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Der japanische Sinologe, Lu Xun-Übersetzer und Kulturkritiker TAKEUCHI Yoshimi (19101977) prägte vor allem in den 50er und 60er Jahren die Selbstverständnis-Debatte ebenso wie das China-Verständnis in seinem Land. War das Interesse der Bevölkerung, besonders der Intellektuellen, während der amerikanischen Besatzung Japans zunächst einmal auf den Westen gerichtet, so erinnerte Takeuchi seine Landsleute nachdrücklich an ihre Verbindungen zum asiatischen Kontinent, die blutige Aggression dort eingeschlossen. Sowohl in seiner Kritik an der kulturellen Entwicklung Japans seit der Öffnung 1868, die…mehr

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Produktbeschreibung
Der japanische Sinologe, Lu Xun-Übersetzer und Kulturkritiker TAKEUCHI Yoshimi (19101977) prägte vor allem in den 50er und 60er Jahren die Selbstverständnis-Debatte ebenso wie das China-Verständnis in seinem Land. War das Interesse der Bevölkerung, besonders der Intellektuellen, während der amerikanischen Besatzung Japans zunächst einmal auf den Westen gerichtet, so erinnerte Takeuchi seine Landsleute nachdrücklich an ihre Verbindungen zum asiatischen Kontinent, die blutige Aggression dort eingeschlossen. Sowohl in seiner Kritik an der kulturellen Entwicklung Japans seit der Öffnung 1868, die von der Expansion der westlichen Mächte in Ostasien ausgelöst wurde, als auch in seiner Rekonstruktion des japanischen Asianismus nimmt er jedoch eine Sonderstellung ein. Das seit einigen Jahren in Japan zu beobachtende, neu erwachte Interesse an Takeuchis Geschichtsdenken hat nicht allein der japanischen Geschichtswissenschaft, sondern auch der gegenwärtigen Debatte über den Regionalismus in Ostasien wichtige Impulse gegeben. Takeuchis Sichtweise wird heute auch außerhalb Japans diskutiert. Drei seiner in diesem Zusammenhang bedeutenden Texte werden hier auf Deutsch vorgelegt und durch ein ausführliches Glossar ergänzt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.09.2005

Wenn der Schmerz des Gewecktwerdens fehlt
In der Kultur der Musterschüler: Takeuchi Yoshimi macht sich schwarze Gedanken über Japan

Takeuchi Yoshimi (1910 bis 1977) zählt zu Japans großen Nachkriegsdenkern, Sinologen und Modernisierungskritikern. Seine sperrigen, politisch engagierten und unbestechlichen essayistischen Texte nehmen sowohl westliche kulturelle und politische Standards als auch die japanische Imitationskunst aufs Korn. Den bisherigen Orientierungspunkten des japanischen Geschichtsverständnisses Europa und Amerika sowie der feudalen japanischen Tradition, stellte Takeuchi dabei die Vision einer am chinesischen Vorbild orientierten "Protestgesellschaft" gegenüber.

Der Band versammelt drei kulturtheoretische Schriften des Autors, die die zeitgenössischen Debatten beflügelten. Immer wieder ergeht sich der Autor in Spekulationen über den imperialistischen Trieb als Wesen und Methode der westlichen Moderne: "In der Ausdehnung drückt sich eine Bewegung zur Selbsterhaltung Europas aus . . . Die Bewegung, unaufhörlich man selbst sein zu wollen, macht es jedoch unmöglich, einfach bei sich stehenzubleiben . . . Damit Europa mit sich identisch sei, mußte es in Asien eindringen." Takeuchi entwickelt ein komplexes Denkmodell der Moderne aus Zeit, Raum und historischen Fortschritts-, Rückzugs- oder Emanzipationsbewegungen.

In stets neuen Variationen beschäftigt sich Takeuchi in seinen Schriften, etwa im Vergleich der Xinhai-Revolution in China mit der Meiji-Erneuerung in Japan, "im Hinblick auf Asien mit Widerstand". Letzterer sei im Fall Japans nicht aufgekommen, weil sich in dessen aggressivem Modernisierungsstreben nach der erzwungenen Landesöffnung 1854 kein Bewußtsein einer Niederlage herausgebildet habe. Takeuchi attestiert Japan eine mangelnde "Selbstbewegung des Geistes" und einen fehlenden "Schmerz des Gewecktwerdens". Mit Sarkasmus und Kulturpessimismus schreibt der Autor eine Geschichte des Niedergangs der "Idee des Ostens": "Für die japanische Ideologie gibt es kein Scheitern. In Japan scheitert man ewig, und ewig hat man dabei Erfolg. Eine Wiederholung ohne Ende. Und dies wird so begriffen, als ob es Fortschritt sei."

Japans Kultur, so sieht es Takeuchi, sei strukturell eine "Musterschülerkultur", die während des japanischen Imperialismus von Militärakademien und nach 1945 von Reichsuniversitäten gefördert wurde. Anhand der Parabel "Der Weise, der Narr und der Sklave" des chinesischen Schriftstellers Lu Xun entwickelt Takeuchi die These von der "Sklavenmentalität" Japans und zeigt die "Befreiungsillusionen" der Moderne einschließlich der Paradoxie des Gedankens der "Großostasiatischen Wohlstandssphäre" zu Zeiten der japanischen Expansionspolitik auf.

Im Bestreben, ein "besseres Europa" zu werden, erkennt Takeuchi einen Prozeß der Austreibung und einen Weg des Sich-Entledigens. In dem Irrglauben, selber kein Sklave zu sein, wolle das Subjekt der Emanzipationsbewegung, indem es den "Militarismus zum Agenten des verspätet expandierenden Kapitals macht", die "schlechten Schüler" und anderen Völker aus ihrer Sklaverei befreien.

Takeuchi thematisiert schließlich die massenhafte Wendung japanischer Intellektueller in den dreißiger Jahren von linkem zu totalitär-nationalem Gedankengut und erkennt im Phänomen der "Konversion" ein strukturelles Merkmal moderner Umbruchsphasen in der politischen und geistigen Entwicklung Japans.

Das gerade als zeitgeschichtliches Zeugnis des "Kriegs der Ideen" in der japanischen Nachkriegszeit lesenswerte Buch wird durch ein kenntnisreiches, hundertseitiges Glossar der Übersetzer und Herausgeber Wolfgang Seifert und Christian Uhl ergänzt.

STEFFEN GNAM.

Takeuchi Yoshimi: "Japan in Asien". Geschichtsdenken und Kulturkritik nach 1945. Herausgegeben und übersetzt von Wolfgang Seifert und Christian Uhl. Iudicium Verlag, München 2005. 302 S., br., 28,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Als "lesenwert", gerade auch als zeitgeschichtliches Zeugnis, erachtet Rezensent Steffen Gnam diesen Band mit drei kulturtheoretische Schriften Takeuchi Yoshimis (1910 bis 1977), den er zu Japans großen Nachkriegsdenkern, Sinologen und Modernisierungskritikern zählt. Takeuchis essayistische Texte charakterisiert Gnam als "sperrig", "politisch engagiert" und "unbestechlich". Sie nähmen sowohl westliche kulturelle und politische Standards als auch die japanische Imitationskunst aufs Korn. Takeuchi entwickle zunächst ein komplexes Denkmodell der Moderne aus Zeit, Raum und historischen Fortschritts-, Rückzugs- oder Emanzipationsbewegungen. Er attestiere Japan eine mangelnde "Selbstbewegung des Geistes" und einen fehlenden "Schmerz des Gewecktwerdens". Schließlich thematisiere er die massenhafte Wendung japanischer Intellektueller in den dreißiger Jahren von linkem hin zu totalitär-nationalem Gedankengut, die er als strukturelles Merkmal moderner Umbruchsphasen in der politischen und geistigen Entwicklung Japans deute. Ein Lob des Rezensent geht an die Übersetzer und Herausgeber Wolfgang Seifert und Christian Uhl für ihr "kenntnisreiches, hundertseitiges" Glossar.

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