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Mitten im Nizza der 1970er Jahre wächst die dreizehnjährige Sonja bei ihrer alten Babuschka auf. Babuschka ist keine gewöhnliche Großmutter, mit ihr taucht man in eine andere Welt ein: in die Welt Russlands zur Zarenzeit, aus der die Revolution sie wie viele Exilrussen an die Côte d'Azur vertrieben hat. Tschechow und Stalin, Rasputin und die Romanows geistern seitdem durch Babuschkas Erzählungen. Auf den Spaziergängen mit ihr muss man sich in Acht nehmen, denn der russische Geheimdienst ist überall. Doch das Schlimmste sind die Briefe: Warum nur hat die Großmutter sich in den Kopf gesetzt,…mehr

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Produktbeschreibung
Mitten im Nizza der 1970er Jahre wächst die dreizehnjährige Sonja bei ihrer alten Babuschka auf. Babuschka ist keine gewöhnliche Großmutter, mit ihr taucht man in eine andere Welt ein: in die Welt Russlands zur Zarenzeit, aus der die Revolution sie wie viele Exilrussen an die Côte d'Azur vertrieben hat. Tschechow und Stalin, Rasputin und die Romanows geistern seitdem durch Babuschkas Erzählungen. Auf den Spaziergängen mit ihr muss man sich in Acht nehmen, denn der russische Geheimdienst ist überall. Doch das Schlimmste sind die Briefe: Warum nur hat die Großmutter sich in den Kopf gesetzt, täglich in holprigem Französisch an den französischen Staatspräsidenten und den Herausgeber der Zeitschrift "Historia" zu schreiben, denen sie die Wahrheit über die Ermordung der Zarenfamilie verkünden will? Anastasia ist in Babuschkas Erzählungen präsenter als Sonjas Mutter, die sich auch schon länger nicht mehr hat blicken lassen ...
Autorenporträt
Véronique Olmi wurde 1962 in Nizza geboren und lebt heute mit ihren zwei Kindern in Paris. In Frankreich wurde sie, als eine der bekanntesten Dramatikerinnen des Landes, für ihre Arbeit mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Seit 1990 hat die ausgebildete Schauspielerin zwölf Theaterstücke verfasst, am Anfang stand sie bei deren Aufführung auch selbst auf der Bühne und/oder führte Regie. Ihre Theaterstücke wurden in viele Sprachen übersetzt, einige Stücke liegen auch in deutscher Übersetzung vor (bei Suhrkamp) und wurden und werden in Deutschland, Österreich und der Schweiz aufgeführt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.05.2009

Familien sind fürchterlich

Ein Roman in mehreren Schichten: Véronique Olmi erzählt mit leichter Hand und hintergründig von einer Großmutter, die aus Russland emigrieren musste, und vom Ende einer Kindheit.

Na gut, denkt man zunächst, das ist so eine schöne, ruhige, mitziehende Erinnerungsliteratur aus einer Welt, die schon halb versunken ist und von der wir uns deshalb gern erzählen lassen: russische Revolutionsemigranten in Nizza, jetzt schon alt, Mitte der siebziger Jahre, während in der Sowjetunion die Breschnews und Andropows herrschen. So sieht es am Anfang jedenfalls aus. Denn es geht vor allem um die Babuschka, die Großmutter, die damals wie viele andere vor der Revolution geflohen und 1924 schließlich, ebenso wie viele andere, in Nizza gelandet ist. Erzählt wird, wenn auch nachträglich, aus der Perspektive ihrer dreizehnjährigen Enkelin, in einer Sprache, die die Empfindlichkeiten wie den Witz dieses Alters sehr gut trifft und von Claudia Steinitz ebenso gut ins Deutsche transportiert wird.

Nach und nach aber werden die anderen Schichten dieses Romans freigelegt. Über das Ausmaß seines autobiographischen Gehalts muss man hier nicht spekulieren, auch wenn es in der französischen Kritik hieß, Véronique Olmi habe "über ihre Großmutter" geschrieben. Mag sein. Vor allem aber hat sie einen Roman geschrieben, deren Erzählerin nicht Véronique heißt, sondern Sonja, und dieser Roman ist vertrackter, als er auf den ersten Blick erscheint.

Sonja lebt bei ihrer Großmutter, weil ihre Mutter unterwegs ist: "Meine Mutter verbringt ihre ganze Zeit damit, in alle Züge und aus allen Zügen zu steigen, die vorbeikommen." Für den Vater gibt es keinen schrecklicheren Gedanken als den, seine Tochter könne wieder bei ihm einziehen. Dass die Eltern seit langem getrennt leben, versteht sich von selbst. Wir haben es also erstens und vor allem mit einem Familienroman zu tun, jedoch nicht einem jener wuchtigen Epen, die sich derzeit so großer Beliebtheit erfreuen, sondern mit einem Stück auf der Höhe der Zeit. Olmi zeigt, dass die Familie für jeden wirklich das Unhintergehbare ist, auch und gerade, wenn sie eigentlich nicht mehr existiert, und dass sie zugleich ein furchtbarer Zwangszusammenhang ist. Sie stellt keine Thesen darüber auf, sondern führt uns das einfach vor. Das geschieht zuweilen mit sehr leichter Hand, was nicht zuletzt an der Sprache liegt, die diszipliniert ist und gleichzeitig feinste Nuancen wiederzugeben vermag, und doch wird man mit nichts verschont, bis man am Ende mit dem Kopf nickt und sich wieder einmal sagt: Ja, Familie ist schon etwas Fürchterliches.

Erst nach und nach wird deutlich, dass es in diesem Roman auch um das Ende der Kindheit geht, um jene schwere Zeit der beginnenden Pubertät also, die Sonja schon ziemlich erwachsen bewältigt. Warum? Weil sie auf ihre Großmutter aufpassen muss, die eigentlich auf sie aufpassen soll, nach einem Sturz aber im Krankenhaus landet, so dass die Verhältnisse sich am Ende umkehren. Auch das aber, wie sich am Ende herausstellt, ist nur scheinbar und wesentlich komplizierter. Denn Babuschka, wie wir erst auf den letzten Seiten richtig verstehen, hat sich die ganzen Jahre darum bemüht, ihre Enkelin vor der bösen Welt zu beschützen, denn diese Enkelin, dessen ist sie sich sicher, "hätte nie die Revolution überlebt".

Zugleich ist Babuschka jedoch auch diejenige, die ihre Enkelin am Schluss des Romans ins Leben führt und entlässt. Das geschieht - man kann es anders nicht sagen - in einer Art Handstreich, dessen Details hier natürlich nicht wiedergegeben werden können. Immerhin kann gesagt werden, dass Babuschka hier eine abenteuerliche Version der Erschießung der Romanows durch die Bolschewiki gibt - und insbesondere des Schicksals von Anastasia, die sie gekannt hat. Diese ist - so viel sei verraten - das geheime Zentrum von Babuschkas und damit zwangsläufig auch von Sonjas Leben gewesen.

JOCHEN SCHIMMANG

Véronique Olmi: "Die Promenade". Roman. Aus dem Französischen von Claudia Steinitz. Kunstmann Verlag, München 2009. 237 S., geb., 18,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Traurig und über Strecken sehr beeindruckend findet Rezensentin Katharina Granzin diesen autobiografisch grundierten Roman von Veronique Olmi. Erzählt werde die Geschichte einer Dreizehnjährigen, die, von ihren Eltern verlassen, in Nizza bei ihrer russischen Großmutter aufwächst. Die Autorin entwerfe eine klaustrophobische Situation, nicht nur, was die Beziehung des Kindes zur Großmutter betrifft, die es in ihrem großmütterlich-russischen Kokon, von dem aus das südfranzösische Meer und seine Palmen unerreichbar scheinen, gleichzeitig beschützt und gefangen hält. Auch insgesamt entsteht dem Eindruck der Rezensentin zufolge durch den kulturellen Hintergrund der Großmutter das Gefühl der Abgeschlossenheit von der Realität, die - wie man erfährt - erst aufgebrochen wird, als die Großmutter nach einem Sturz ins Krankenhaus muss. Am Ende deutet die vom Verlauf der Geschichte deutlich bewegte Rezensentin großmütterliche Hilfe bei der Abnabelung des jungen Mädchens an und verneigt sich vor der Babuschka genannten Großmama.

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