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Die Pläne, Hitler zu stürzen, sind vergleichsweise gut erforscht. Weidgehend unbekannt ist jedoch die nationalrevolutionäre Gruppierung aus dem Umfeld der berühmt-berüchtigten "Brigade Ehrhard", die vor allem seit 1938 bis 1940 mit eigenen konspirativen Plänen und Gesellschaftsentwürfen Einfluß auf den geplanten Staatsstreich der nationalkonservativen Opposition von Ludwig Beck und Carl Goerdeler zu nehmen versuchte. Zu diesem Netzwerk ehemaliger Freikorpskämpfer um Wilhelm Canaris und Hans Oster zählten unter anderem der spätere CSU- Landesgeschäftsführer Dr. Franz Maria Liedig und der im…mehr

Produktbeschreibung
Die Pläne, Hitler zu stürzen, sind vergleichsweise gut erforscht. Weidgehend unbekannt ist jedoch die nationalrevolutionäre Gruppierung aus dem Umfeld der berühmt-berüchtigten "Brigade Ehrhard", die vor allem seit 1938 bis 1940 mit eigenen konspirativen Plänen und Gesellschaftsentwürfen Einfluß auf den geplanten Staatsstreich der nationalkonservativen Opposition von Ludwig Beck und Carl Goerdeler zu nehmen versuchte. Zu diesem Netzwerk ehemaliger Freikorpskämpfer um Wilhelm Canaris und Hans Oster zählten unter anderem der spätere CSU- Landesgeschäftsführer Dr. Franz Maria Liedig und der im Zusammenhang mit dem 20. Juli 1944 hingerichtete SS-Führer Hartmut Plaas. Im Mittelpunkt des Buches steht Friedrich Wilhelm Heinz, der im Nachkriegsdeutschland den Nachrichtendienst im "Amt Blank" leitete. Heinz ist der Idealtypus des zwischen Links und Rechts, Rebellion und Abenteuer, Anpassung und Widerstand schwankenden nationalrevolutionären Freikorpskämpfers. Sein Lebensweg vom preußischen Leutnant des Ersten Weltkrieges zum Verschwörer gegen Hitler illustriert die Geschichte der Nationalrevolutionäre, ihren Anteil am Aufstieg der NSDAP und ihre Rolle und Bedeutung im konservativen Widerstand. Als rechtsextreme Aktivisten der völkisch-radikalen Freikorbs, Wehrverbände und Geheimbünde waren sie in die Pläne, Walther Rathenau zu ermorden, und in den Hitler-Putsch verstrickt. Als Nationalsozialisten der ersten Stunde legten sie die Fundamente für den Aufstieg der NSDAP. Im Kampf um den "wahren Nationalsozialismus" finden wir sie erst in den vordersten Reihen des Hitler-Putsches und wenige Jahre später in der Opposition gegen Hitlers Führung. In ihrem Unterfangen, das NS-Regime in den Jahren nach 1938 durch eine moderne Hohenzollernmonarchie zu ersetzen, blieben sie jedoch bis zuletzt historisch chancenlose Außenseiter.
Autorenporträt
Susanne Meinl wurde 1964 in Grebenhain / Hessen geboren. Sie studierte Geschichte an der Ruhr-Universität Bochum. "Nationalsozialisten gegen Hitler" ist ihr erstes Buch.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 22.05.2000

Hitlers unwillige Helfer
Auch Nationalsozialisten planten den Sturz des Führers
SUSANNE MEINL: Nationalsozialisten gegen Hitler; Die nationalrevolutionäre Opposition um Friedrich Wilhelm Heinz,
Siedler Verlag, Berlin 2000. 447 Seiten, 58 Mark.
September 1938: Während Hitler in der Sudetenkrise Europa an den Rand eines Krieges treibt, plant eine Verschwörergruppe um Generalstabschef Franz Halder, seinen Vorgänger Ludwig Beck und Hans Oster den Staatsstreich. Ein Stoßtrupp soll in die Reichskanzlei eindringen, den Diktator festsetzen und einen militärischen Konflikt mit der Tschechoslowakei und den Westmächten verhindern. Beck und Halder wollen Hitler nicht stürzen, sondern lediglich von seiner Kriegspolitik abbringen.
Es gibt jedoch eine „Verschwörung in der Verschwörung”: Treibende Kraft ist Friedrich Wilhelm Heinz (1899-1968), der das Stoßtruppunternehmen führen soll. Seit 1936 gehört Heinz, ein früherer Freikorps- und NSDAP-Aktivist, zum regimekritischen Zirkel um Hans Oster in der Abwehr, dem militärischen Geheimdienst. In Absprache mit Oster und mit alten Weggefährten aus der rechtsradikalen Wehrverbandsszene, die ebenfalls zur Abwehr fanden, verfolgt Heinz nun den Plan, Hitler zu ermorden und das NS-Regime durch eine konstitutionelle Hohenzollernmonarchie zu ersetzen. Das Einlenken der Westmächte auf der Münchner Konferenz entzieht aber allen Umsturzbestrebungen die Grundlage.
Den Ereignissen vom September 1938 hat die Widerstandsforschung stets große Aufmerksamkeit gewidmet. Wenig war allerdings über den lebensgeschichtlichen Hintergrund von Männern wie Heinz bekannt, die zunächst die Demokratie von Weimar bekämpften, nach 1933 aber bald auf partiellen Oppositionskurs zum Hitler-Regime gingen. Man hat es hier mit dem Milieu der „Nationalrevolutionäre” zu tun, die rechtsextremes Gedankengut mit kapitalismuskritischen Vorstellungen verbanden. Die Bochumer Historikerin Susanne Meinl hat dazu ihre Dissertation veröffentlicht, in der sie die Entwicklung nationalrevolutionärer Kreise in der Weimarer Republik und der NS-Zeit anhand der Biografie von Heinz untersucht. Der Widerstand gegen Hitler ist dabei – anders als der Buchtitel es nahe legt – nur ein Aspekt in einer Reihe wechselnder Frontstellungen und Bündniskonstellationen.
Als Freikorpskämpfer gehörte Heinz fast allen wichtigen rechtsradikalen Verbänden der Weimarer Republik an. Nach der Rückkehr aus dem Ersten Weltkrieg stieß er zur „Brigade Ehrhardt”, dem schlagkräftigsten unter den Freikorps, und beteiligte sich 1920 am Kapp-Putsch. Dessen Scheitern wurde für junge Konterrevolutionäre wie Heinz zum Schlüsselerlebnis: In ihren Augen hatte das Zögern der alten Reichswehrelite den Umsturz verhindert, und hier zeichneten sich bereits die beiden Paradigmen ab, die Heinz´ Werdegang wie ein roter Faden durchziehen: die Aversion gegen das Bürgertum wilhelminischer Prägung und der Konflikt mit alten Autoritäten.
Nach der Auflösung der Brigade Ehrhardt war Heinz in deren Nachfolgeverband, der terroristischen „Organisation Consul” (OC), in Hessen aktiv und in die Morde an Erzberger und Rathenau ebenso verwickelt wie in die Vorbereitung des Hitler-Putsches. Bald jedoch geriet er als Mitherausgeber der Zeitschrift „Wiking” (wie sich die OC jetzt nannte) in Konflikt mit Kapitän Ehrhardt, der sich jede Kritik der „jungen Generation” an überkommenen Ritualen verbat. Heinz wandte sich jetzt dem „Stahlhelm” zu, dem mitgliederstärksten der antirepublikanischen Wehrverbände. Als Hauptschriftleiter der „Standarte” im Umfeld Ernst Jüngers war er auch hier den konservativ-monarchistischen Führungskräften ein Dorn im Auge. Mit seinem Plädoyer für einen „Frontsozialismus” gab er sich deutlich als Parteigänger des „Neuen Nationalismus” zu erkennen.
Neue Heimat
Nun war es die NSDAP und vor allem deren „linker” Flügel um Otto Straßer, die Heinz 1928 eine politische Heimat boten. Der Parteiausschluss ließ wiederum nicht lange auf sich warten: Heinz unterstützte die Bombenanschläge der Bauern der Landvolkbewegung, störte damit den Legalitätskurs der NSDAP und agitierte überdies gegen die „verbonzte” Münchner Parteiführung, ihr Bündnis mit der Industrie und ihre außenpolitische Frontstellung gegen die Sowjetunion. Die Idee des Nationalsozialismus werde durch die Partei des Nationalsozialismus verraten, so der Vorwurf von Heinz, den er 1931 – inzwischen als Journalist und Autor von Freikorpsromanen erfolgreich – als Vorsitzender des elitären „Nationalverbandes deutscher Schriftsteller” auch an die Adresse von Alfred Rosenbergs konkurrierendem „Kampfbund für deutsche Kultur” richtete.
Zwar begrüßte 1933 auch Heinz, jetzt wieder im „Stahlhelm”, die Errichtung eines autoritären Führerstaates, gleichzeitig brachte ihn aber die gewaltsame Gleichschaltungspolitik bald in Teilopposition zum neuen Regime. Überdies war er nicht ungefährdet: Viele seiner früheren Gegner in der NSDAP waren in einflussreiche Positionen gelangt und er stand beharrlich im Geruch, ein sowjetischer Agent zu sein. Die Protektion von Abwehr-Chef Canaris verschaffte ihm 1936 schließlich eine sichere Stellung in der Abteilung von Oster. Auch wenn Heinz hier mit großem Eifer im Dienste des Systems tätig wurde, so muss die alltägliche Erfahrung des realen Nationalsozialismus bei Teilen der Abwehr doch zu einer tiefen Desillusionierung geführt haben. Auch nach 1938 wurden in der Abwehr immer wieder Staatsstreichpläne gegen Hitler erwogen, die aber ins Leere liefen. An den Vorbereitungen des 20. Juli nicht aktiv beteiligt, musste Heinz in den letzten Kriegsmonaten gleichwohl vor der Gestapo untertauchen.
Susanne Meinl hat das Bild vom deutschen Widerstand zweifellos um einen wichtigen Aspekt erweitert. Ihre Studie ist eine Ereignisgeschichte mit einer ungewöhnlich hohen Faktendichte. Die Fülle des verarbeiteten Materials ist beeindruckend, zumal der Blick nicht starr an der Person von Heinz haften bleibt. Gerade deswegen dürfte es dem Leser aber auch nicht leicht fallen, den Überblick zu behalten, auch wenn die Darstellung bei aller Faktenschwere in einem durchaus erzählenden Tonfall gehalten ist. Umso bedauerlicher ist es, dass dem Buch ein resümierendes Schlusskapitel fehlt.
Dass die Rolle der nationalrevolutionären Opposition im „historiographischen Niemandsland” (Meinl) bislang unerforscht blieb, hat damit zu tun, dass deren Protagonisten kaum zu persönlicher Identifikation und – weltanschaulich zwischen allen Stühlen sitzend – schon gar nicht zu politischer Legitimation taugen. Gerade daran aber war die Geschichtsschreibung lange Zeit interessiert. Das Ende des Kalten Krieges hat hier eine Erweiterung des Blickfeldes ermöglicht. Gleichzeitig geht es Meinl aber auch darum, neurechten Kreisen entgegenzuwirken, die unter Hinweis auf den nationalrevolutionären Widerstand die Geschichte eines „guten” Nationalsozialismus zu konstruieren bestrebt sind. Das Muster für eine solche Weißwäsche lieferte Armin Mohler schon 1949, als er den intellektuellen Teil des Weimarer Rechtsradikalismus unter die Rubrik „Konservative Revolution” stellte, dessen Opferrolle bei der NS-Gleichschaltung nach 1933 herausstrich und damit vom Nazismus Hitlerscher Prägung befreite. Gegen solche Tendenzen ist eine seriöse Beschäftigung mit Leuten wie Friedrich Wilhelm Heinz notwendig, auch wenn dadurch der Widerstandsbegriff seine notwendige Bindung an moralische Integrität verliert.
HUBERT LEBER
Der Rezensent ist Historiker
in Frankfurt.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.06.2000

Ein Mann mit terroristischer Erfahrung
Friedrich Wilhelm Heinz: Regionalleiter der Organisation Consul und verhinderter Hitler-Attentäter

Susanne Meinl: Nationalsozialisten gegen Hitler. Die nationalrevolutionäre Opposition um Friedrich Wilhelm Heinz. Siedler Verlag, Berlin 2000, 448 Seiten, 58,- Mark.

Kaiserenkel als "Führer"-Nachfolger: Davon träumte der ehemalige preußische Leutnant und Mitarbeiter des Amtes Ausland/Abwehr im Oberkommando der Wehrmacht, Friedrich Wilhelm Heinz, als ihm der Leiter der Zentralabteilung der Abwehr, Hans Oster, im September 1938 den konspirativen Auftrag erteilte, einen Stoßtrupp zur Festnahme Adolf Hitlers zusammenzustellen. Etwa zwei Dutzend alte Kameraden aus der Freikorps- und Wehrverbandsszene der zwanziger Jahre, längst enttäuschte Wegbereiter des Nationalsozialismus, erklärten sich bereit, in die Reichskanzlei einzudringen. Heinz schwebte damals eine moderne Variante der Hohenzollern-Monarchie vor - mit seinem Freund Prinz Wilhelm (Sohn des gleichnamigen und durch die Flucht nach Holland im November 1918 in Verruf gekommenen Kronprinzen) als "deutscher Volkskönig" und Staatsoberhaupt.

Der nationalrevolutionäre Aktivist der ersten Stunde verfügte über umfangreiche terroristische Erfahrungen. Mit der "Brigade Ehrhardt" nahm Heinz 1920 am Kapp-Putsch und mit der SA 1923 am Hitler-Putsch teil, als regionaler Leiter der berühmt-berüchtigten "Organisation Consul" und des Nachfolgeverbandes "Bund Wiking" war er in Fememorde und Attentate auf Erzberger, Scheidemann und Rathenau verstrickt. Nacheinander hatte er herausgehobene Positionen im "Stahlhelm. Bund der Frontsoldaten", in der SA, im Strasser-Flügel der NSDAP und wieder im "Stahlhelm" inne. Auch als Redner, Romanautor und Redakteur trat Heinz hervor. Im Mai 1927 zog er sogar gegen den vorgespielten Frontsoldaten-Habitus von Joseph Goebbels zu Felde und warf ihm "nationalsozialistisches Maulheldentum" vor; die Frontkämpfer des Weltkrieges waren noch darauf bedacht, sich von den Straßenschlägern der NSDAP abzusetzen. Heinz propagierte den "nationalen Sozialismus" der Strasser-Brüder, was im Frühjahr 1930 zum Ausschluss aus der NSDAP führte. Trotzdem bemühte er sich um Wiederaufnahme, doch Parteiführer Hitler entschied höchstpersönlich, dass "F.W. Heinz nie mehr in die Partei aufgenommen wird".

Kurze Zeit leitete Heinz das Büro des Freikorpsveteranen Korvettenkapitän a.D. Hermann Ehrhardt und verfasste den Roman "Sprengstoff". Dabei stand nicht - wie etwa bei Ernst Jüngers "In Stahlgewittern" - das Fronterlebnis im Mittelpunkt, sondern das gegen die Weimarer Republik gerichtete Freikorpslebensgefühl.

Der "Stahlhelm"-Führer musste 1933 nach der "Machtergreifung" zunächst tatenlos zusehen, wie der Frontsoldatenbund zum reinen Kriegsveteranenverein degradiert wurde. Beruflich ging es erst wieder aufwärts, als der Ehrhardt-Intimus Wilhelm Canaris 1935 die Leitung des Amtes Ausland/Abwehr übernahm. Zum 1. April 1936 trat Heinz in das Referat III c 3 ein und überwachte die Zeitungspresse und den Buchmarkt; insbesondere Spionagereißer und autobiographische Berichte aus der Fremdenlegion waren dem Amtschef, der selbst den Nimbus des Meisterspions pflegte, ein Dorn im Auge.

Susanne Meinls Bochumer Dissertation über Heinz und sein Umfeld untersucht ein kaum erforschtes Kapitel deutscher Militärgeschichte. Das persönliche Netz zwischen den Aktivisten der völkisch-radikalen Freikorps, Wehrverbände und Geheimbünde legt sie überzeugend frei und bietet eine wahre Fundgrube bisher unbekannter biographischer Details.

Ausgerechnet die Abenteurer- und Landsknechtsnaturen um Heinz waren im September 1938 Hitlers Todfeinde. Sie unterschieden sich fundamental von der eher informellen "Antikriegs-Partei" (so Klaus-Jürgen Müller) in Militär und Diplomatie, die sich im Frühjahr/Sommer 1938 aus Kriegsfurcht formiert hatte. Hohe Amtsträger - unter ihnen Canaris, Generalstabschef Halder und Staatssekretär von Weizsäcker - wollten den durch Reichsaußenminister von Ribbentrop angeblich nur schlecht beratenen Hitler von einem kleinen Krieg gegen die Tschechoslowakei abhalten, weil daraus allzu leicht ein großer Krieg gegen die Westmächte entstünde. Sie zogen einen Staatsstreich - wenn überhaupt - höchstens als verzweifelten letzten Schritt bei einem Angriffsbefehl Hitlers in Betracht. Im Grunde waren sie überzeugt, dass ein vielleicht scheiternder Putsch einen Weltkrieg oder ein erfolgreicher Umsturz sogar einen Bürgerkrieg auslösen würde.

Im Verantwortungsbereich der Repräsentanten der "Antikriegs-Partei" fanden überzeugte Gegner des Nationalsozialismus zusammen, die den verbrecherischen Charakter des NS-Regimes durchschaut hatten und Hitlers Vabanquepolitik in der Krise um die Tschechoslowakei zum Anlass für einen Coup d'État nehmen wollten. Treibende Kräfte waren neben Oster der Kommandeur des Wehrkreises III, Erwin von Witzleben, Regierungsrat Hans-Bernd Gisevius und andere. Die Verschwörer fürchteten, dass eine Ermordung Hitlers zu einer Neuauflage der Dolchstoßlegende führen könnte. Daher kam für sie nur eine Festnahme Hitlers und anschließend dessen Verurteilung vor einem Tribunal oder aber Hitlers fachärztliche Untersuchung zur Einweisung in eine geschlossene Anstalt in Frage.

Solche Bedenken mussten den Stoßtrupp-Leuten um Heinz weltfremd vorkommen. Weil sie übrigens nie in der ihnen zugedachten Funktion zusammenkamen, darf man sich die Attentätergruppe eher als eine Namensliste und keinesfalls als ein entsprechend trainiertes Himmelfahrtskommando vorstellen.

Eine große Schwäche aller drei Fraktionen innerhalb der heterogenen "Septemberverschwörung" bestand darin, dass sie das eigene Handeln abhängig machten "von äußeren Faktoren, die sie kaum beeinflussen konnten". Mit dem Münchener Abkommen lenkte Hitler ein, so dass die "Antikriegs-Partei" in Berlin die Rettung des Friedens als großen Erfolg ansah.

Heinz und andere Nationalrevolutionäre gehörten während des Zweiten Weltkrieges zeitweise der legendären Abwehr-Einheit "Brandenburg" an, die schnell von Regiments- auf Divisionsstärke anwuchs. Trotz gezielter Personalpolitik gelang es Hans Oster nicht, als Lehre aus den Erfahrungen des Septembers 1938 die neue Verfügungstruppe der Abwehr zu einer Staatsstreichtruppe des Widerstandes umzufunktionieren. Daher war beispielsweise Heinz in die unmittelbaren Vorbereitungen des Stauffenberg-Attentats offensichtlich nur ganz am Rande eingeweiht. Allerdings erlebte der zum Leiter des Wehrmachtstreifendienstes im Wehrkreis III abgestiegene schwatzhafte Abwehrspezialist den 20. Juli 1944 unmittelbar an einem Hauptort des Geschehens - im Bendlerblock. Später vorübergehend verhaftet, tauchte er schließlich in Berlin unter - und 1950 in Bad Godesberg wieder auf. Zum Leiter des Nachrichtendienstes im Bundeskanzleramt gekürt, konnte er sich bis zu seiner Ablösung im Jahr 1953 in Konkurrenz zur Organisation Gehlen und zum Bundesamt für Verfassungsschutz noch einmal im alten Metier ausleben.

Die ungewöhnliche Wiederverwendung lastet Susanne Meinl dem Leiter der Hauptabteilung für innere Angelegenheiten und späteren Chef des Bundeskanzleramtes, Hans Globke, an. Unter ihm habe die nationalsozialistische Vergangenheit von Mitarbeitern wie Heinz keine Rolle gespielt, ja, sei "als lässliche Jugendsünde betrachtet" worden. Nahe liegender ist es sicherlich, die Bundesrepublik-Karriere des Friedrich Wilhelm Heinz mit seiner nachrichtendienstlichen Tätigkeit für die Alliierten nach 1945 und mit seiner undurchsichtigen Widerstandsvita zu erklären.

RAINER BLASIUS

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rainer Blasius ist sehr angetan von dieser Dissertation. Es behandele ein weitgehend unerforschtes Thema, so der Rezensent erfreut, und biete viele unbekannte biografische Hinweise über Heinz und seinen Kreis. Die Autorin lege die Beziehungen zwischen den völkisch-radikalen Freikorps, Wehrverbänden und Geheimbünden "überzeugend frei", lobt der Rezensent. Nur der These Meinls, dass die Nachkriegskarriere Heinz` dem Leiter der Hauptabteilung für innere Angelegenheiten und späteren Chef des Bundeskanzleramtes, Hans Globke, zu verdanken sei, widerspricht Blasius. Doch das schmälert seine Wertschätzung der Untersuchung in keiner Weise, wie er betont.

© Perlentaucher Medien GmbH