Seuchen und Bürgerkriegen. Nie hat es sich von den historischen Erdbeben des vorangegangenen Säkulums und seiner Kolonialisierung durch die Afrikaner erholt. An den Häfen des südlichen Mittelmeers, am Horn von Afrika und am Roten Meer in Eritrea bitten verzweifelte Bleichgesichter um Asyl, denn hier, in den Vereinigten Staaten von Afrika, fließen Milch und Honig. Allein die hochnäsigen, wohlhabenden und vor Langeweile gähnenden Afrikaner kennen kein Erbarmen.

Der Sheriff der Bundespolizei im Staat Burkino erlangte durch seine nicht unumstrittene Lösung der leidigen Migrantenfrage einige Berühmtheit. Er sperrte weißhäutige Halsabschneider in einen Käfig und versprach demjenigen das Leben, der bis zum nächsten Morgen den anderen tötet. Ein emeritierter Professor namens Graba Huntingawbe schürt eine perfide Angst vor den unerwünschten Fremden aus dem Norden, die vermeintlich die afrikanische Einheit bedrohen. African Queens, amazonengleiche Ordnungshüterinnen, durchstreifen die letzten No-go-Areas und Rotlichtmilieus des Kontinents, um die weißen, vom Laster gezeichneten Lolitas abzuschieben. Und in Abidjan an der Elfenbeinküste wirbt man verzweifelt für fair gehandelte Bananen aus Nebraska - als Teil der Entwicklungshilfe für den hungernden Norden.

Was also, wenn alles anders gekommen wäre? Eine Orwellsche Kartographie der Welt mit poetischen Mitteln, eine philosophische Erzählung im Stil von Swift oder Voltaire schwebte dem 1965 in Französisch-Somaliland, dem heutigen Djibouti, geborenen Abdourahman A. Waberi für seinen neuen Roman vor. Erstmals ist damit ein Roman des Autors ins Deutsche übertragen worden. Bislang war hierzulande nur eine von Ilija Trojanow 1998 herausgegebene Erzählungen-Sammlung greifbar. Eine Trilogie über die Gesellschaft am Horn von Afrika wurde bis dato nicht übersetzt. Der neue, schmale Roman persifliert bitter-böse die westliche Sicht auf die globale Schieflage, es strotzt nur so vor hintersinnigen Wortspielen und ironischen Seitenhieben, wobei auch der Süden nicht ganz ungeschoren davonkommt.

Im Mittelpunkt steht die junge Künstlerin Maya, die als Kind von einem für eine afrikanische Hilfsorganisation in der Normandie arbeitenden Arzt aus dem eritreischen Asmara adoptiert wurde. Jetzt, nach fast drei Jahrzehnten, macht sie sich auf den Weg ins verarmte Europa, um nach ihren Wurzeln zu suchen. Sie ist ihres Lebens in einer von Prüderie, Vorurteilen und Vorstadtmief geprägten Wohlstandswelt überdrüssig und begibt sich auf eine ganz andere Reise als die des ihr gegenübergestellten Yacoube, der eigentlich Max heißt und ein Flüchtling aus dem zerrütteten Helvetien ist, den Chaos und Stammeskriege aus seiner Alpenrepublik vertrieben haben. Sie wird ihren Weg gehen und ihre leibliche Mutter finden (auch wenn diese gleich wieder mit gutem afrikanischem Geld in Pflege gegeben wird), während der Intellektuelle aus der Schweiz elend auf den Straßen von Asmara verendet.

Waberi, der nach einem Studium der Literatur in Frankreich, das er mit einer Promotion über den somalischen Autor Nuruddin Farah abschloss, heute am altehrwürdigen Wellesley College als Fellow lehrt, ist ein kluger Satiriker und eleganter Erzähler. Seine zahlreichen Anspielungen auf Berühmtheiten der intellektuellen und politischen Szenerie in Nord und Süd dürften sich hingegen nicht jedem ohne weiteres erschließen, so dass man für das erhellende Nachwort und Glossar dankbar ist, die einen dann doch noch mit nachdenklichem Schmunzeln durch den Roman geleiten. Diese stammen wie die exzellente Übersetzung von Katja Meintel. Selbst herausbekommen hätte man vielleicht noch, dass sich hinter dem Geschichtenerzähler Ryszard aus Polen der große Ryszard Kapuczinski verbirgt, dem afrikanische Intellektuelle zuweilen vorgeworfen haben sollen, sich bei seinen Reportagen aus dem Herzen der Finsternis das ein oder andere schlichtweg ausgedacht zu haben. So eingängig die karnevaleske Weltsicht ist, die Nord und Süd den Spiegel vorhält, so wenig kann die Handlung überzeugen, allen voran die Findungsgeschichte der Heldin, ihre Liebesbeziehung zu einem Modefotografen oder ihre Familiensaga. Das liegt formal an der zuweilen anstrengenden Polyphonie der Stimmen, die zwischen direkter Zwiesprache des Erzählers mit der Heldin in der zweiten Person Singular und einer eher traditionellen Erzählweise changiert. Darüber hinaus trifft dieser in die Satire eingebettete, metaphernüberquellende Künstler- und Bildungsroman zwischen derbem Karnevalspektakel und leisem Weltschmerz einfach nicht den richtigen Ton.

Bleiben die Figuren der Gestrandeten, der notleidenden weißen Dichter und Denker auf der Flucht, bei denen Waberi, der unlängst ein Jahr als Stipendiat des Deutschen Akademischen Austauschdienstes in Berlin verbrachte, nicht nur Postkoloniales im Sinn gehabt haben dürfte. Mit Walter Benjamin und Joseph Roth im Kopf sei er durch Berlin gelaufen, ihre Flucht vor den Nazis und ihr tragisches Schicksal habe ihn so berührt, dass er seinen neuen Roman diesen mutigen Rittern des "für immer verschwundenen intellektuellen Europa" widmen will.

SABINE BERKING

Abdourahman A. Waberi: "In den Vereinigten Staaten von Afrika". Roman. Aus dem Französischen übersetzt und mit einem Nachwort versehen von Katja Meintel. Edition Nautilus, Hamburg 2008. 160 S., geb., 16,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Eingenommen zeigt sich Heinz Hug von Abdourahman Waberis Roman "In den Vereinigten Staaten von Afrika". Angelegt als eine politische Fiktion kartografiere der Autorin darin die Welt neu unter umgekehrten Vorzeichen: während in den Vereinigten Staaten von Afrika Wohlstand, Bildung, Kultur und Wirtschaftswachstum blühen, herrschen in Euramerika Elend und Bürgerkriege. Das Buch lädt nach Ansicht von Hug dazu ein, sich mit Themen wie Flüchtlingsproblematik, Wohltätigkeit, koloniale Vergangenheit, Wahrnehmung des Fremden, Globalisierung auseinander zu setzen. Der große Verdienst des Romans für ihn, dass er uns, aber auch den Afrikanern den Spiegel vorhält. Dabei findet er das Buch bei aller Ernsthaftigkeit des Themas auch sehr amüsant.

© Perlentaucher Medien GmbH