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Studien aus der Sicht der Geschichte, Literaturwissenschaft, Altphilologie, Rechtsgeschichte, Kunst- und Musikwissenschaft zum Transfer des Religiösen in Politik, Gesellschaft und Kultur.Das 19. Jahrhundert war eine Phase rapide fortschreitender Modernisierung. Mit dieser Modernisierung ging ein Säkularisierungsprozeß einher, dessen Ausmaß und Tragweite nach jeweiligem Blickwinkel unterschiedlich bewertet werden. In dem Band wird der Zusammenhang zwischen der Säkularisierung und unterschiedlichen Manifestationen von Religion und Religiösität im 19. Jahrhundert untersucht. Es wird nach dem…mehr

Produktbeschreibung
Studien aus der Sicht der Geschichte, Literaturwissenschaft, Altphilologie, Rechtsgeschichte, Kunst- und Musikwissenschaft zum Transfer des Religiösen in Politik, Gesellschaft und Kultur.Das 19. Jahrhundert war eine Phase rapide fortschreitender Modernisierung. Mit dieser Modernisierung ging ein Säkularisierungsprozeß einher, dessen Ausmaß und Tragweite nach jeweiligem Blickwinkel unterschiedlich bewertet werden. In dem Band wird der Zusammenhang zwischen der Säkularisierung und unterschiedlichen Manifestationen von Religion und Religiösität im 19. Jahrhundert untersucht. Es wird nach dem Einfluß und der Bedeutung des Religiösen im 19. Jahrhundert, nach der bleibenden Prägekraft religiöser Deutungssysteme und nach synkretistischen Religionsformen gefragt. Die Instrumentalisierung des Religiösen in Politik und Gesellschaft wird ebenso thematisiert wie der Legitimationsverlust tradierter Religion und deren Verflüchtigung zur Kultur. Es geht um Transferpotentiale vom religiösen in den politischen, sozialen und kulturellen Bereich und um die Frage, auf welche Weise überkommene Traditionsbestände in erneuerter Form konserviert wurden. Dabei werden Asymmetrien und Widersprüche im Säkularisierungsprozeß überaus deutlich. Der Geist der Moderne schuf sich zwar neue Götter, aber der traditionelle Glauben konnte dennoch in einem breite Kreise der Bevölkerung erfassenden Mentalitätswandel eingebunden werden.
Autorenporträt
Manfred Jakubowski-Tiessen studierte Theologie, Geschichte und Pädagogik in Berlin und Kiel. Er ist Professor für Geschichte in Göttingen und veröffentlicht zur Sozial-, Umwelt-, Mentalitäten- und Kirchengeschichte der Frühen Neuzeit.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 21.06.2004

Mit der Eisenbahn in die Hölle
So entzaubert kommen wir nie mehr zusammen: Nachdenken über Säkularisierung und Erweckung
Noch immer ist Max Webers suggestive Formel von der „Entzauberung der Welt” nicht aus dem öffentlichen Diskurs verschwunden, so wenig sie seit je her mit der historischen Realität zu tun hatte. Nicht von einem unausweichlichen Säkularisierungsprozess wurden das 19. und 20. Jahrhundert jedoch vorrangig geprägt, sondern von einer „Rückkehr des Religiösen” (Martin Riesebrodt).
In Europa ist man sich dessen heute nur nicht hinreichend bewusst. Da scheint es geboten, die historische Dimension des Säkularisierungsprozess erneut auszumessen. Die Lektüre des vorliegenden kleinen Bandes ist dafür sehr nützlich. Der Band ist im wissenschaftlichen Umfeld von Hartmut Lehmann, dem scheidenden Direktor des Max-Planck-Institutes für Geschichte in Göttingen, entstanden. Lehmann hat dieses Institut beharrlich zu einem Forschungszentrum für eine moderne Religionsgeschichte ausgebaut, außerhalb der traditionellen Konfessionshistorie evangelischer oder katholischer Prägung. Wenn Hartmut Lehmann in seinem zusammenfassenden Beitrag davor warnt, einen Gegensatz zwischen den angeblich rückständigen, weil religiös gebundenen nichtwestlichen Gesellschaften und dem angeblich säkularisierten Westen zu machen, hat das deshalb großes Gewicht.
Ganz auf dieser Linie betont der Herausgeber des Bandes, dass es im 19. Jahrhundert ungeachtet einer fortschreitenden Säkularisierung immer wieder Phasen einer religiösen Revitalisierung gegeben habe. Manfred Jakubowski-Tiessen belegt das anschaulich am Beispiel eines norddeutschen protestantischen Pfarrers, der vehement gegen die Entkirchlichung ankämpfte, die der Eisenbahnbau unter den beteiligten Arbeitern bewirkte. Das entsprach dem kirchlichen Programm einer „inneren” Mission, das Bodelschwingh und Wichern nach der Revolution von 1848/49 erfolgreich realisiert hatten. Als innerkirchlichen religiösen Aufschwung interpretiert Hans Hattenhauer einleuchtend und auch die Bewegung der „Freien Gemeinden” in der preußischen Staatskirche.
Weniger überzeugend ist dagegen der Versuch Thomas Kaufmanns, am Beispiel des Theologen Friedrich Tholuck die „Innovationspotentiale der Erweckungsbewegung” aufzudecken. Er bleibt damit ganz im Theologischen hängen, ohne etwas zur Säkularisierungsproblematik beizutragen.
Die anderen Beiträge drehen sich um das Problem einer Kunstreligion. Heinrich Detering findet diese in einem Text von Theodor Storm, Lars Olof Larsson in der Malerei Edvard Munchs und der Bildhauerei Gustav Vigelands und Heinrich W. Schwab in den Opern Carl Maria von Webers und Giacomo Meyerbeers. Gerhard Binder versucht sogar, den an die „Germania” des Tacitus anknüpfenden Germanenkult des 19. Jahrhunderts als „Ersatzreligion” zu begreifen. Dem kann man schon deswegen nicht folgen, weil der Begriff allzusehr von den christlichen Kirchen her gedacht ist.
Auch in den übrigen Beiträgen wird leider nicht reflektiert, ob Kunstreligionen überhaupt etwas mit Religion zu tun haben. Hier müsste jedoch das Nachdenken darüber, ob sich die Sakralisierung der Kunst im 19. Jahrhundert gegenläufig zur fortschreitenden Säkularisierung vollzog, erst einmal ansetzen.
WOLFGANG SCHIEDER
MANFRED JAKUBOWSKI-TIESSEN (Hrsg.): Religion zwischen Kunst und Politik. Aspekte der Säkularisierung im 19. Jahrhundert. Wallstein Verlag, Göttingen 2004. 190 Seiten, 24 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Gemischte Gefühle hat der Band "Religion zwischen Kunst und Politik" bei Wolfgang Schieder ausgelöst. Zwar sei uneingeschränkt zu begrüßen, dass dem Max Weberschen Mythos von der "Entzauberung der Welt" die nie schwindenden Tendenzen zur Stärkung der Religiosität im Europa des 19. und 20. Jahrhunderts entgegengehalten werden. Hier leistet der Band nach Schieders Ansicht Nützliches, wenn er etwa die Phasen der religiösen Revitalisierung ausleuchtet. Doch bemängelt der Rezensent an dem von Manfred Jakubowski-Tiessen herausgegebenen Band vor allem die Unschärfe jener Beiträge, die sich mit dem Thema "Kunstreligion" befassen. Es werde "leider nicht reflektiert, ob Kunstreligionen überhaupt etwas mit Religion zu tun haben".

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