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Erstmals seit 1919: die ungekürzte und kommentierte Ausgabe der klassischen Polemik Hugo Balls gegen die deutsche Ideologie.Der Hugo Ball, der den »Dadaismus« in jenem kurzen halben Jahr 1916 im »Cabaret Voltaire« in Zürich erfand, ist weithin bekannt. Weniger bekannt ist Ball als Redakteur der wichtigsten Zeitung des deutschsprachigen Exils in der Schweiz während des Ersten Weltkrieges. Die »Freie Zeitung« in Bern, an der er von 1917 bis 1919 mitwirkte, wurde zum wichtigsten Sprachrohr deutscher Exilanten, in dem die Kriegspolitik Hindenburgs und Ludendorffs auf Schärfste angegriffen…mehr

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Produktbeschreibung
Erstmals seit 1919: die ungekürzte und kommentierte Ausgabe der klassischen Polemik Hugo Balls gegen die deutsche Ideologie.Der Hugo Ball, der den »Dadaismus« in jenem kurzen halben Jahr 1916 im »Cabaret Voltaire« in Zürich erfand, ist weithin bekannt. Weniger bekannt ist Ball als Redakteur der wichtigsten Zeitung des deutschsprachigen Exils in der Schweiz während des Ersten Weltkrieges. Die »Freie Zeitung« in Bern, an der er von 1917 bis 1919 mitwirkte, wurde zum wichtigsten Sprachrohr deutscher Exilanten, in dem die Kriegspolitik Hindenburgs und Ludendorffs auf Schärfste angegriffen wurde.Ball faßte 1919 seine Überlegungen in dem großen Essay »Zur Kritik der deutschen Intelligenz« zusammen, der im Verlag der »Freien Zeitung« erschien: eine Art Abrechnung mit der deutschen Ideologie von Luther bis Bismarck, von Hegel bis Marx. An die Stelle der offiziellen Heroen deutscher Geschichte setzt Ball als Alternative eine Ahnenreihe von großen Religiösen und Moralisten. Auch seine jahrelange Beschäftigung mit dem russischen Anarchisten Bakunin findet hier ihren Niederschlag.Im Rahmen der Hugo-Ball-Ausgabe wird nicht nur erstmals wieder der ungekürzte Text der Erstausgabe von 1919 vorgelegt, der Band enthält auch die unter dem Titel »Die Folgen der Reformation« erschienene revidierte Neufassung von 1924.»»Zur Kritik der deutschen Intelligenz«...stellt meines Erachtens den großartigsten, ehrlichsten und tiefsten Versuch Deutschlands dar, sich der verhängnisvollen Mächte im eigenen Gewissen bewusst zu werden, die zur geistigen und sittlichen Entartung des neueren Deutschland und zu seiner inneren Mitschuld am Weltelend und am Weltkrieg führten.«(Hermann Hesse, 1919)
Autorenporträt
Hugo Ball, geb. 1886 in Pirmasens, war während des Ersten Weltkrieges Mitbegründer der Dada-Bewegung in Zürich, überzeugter Pazifist und scharfer Zeitkritiker. Der enge Freund Hermann Hesses war dessen erster Biograph. Hugo Ball starb 1927 in Montagnola/Schweiz.

Hans Dieter Zimmermann,geb. 1940, war bis 2008 Professor am Institut für Literaturwissenschaft der TU Berlin, er war geschäftsführender Herausgeber der Tschechischen Bibliothek in deutscher Sprache (33 Bände).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.04.2006

Die Kirche als größtes Sakrileg
Wie Hugo Ball mit dem deutschen Protestantismus abrechnete

Der Dichter und Kulturkritiker Hugo Ball besaß eine besondere Begabung, das Richtige zum falschen Zeitpunkt zu sagen. Im Jahr 1921 erschien sein Essay "Zur Kritik der deutschen Intelligenz" im Verlag der "Freien Zeitung" in Bern, der die in ebendieser Zeitung in den Jahren 1917 bis 1919 von ihm veröffentlichten Artikel zusammenfaßte und zuspitzte. Es handelt sich in erster Linie um eine Abrechnung mit Luther und dem deutschen Luthertum. Ball kreidet dem Reformator an, sich mit mächtigen deutschen Fürsten verbündet und dadurch ein partikulares und nationales Staatskirchentum geschaffen zu haben, welches in Preußen seine verhängnisvollste Form gefunden habe. "Damals zu Luthers Zeit fand jenes Bündnis der deutschen Bourgeoisie mit dem Feudalismus statt, das alle europäischen Revolutionen überdauerte und heute Europa zu knebeln und niederwerfen gewillt ist."

Von Luther zieht Ball einen Bogen zu Kant und Hegel und von dort zu Bismarck und Nietzsche, ohne Marx und Lassalle auszusparen. Er macht mit anderen Worten in einem Rundumschlag den Protestantismus lutherischer Prägung, den deutschen Idealismus, die dialektische Geschichtsphilosophie, das assimilationswillige Judentum und die staatstragende Sozialdemokratie für den Ausbruch des Ersten Weltkriegs verantwortlich. Deutsche Lehrer und Professoren hätten dieses System verinnerlicht, ihre Zöglinge entmündigt und durch ihren Unterricht die von Luther begonnene Spaltung festgeschrieben. Damit seien die schönen, glänzenden Zeiten, in denen Europa christlich gewesen sei und eine ungeteilte Christenheit diesen menschlich gestalteten Erdteil bewohnt habe, für immer verlorengegangen.

Hier spricht ein überzeugter Pazifist, dessen Pazifismus man als romantisch abtun kann. Wie hellsichtig Ball jedoch war, belegt die weitere Geschichte des deutschen Protestantismus, der nach 1918, seines Summus episcopus durch Abdankung beraubt, immer mehr an Bedeutung verlor und im Deutschchristentum des Reichsbischofs Müller in den ersten Jahren der Naziherrschaft noch einmal ein Zusammengehen mit der Staatsmacht versuchte, das nicht minder fatal war als die preußisch-deutsche Verbindung von Thron und Altar nach der Reichsgründung.

Nun darf man an Balls Pamphlet nicht die Kriterien einer wissenschaftlichen Untersuchung anlegen und eine stringente Beweisführung erwarten. Er ist ein Schwarzweißmaler und stellt Luther Thomas Münzer, Hegel Franz von Baader, Marx Bakunin und Lassalle Wilhelm Weitling gegenüber, Außenseitergestalten, mit denen die Nachwelt genauso stiefmütterlich verfahren ist wie mit ihm selber. Ihre Aufwertung hätten Balls Kritiker vielleicht noch hingenommen, doch als seine Schrift erschien, zeichnete sich bereits der für Deutschland ungünstige Ausgang der Versailler Friedensverhandlungen ab.

Mangels besserer Zeugen berief sich Ball bei seiner Polemik gegen den kriegslüsternen Pangermanismus auf die Ideale der Großen Revolution von 1789, die er christlich umdeutete, aber auch auf französische Gewährsleute von Chateaubriand bis Léon Bloy und André Suarès, die die französische Nation zu einem bewußten Sichwiederbesinnen auf die christliche Tradition geführt hätten. Derartige Belege und Argumente waren trotz eines wahren Kerns anfechtbar, doch das eigentliche Skandalon bestand in Balls Bekenntnis zur westlichen Kultur, wie sie Frankreich verkörperte, das Deutschland soeben militärisch niedergerungen und ihm einen "Schmach-" oder "Schandfrieden" aufgezwungen hatte, den alle politischen Parteien so bald wie möglich revidiert wissen wollten.

Aber damit noch nicht genug. Als Anhänger eines demokratischen christlichen Universalismus war Ball, als er "Zur Kritik der deutschen Intelligenz" schrieb, auch ein Gegner der römischen Amtskirche, die ebenfalls Ziel seiner Attacken wurde: "Reich Gottes auf Erden ist Sakrileg. Sichtbare Kirche ein Sakrileg. Unfehlbarer Stellvertreter Gottes ein Sakrileg. Theokratie, von Gott eingesetzte Gewalt, das Sakrileg aller Sakrilegien. Gott ist die Freiheit des Geringsten in der geistigen Kommunion aller."

Dieses Verdikt war nur folgerichtig, denn wer das preußische Staatskirchentum ablehnte, mußte auch den Papst als weltlichen Souverän ablehnen. Doch Ball sah im Bekenntnis zu Rom langfristig das kleinere Übel. Im Jahr 1922 legte er eine Generalbeichte ab und kehrte in den Schoß der katholischen Kirche zurück. Damit seine Reversion vollständig und makellos sei, entschloß er sich, sein Pamphlet vom Jahre 1919 umzuschreiben und insbesondere die romkritischen Passagen zu tilgen. So wurde aus "Zur Kritik der deutschen Intelligenz" ein Buch mit dem Titel "Die Folgen der Reformation", das nun erst recht die Kritiker auf den Plan rief, wobei sich dezidierte Protestanten wie Gerhard Ritter oder Heinrich Bornkamm besonders provoziert fühlten. Ritter sprach in der "Historischen Zeitschrift" von einem geistigen Tiefpunkt und artikulierte sein Befremden, daß der Verlag Duncker & Humblot, der das literarische Erbe Rankes betreue, "seinen guten Namen für diese Lästerung unserer nationalen Geschichte hergegeben" habe. Aber auch der katholische Historiker Philipp Funk kritisierte Ball, dem die völlige Kenntnis des katholischen Wesens fehle, denn er mache Luther und der Reformation Haltungen und Anschauungen zum Vorwurf, die urkatholisches Gut seien.

Der hier anzuzeigende fünfte Band der verdienstvollen Hugo-Ball-Gesamtausgabe bietet erstmals einen vollständigen Abdruck beider Textversionen, die durch Seitenverweise synoptisch gelesen werden können. Hans Dieter Zimmermann, der am Institut für Literaturwissenschaft der Technischen Universität Berlin lehrt, hat die Ausgabe ausführlich kommentiert und mit einem sachkundigen Nachwort versehen. Er hebt auf die intuitiven Einsichten Balls ab, der, trotz fragwürdiger Argumente, häufig auf drei Seiten mehr Stoff zum Nachdenken biete als andere Verfasser auf dreihundert. Wenn Ball lange totgeschwiegen wurde, so ist dies jedoch nicht nur auf die Verbohrtheit unverbesserlicher Nationalisten und eine "konsistorialrätliche deutsche Reichsgeschichtsschreibung" zurückzuführen: Ball hat durch die Reinigung und Kastration seines ersten Textes seine eigene Glaubwürdigkeit beschädigt und ein sacrificium intellectus gebracht, das kein Geringerer als Carl Schmitt ihm vorgehalten hat, auf dessen Briefe, die im dritten Band der Ballschen Gesamtausgabe erschienen sind, der Herausgeber leider nicht verweist.

FRANK-RUTGER HAUSMANN

Hugo Ball: "Die Folgen der Reformation". Zur Kritik der deutschen Intelligenz. Hrsg. von Hans Dieter Zimmermann. Sämtliche Werke und Briefe, Bd. 5. Wallstein Verlag, Göttingen 2005. 528 S., geb., 38,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.02.2006

Gegen Protestantismus und Preußen, Gehorsam und Selbstüberhebung
Blutend an Herzen und Händen: Hugo Balls Rundumschlag „Zur Kritik der deutschen Intelligenz”
Dada wird immer wieder ausgestellt: gerade im Pariser Centre Pompidou und im Kunsthaus Zürich. Dada - das war der Versuch die Unvernunft des Krieges und der bürgerlichen Kultur mit künstlerischem Unsinn zu begegnen, eine Negation, die zum Label geworden ist. Dada war aber auch Ausdruck eines exzentrischen intellektuellen Engagements. Im dadaistischen Manifest hieß es: „Die besten und unerhörtesten Künstler werden diejenigen sein, die stündlich die Fetzen ihres Leibes aus dem Wirrsal der Lebenskatarakte zusammenreißen, verbissen in den Intellekt der Zeit, blutend an Händen und Herzen.” Dadaisten waren Leidende, politisch eher unzuverlässige, meistens komische Vögel.
Hugo Ball (1886-1927) war so einer. Er begründete die Dada-Bewegung, als er 1916 in kubistische Papprollen gekleidet im „Cabaret Voltaire” verkündete: „jolifandro bambla o falli bambla”. Seine 1918 erschiene Polemik „Zur Kritik der deutschen Intelligenz” war dem bürgerlichen Feuilleton ähnlich unverständlich, obwohl sich Ball schnell von der „Anti-Kunst” abgewandt hatte. Erhalten blieb ihm aber seine Empörung über die Unvernunft des Krieges, und des vermeintlichen Schuldigen am Krieg: der deutschen Mentalität. Die „Kritik” war sein persönliches Antikriegsmanifest. Sie ist kein Klassiker geworden, war aber eine mitreißende Schrift.
Der Wallstein Verlag hat sie nun in ihrer ursprünglichen Fassung neu aufgelegt, nachdem der Essay 1970 und 1980 in einer entschärften Form unter anderem bei Suhrkamp erschienen war - auf Drängen der Erbin waren einige antijüdische Formulierungen gestrichen worden. Entstanden ist nun ein überaus ansehnliches Buch, das die „Kritik” mit dem Essay „Die Folgen der Reformation” (1924) - der gekürzten und redigierten Neuauflage der „Kritik” - einigen zeitgenössischen Rezensionen, einem erläuternden Kommentar, einem Register und einem Nachwort des Herausgebers Hans-Dieter Zimmermann vereint.
Die „Kritik” war eine seltsame - dies kann man an den ratlosen wenigen Besprechungen ablesen -, aber eine durchaus bedeutende Schrift, ein Angriff gegen Protestantismus und Preußentum, gegen Gehorsamssucht und Selbstüberhebung. Die Polemik folgte einem anti-autoritären, christlich-anarchistischen Impuls. Ihr lag keine systematische politische Philosophie zugrunde. Balls Referenzpunkte waren Einzelgänger und Außenseiter wie Thomas Münzer, Franz von Baader oder Wilhelm Weitling.
Hugo Ball sah sich in seinem Schweizer Exil als Antipoden zur opportunistischen akademischen Intelligenz, die den Krieg und die deutsche Sache verherrlichte. Die „Kritik” ist eine Art geistige Gegen-Mobilmachung. Sie zeichnet eine Ahnenreihe deutscher Denker von Luther über Kant, Hegel, Marx und Lassalle bis Nietzsche, die die deutsche Untertanenmentalität und Unmenschlichkeit kultiviert hätten.
Dieser einigermaßen kuriose Rundumschlag ist nur als Umkehrung der „Ideen von 1914” zu verstehen, nachdem die deutsche Intelligenz zur Legitimation des Krieges ein deutsches Sonderbewusstsein behauptet hatte. Ball verlangte nach einer moralischen und geistigen Revolution. Die politische von 1919 war ihm nicht genug und eine soziale, wie sie sich Sozialisten und Kommunisten erhofften, bedeutete ihm nicht viel. Er wollte, dass die Deutschen sich einmal mit den Augen ihrer Nachbarn betrachteten. Eine solche die deutsche Nation anklagende Haltung prädestinierte - neben Dada und Mystik - Ball für eine Sonderlingsrolle.
Der Ruf nach einer moralischen Revolution war die Sache weniger Intellektueller wie Eduard Bernstein oder Friedrich Wilhelm Foerster, die auch bei Sozialdemokraten und Kommunisten auf taube Ohren stieß. Sonderbar ist auch, dass Ball ein nonkonformistischer Intellektueller war, der mit antisemitischem Ticket fuhr. Er witterte eine deutsch-jüdische Verschwörung, die zur Weltherrschaft dränge und der Welt Unglück sei. Der Herausgeber meint, solche Argumentationslinien relativieren zu müssen: Zum einen reagiere Ball auf Hermann Cohens Versuch, das deutsche Judentum an die Seite des deutschen Imperialismus zu führen, und zum anderen habe er in „Die Folgen der Reformation” die schärfsten antijüdischen Formulierungen gestrichen. Das ist wenig überzeugend. Die Streichungen zeigen nicht, dass die „Kritik” nicht antisemitisch ist, sondern nur, dass Ball manche Dinge mittlerweile anders sah. Antisemitismus ist eben kein Gen, sondern eine Weltanschauung. Der Befund, es mit einer antisemitischen Denkform zu tun zu haben, ist auch keine Folge von Überempfindlichkeit nach Auschwitz. Bereits Balls Freund und Weggefährte Ernst Bloch war so entsetzt über manche Passagen, dass er den Herausgeber der „Freien Zeitung”, für die beide schrieben, aufforderte, sich von Ball zu trennen.
Das macht die „Kritik” nicht weniger interessant. Es erschwert nur die historische Einordnung. Man kann sie einordnen unter die „Revolte der Söhne gegen die Väter” (Peter Gay); sie ist aber auch Ausdruck der Suche nach Weltanschauung im „Zeitalter der klassischen Moderne” (Detlev Peukert). Die „Kritik” lebt von der dadaistischen Lust an Provokation und Polemik, von den Pauschalisierungen, Verkürzungen, um der gelungenen Formulierung willen. Und ihr Autor endet im mystischen Katholizismus. Schließlich bedient sich die antideutsche Attitüde antisemitischer Argumente. Politisch einordnen lässt sich der Text damit kaum. Aber er zeugt von jenen komischen Vögeln, „die stündlich die Fetzen ihres Leibes aus dem Wirrsal der Lebenskatarakte zusammenreißen, verbissen in den Intellekt der Zeit, blutend an Händen und Herzen”.
JÖRG SPÄTER
HUGO BALL: Die Folgen der Reformation. Zur Kritik der deutschen Intelligenz, herausgegeben von Hans Dieter Zimmermann. Wallstein Verlag, Göttingen 2005. 526 Seiten, 38 Euro.
Hugo Ball (1886 - 1927). Porträtaufnahme, München 1926.
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Der Begründer des Zürcher Dadaismus, warnt Rezensent David Marc Hoffmann, versteht keinen Spaß in seinen beiden polemischen Kampfschriften gegen die politische und intellektuelle Entwicklung in Deutschland. Gewissermaßen mit "heiligen Ernst" skizziere er in der 1919 erschienen "Kritik der deutschen Intelligenz" den unheilvollen Weg einer notorischen Anpassung der Intelligenz an Politik und Macht. Von Luther über Kant bis zu den deutschtümelnden Intellektuellen im Ersten Weltkrieg benenne Ball die aus seiner Sicht Schuldigen an der deutschen Malaise. Und der Rezensent bekennt, dass beispielsweise das "Gefasel angesehener Denker" über Goethe und Beethoven "in den Schützengräben", das Ball zitiert, einen auch heute noch "erschauern" ließen. Der erste Text "Die Folgen der Reformation" sei eine Umarbeitung und Kondensierung der "Kritik" mit dem Fokus auf die "eigentliche Erbsünde" der deutschen Intelligenz, auf die Reformation. So scharfsichtig Balls Kritik auch aus heutiger Sicht mitunter noch sei, meint der Rezensent, so "weltfremd" seien seine Vorschläge zur Überwindung. Nützlich und gelungen sei hier der "minuziöse" Kommentar des Herausgebers, der auf Irrtümer Balls Hinweise, seine Polemik historisch einordne, aber auch die aus seiner Sicht berechtigte Kritik an Luther oder Kant herausarbeite.

© Perlentaucher Medien GmbH
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