Marktplatzangebote
4 Angebote ab € 2,25 €
  • Gebundenes Buch

Tel Aviv, nach dem nächsten Krieg. Die Stadt hat schwer gelitten, überall sind die Zerstörungen der Raketenangriffe zu sehen, Tausende haben ihr Leben verloren. An der Spitze des jüdischen Staates steht ein starker Mann, ein General, der nach einem Anschlag auf den Generalstab die Zügel in die Hand genommen und den Sicherheitsbehörden eine nie dagewesene Machtfülle beschert hat. In die zerstörte Stadt kehren Joav und Chagit Kirsch zurück, während des Krieges haben sie sich auf dem Land in Sicherheit gebracht. Joav ist Pianist, Anfang dreißig, ein unpolitischer Schöngeist und Opportunist, der…mehr

Produktbeschreibung
Tel Aviv, nach dem nächsten Krieg. Die Stadt hat schwer gelitten, überall sind die Zerstörungen der Raketenangriffe zu sehen, Tausende haben ihr Leben verloren. An der Spitze des jüdischen Staates steht ein starker Mann, ein General, der nach einem Anschlag auf den Generalstab die Zügel in die Hand genommen und den Sicherheitsbehörden eine nie dagewesene Machtfülle beschert hat. In die zerstörte Stadt kehren Joav und Chagit Kirsch zurück, während des Krieges haben sie sich auf dem Land in Sicherheit gebracht. Joav ist Pianist, Anfang dreißig, ein unpolitischer Schöngeist und Opportunist, der große Schwierigkeiten hat, sich in der neuen Zeit zurechtzufinden. Chagit arbeitet als Cutterin bei einem großen Fernsehsender. Als sie von dem Starreporter des Senders einen USB-Stick zugesteckt bekommt, den sie für ihn verstecken soll, und kurz darauf die Redaktion von der Polizei durchsucht wird, finden sich die beiden plötzlich im Zentrum eines politischen Skandals, der bis in die höchsten Ebenen der Macht reicht ... "Die Hände des Pianisten" ist nicht nur ein brillanter und brisanter Roman über Israel, sondern auch eine tiefschwarze Parabel über allzu menschliche Abgründe, Macht und Moral in einer aus den Fugen geratenen Zeit.
Autorenporträt
Yali Sobol wurde 1972 in Haifa, Israel, geboren. Mit 21 gründete er die Rockband "Monica Sex", die drei sehr erfolgreiche Alben veröffentlichte und in Israel als Kultband gilt. "Die Hände des Pianisten" ist sein dritter Roman. Er lebt in Tel Aviv.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.05.2014

Israel nach dem künftigen Krieg
Yali Sobol erschafft in seinem Roman "Die Hände des Pianisten" eine apokalyptische Vision seiner Heimat

Vom Traum eines Lebens in Sicherheit und Geborgenheit im ersehnten "Altneuland" Theodor Herzls scheint kaum etwas geblieben zu sein. In Yali Sobols postzionistischer Dystopie ist Tel Aviv eine Trümmerstadt: Der Vorplatz des Nationaltheaters gleicht einer Ruinenlandschaft, die Akirow-Hochhäuser, Wahrzeichen des israelischen Wirtschaftsbooms der vergangenen Jahre, sind durch Volltreffer schwer beschädigt. Unmittelbar in der Nähe des Verteidigungsministeriums ist eine Rakete eingeschlagen. Mehr noch: Die gesamte militärische Führungsspitze ist einem gewaltigen Sprengsatz zum Opfer gefallen, der - so besagen die Gerüchte - von einem "Maulwurf" eingeschmuggelt wurde. Der langgehegte zionistische Traum scheint sich in einen Albtraum verwandelt zu haben, doch längst nicht nur, weil die arabischen Nachbarn die Existenz des jüdischen Staates bedrohen. Der Krieg dient als Vorwand für Notstandsverordnungen und hat eine Hexenjagd auf linksorientierte Schöngeister ausgelöst, die verdächtigt werden, Feinde des Staates, eine Art fünfte Kolonne, zu sein.

Der junge Pianist Joav Kirsch hatte anfangs Glück. Er und seine Frau Chagit, die als Cutterin bei einem großen Fernsehsender arbeitet, verließen die Großstadt und fanden Zuflucht auf dem Lande. Der politisch desinteressierte Musiker - einst ein Wunderkind, das internationale Wettbewerbe gewann - muss sich nun mit Wohltätigkeitskonzerten und Hausmusikabenden begnügen: Er erhält keine Ausreisegenehmigung, so dass er nicht mehr im Ausland auftreten kann. Nach Meinung der tonangebenden "kompakten Majorität" zählt auch er zu jenen "Schielern", die dem Staat in schwerer Stunde den Rücken kehren werden, um sich selbst zu retten. So gerät Joav ins Visier der Polizei und Geheimdienste. Da er nichts zu verbergen hat, zeigt er sich optimistisch und bekennt sich "absolut als Zionist". Doch allmählich verliert er seine Zuversicht und tappt schließlich in die Falle, die ihm der hartnäckige Inspektor Levi gestellt hat: Ja, er kenne eine Cellistin, die, wie andere linke Israelis, beim "Checkpoint Watch" aktiv sei und gegen die Besatzung protestiere.

Nach einem ersten Verhör kann der Pianist noch unbehelligt nach Hause gehen, doch die Luft wird dünner. Dazu plagen ihn fortan Schuldgefühle.Trost findet Joav in der Musik sowie in einer neuen Freundschaft mit dem schwerreichen Reeder Usi Segal. In dessen Villa spielt Joav für eine mondäne Salongesellschaft, bestehend aus Musikliebhabern und selbstgefälligen Intellektuellen. Unter ihnen ist auch David, der sich beklagt: Wenn er mit dem Hausherrn über Baudrillard spreche, antworte dieser ihm "mit Bulgakow". Und weil der Hausherr es so will, verzichtet Joav darauf, den von Stalin verfemten Schostakowitsch zu spielen.

Freilich hatte sich Joav getäuscht, als er glaubte, eine vom System unbehelligte Nische gefunden zu haben. Denn schon bald gerät seine Frau ins Visier des Inspektors. Hilfsbereit hatte Chagit einem ihrer regimekritischen Journalistenkollegen geholfen. Sie versteckte dessen USB-Stick zunächst im hohlen Absatz ihres Stiefels und dann bei einer alten Freundin der Familie. Unwissentlich gerät sie in eine Staatsaffäre. Denn auf dem Datenträger des Starreporters befinden sich Beweise, dass der Sohn des stellvertretenden Oberbefehlshabers Schamai eine junge Frau vergewaltigt hat, die tot aufgefunden wurde. Dem angesehenen Journalisten, der den Skandal aufdeckte, wird klargemacht, dass angesichts der Notstandsverordnungen die journalistische Schweigepflicht nicht mehr gilt. Und er beginnt zu reden; sein eigener Vater hatte ihn zuvor bedrängt "zu kooperieren". Es seien keine normalen Zeiten, meint der alte Herr, ein ehemaliger Brigadegeneral. Jede Demonstration der Schwäche könne das Ende des Staates bedeuten. "Meni Schamai ist zurzeit unsere Lebensversicherung. Er hat uns im Krieg gerettet. Er ist wirklich ein starker Mann." Mancher israelische Leser mochte sich bei solchen Passagen an die beschwörenden Verlautbarungen erinnert fühlen, die einst über Moshe Dajan und später über Ariel Scharon zu hören waren.

Durch seinen Erfolg bestärkt, nimmt der übereifrige Assistent des Inspektors die Ermittlung in die eigene Hand und übertrumpft an Brutalität sogar seinen Vorgesetzten. Eine Truppe uniformierter Schläger stürmt die Wohnung der Eheleute und stellt dort alles auf den Kopf. Mit einem Schraubenzieher bewaffnet, macht sich der Assistent schließlich an den Flügel. Nachdem er diesen zerlegt hat, schlägt er auf die Hände des Pianisten ein wie ein "Schlachter, der Hühnerbeine zerkleinert".

Yali Sobol ist in Israel nicht nur als Prosaautor, sondern vor allem als Liedermacher und Mitglied der erfolgreichen Rockband "Monika Sex" bekannt. Der Zweiundvierzigjährige ist der Sohn des Bühnenautors Jehoshua Sobol, dessen Theaterstücke (etwa "Ghetto", in der Regie von Peter Zadek 1984 in der Bundesrepublik als Stück des Jahres ausgezeichnet) schon manchen Eklat verursacht haben und der sich ebenfalls als scharfer Kritiker der israelischen Politik einen Namen gemacht hat. Yali Sobol tritt mit seinem spannenden Politthriller "Die Hände des Pianisten" nun in gewisser Weise in die Fußstapfen des Vaters.

Man kann das Buch als bitterböse, an Orwell erinnernde Parabel über Macht und (Un-)Menschlichkeit in einem totalitären System lesen, wobei die Anklänge an Kafka und das Leben von Schostakowitsch unter Stalin alles andere als ein Zufall sind. Und doch gehört Yali Sobols Roman - von Markus Lemke flüssig ins Deutsche übersetzt - zugleich auch in eine Reihe mit anderen Prosawerken junger israelischer Autoren, die aus genuiner Sorge um die Entwicklung des Landes ein düsteres Bild ihrer Heimat, gar eine apokalyptische Vision präsentieren. Tel Aviv ist bereits zu Beginn des Romans eine Stadt "nach dem nächsten Krieg". Nicht von ungefähr lässt Sobol die ahnungslose Chagit den belastenden Datenträger ausgerechnet in einem Band von Yosef Chaim Brenner verstecken. Dieser hebräische Schriftsteller, der im Jahr 1909 als einer der ersten Literaten nach Palästina einwanderte und dort später von Arabern ermordet wurde, schrieb: "Es kann sein, es kann durchaus sein, dass man hier nicht leben kann, aber hier muss man bleiben, hier muss man sterben, schlafen ... es gibt keinen anderen Ort."

ANAT FEINBERG

Yali Sobol: "Die Hände des Pianisten". Roman.

Aus dem Hebräischen von Markus Lemke. Verlag Antje Kunstmann, München 2014. 300 S., geb., 19,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur WELT-Rezension

Yali Sobol, auch bekannt als Mitglied der in Israel äußerst erfolgreichen Band "Monica Sex", hätte lieber weiterhin Musik machen sollen, befindet Marko Martin nach der Lektüre von "Die Hände des Pianisten": Auch wenn einiges für die Geschichte von Yoav, dem Pianisten, und seiner Frau der Cutterin Chagit sprechen sollte, sei dieser Roman "doch ein wenig überflüssig". Die Handlung der vorliegenden Dystopie, so Martin, ist Tel Aviv, "nach dem nächsten Krieg". Geschildert wird das Leben unter einer Militärdiktatur: Von Ausreiseverbot, Kontrolle und Repressionen ist ebenso die Rede wie von einem geheimnisvollen USB-Stick, auf dem die unangenehme Wahrheit über den Sohn des Junta-Chefs gespeichert ist und der schließlich eine Folge von Grausamkeiten auslöst. Es wird gefoltert und gepeinigt, mokiert sich der Rezensent, ohne jedoch ein Ende anzubieten oder wenigstens die Intention dieses anklagenden Romans kenntlich zu machen.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 26.05.2014

Big Brother in
Tel Aviv
Yali Sobols verstörender Roman
„Die Hände des Pianisten“
Eine Übergangsregierung verwandelt Israel in einen Überwachungsstaat. Sie erlässt Notstandsgesetze in dem Land, das aktuell noch als einzige Demokratie im Nahen Osten angesehen wird. Und sie installiert ein perfektes Netzwerk, das nicht nur jedwede Bedrohung von außen abwehrt, sondern auch gegen die eigenen Leute vorgeht. In seinem dritten Roman „Die Hände des Pianisten“ entwirft Yali Sobol das Panorama einer negativen Utopie. Ort der Handlung ist Tel Aviv nach einem fiktiven Krieg, der die gesamte Führungsriege des Staates ausgelöscht hat. Am Ende blickt man entsetzt in einen ubiquitären, grell ausgeleuchteten Folterkeller.
  Sobol gehört wie sein berühmter Vater, der Dramatiker Jehoschua Sobol („Ghetto“), der israelischen Linken an, einer Minderheit, die die Mehrheit politischer Hardliner zwar vehement und auch öffentlichkeitswirksam, aber letztlich vergeblich bekämpft. Die Hauptfiguren seines Romans, der Pianist Joav Kirsch und seine Frau, die Cutterin Chagit, sind jedoch völlig apolitisch und laufen zunächst unbehelligt durchs zerstörte Tel Aviv. Sie geraten allein deshalb, weil Joav auf eine Konzerttournee ins Ausland möchte, in den Fokus des Sicherheitsdienstes. Leute, die damit kokettieren, Israel zu verlassen, werden als „Schieler“ desavouiert und auf ihre zionistische Gesinnung hin abgeklopft.
  Schlimmer aber wiegt, dass Chagits Sender durchsucht und ihr dabei ein USB-Stick zugesteckt wird. Auf diesem befindet sich belastendes Material, das den Sohn des Staatschefs als Vergewaltiger und Mörder entlarvt, was Chagit allerdings nicht weiß. Bald findet sie sich, anders als zunächst Yoav, nicht nur einer Routine-, sondern einer hochnotpeinlichen Befragung ausgesetzt. Beide stehen vor den Trümmern ihrer Existenz, nachdem sie die brutale Willkür des totalitären Regimes in völliger Ohnmacht erlitten haben.
  Yali Sobol beschreibt nüchtern die schleichende Aushöhlung des täglichen Lebens – ein aktualisiertes „1984“. Er stellt beängstigend genau dar, wie autoritäre Übergriffe zunächst alles Private vergiften, und zeichnet minutiös die Psychogramme der Handlanger des Systems. Da ist Itzik Levi, ein Mann, aus Zufall als Inquisitor bestallt, der sich die Hände nicht schmutzig machen will und dem jungen, ebenso effektiven wie kaltschnäuzigen Inspektor Wilner die Drecksarbeit überträgt. Der darf im Untergeschoss der Behörde sein „Wilnarium“ bauen, einen schalldichten Verhörraum, Prototyp für eine noch viel größere derartige Einrichtung in staatlichem Auftrag.
  Leute wie Wilner brauchen Verräter aus dem Umkreis ihrer Opfer. Einen wie David, der seiner Kollegin Chagit das inkriminierte Beweismaterial zuschob. Er liefert sie ebenso ans Messer wie der zwielichtige Reeder Usi Segal seinen Protegé Yoav, den er zunächst als Pianisten förderte. Hat Wilner erst einmal seine Beute, bricht er sie mit psychologischem Druck. Aber bei Chagit Kirsch hat er sich geirrt und musste zulangen: „Die Ohrfeigen hatte sie noch überstanden, aber ein Tritt in den Bauch ließ sie zusammenbrechen.“
  Für den Vergewaltigungsskandal, den es im Buch zu vertuschen gilt, gibt es eine Parallele in der Realität. Es ist der Fall des israelischen Staatspräsidenten Mosche Katzav, der wegen Vergewaltigung in Israel rechtskräftig verurteilt worden ist und seit 2011 einsitzt. Das abgrundtief Verstörende an diesem Roman ist, dass Yali Sobol für sein Schreckensszenario scheinbar nicht viel dazuerfinden musste. „Die Hände des Pianisten“ liest sich, als müsste man die Wirklichkeit nur ein wenig weiterdrehen, die Befugnisse des Inlandssicherheitsdienstes Schabak ein wenig überzeichnen zum Beispiel, und der Totalitarismus wäre perfekt.
EVA-ELISABETH FISCHER
Yali Sobol: Die Hände des Pianisten. Roman. Aus dem Hebräischen von Markus Lemke. Verlag Antje Kunstmann, München 2014. 288 S., 19,95 Euro.
Sobols Buch ist gar nicht so weit
von der Realität entfernt
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
…mehr