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Eine überraschende Wiederentdeckung des genialen Autors des Schlemihl: die 1836 erschienene und seither verschollene Sammlung von Geschichten über Räuber, Betrüger und Mörder, untreue Ehefrauen und hartnäckige Verführer. Ein literarischer Frühlingsstrauß!Adelbert von Chamisso hat in dieser Geschichtensammlung eine Art Grimms Märchenschatz zusammengetragen: Er präsentiert ein Panoptikum der Halunkerei. Belustigt, lakonisch und unvoreingenommen erzählt er von großen und kleinen Gaunereien.In einer wundervollen Sprache, einem völlig eigenständigen Ton, der Märchen, Volkssage und Bericht zugleich…mehr

Produktbeschreibung
Eine überraschende Wiederentdeckung des genialen Autors des Schlemihl: die 1836 erschienene und seither verschollene Sammlung von Geschichten über Räuber, Betrüger und Mörder, untreue Ehefrauen und hartnäckige Verführer. Ein literarischer Frühlingsstrauß!Adelbert von Chamisso hat in dieser Geschichtensammlung eine Art Grimms Märchenschatz zusammengetragen: Er präsentiert ein Panoptikum der Halunkerei. Belustigt, lakonisch und unvoreingenommen erzählt er von großen und kleinen Gaunereien.In einer wundervollen Sprache, einem völlig eigenständigen Ton, der Märchen, Volkssage und Bericht zugleich entlehnt ist, lesen wir Verblüffendes und Empörendes über zwei Gauner, die sich vor Gericht bringen lassen, um dort sowohl den Richter als auch die Gerichtsdiener zu bestehlen. Auch von einem Huhn wird berichtet, das wie der Papst gerufen wird und dessen Besitzerin die Inquisition droht. Wir erfahren etwas über eine trickreiche Verführung, einen Ehebruch und die Bestrafung der Untreue. Über eine seltsame Höllenmaschine, aber auch Neues über Robin Hood und Falstaff.Der weitgereiste Chamisso weiß von vielen Verbrechen und Vergehen zu berichten, begangen nicht nur von Deutschen oder Engländern, Christen oder Juden, denn: "Spitzbuben gibt es unter allen Nationen und von allen Religionen."
Autorenporträt
Adelbert von Chamisso, zum ältesten lothringischen Adel gehörend, wurde 1781 in der Champagne geboren und starb 1838 in Berlin. Der berühmte Autor Peter Schlemihls wundersamer Geschichte war mit Varnhagen von Ense ebenso wie mit E.T.A. Hoffmann befreundet. Seine Reise um die Welt zählt zu den wichtigsten Reisebeschreibungen des 19. Jahrhunderts. In seiner Lyrik zeigt er sich nicht nur als nüchtern-kritischer Beobachter der gesellschaftlichen Wirklichkeit sondern auch als genialer Schriftsteller für eine breite Leserschicht.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.10.2007

Wer Glück hat, endet am Galgen
Adelbert von Chamissos Galerie der pfiffigsten Schliche / Von Thomas Wagner

An Dreistigkeit herrscht kein Mangel, besonders, wenn sie als "christliche Teilung" auftritt. Die Geschichte geht so: Ein Taschendieb schleicht auf einem Jahrmarkt umher und zieht einem Fremden den Geldbeutel aus der Tasche. Im selben Moment wird er vom herandrängenden Volk gegen den Bestohlenen geschoben, der sogleich den Verlust bemerkt und ausruft: "Halt! Ein Dieb!" Schlagfertig ruft der Gauner: "Wem gehört dieser Beutel?" - und hält denselben hoch. "Mir, Freund, mir!", entgegnet der Andere. "Das ist mir lieb", versetzt darauf der Dieb, "auch mir ward eben mein Beutel gestohlen und nun werdet Ihr schon aus Billigkeit und Dankbarkeit mir Ersatz geben."

Weil er den Beutel angeblich dem Dieb entrissen, den eigenen aber verloren hat, soll der Bestohlene den Schaden mit ihm teilen. Als dieser sich weigert und sein Geld zurückverlangt, bedrängt ihn die Menge und bezichtigt ihn der Undankbarkeit. Also wird der Schaden geteilt: Fünfzig Thaler, ein Diebsgeselle bezeugt es, hätten sich in dem angeblich entwendeten Beutel befunden; in dem "gefundenen" sind vierundzwanzig und ein halber. Ergo schuldet der Bestohlene dem Dieb noch einen halben Thaler. Doch weil der Schurke nicht kleinlich ist, schenkt er ihm diesen, samt dem leeren Beutel.

Im Kerzenschein der Romantik macht sich so manch zweifelhaftes Subjekt davon. Und derer sind wahrlich viele. Was es da nicht alles gibt: Einer stiehlt aus Frömmigkeit, und der berühmte Falstaff verkleidet sich als jämmerlich klagendes Weib und nutzt schamlos das Mitleid eines vorbeikommenden Kaufmanns aus. Man trifft ebenso auf Spieler, die betrügen, indem sie auf die Leidenschaften ihrer Opfer setzen, wie auf Eremiten, denen ihre Lüsternheit zum Verhängnis wird. Und es gibt den "Müller Warnlieb", der Minna, die Gattin des Barbiers, so hinterlistig umschmeichelt, dass er am Ende sein eigenes und "das Verlangen der Frau befriedigen und dennoch sein Geld sparen kann".

Oder nehmen wir Will Dudley aus England ("dem Lande, in welchem das Rauben am Zunftmäßigsten betrieben wird"), der es so toll treibt, dass er sich - nur um prahlerisch seine Kunst zu demonstrieren - anheischig macht, einem "Herrn den Rock vom Leibe zu stehlen, und das nicht etwa mit Gewalt, sondern vor den Augen aller seiner Begleiter". Doch, ach, wenige "Jahre darauf erfolgte die Erhöhung, welche sich Will Dudley durch seine Pfiffe und Kniffe zugezogen hatte. Diese Erhöhung war aber nicht besonders beneidenswert, da sie am Galgen stattfand."

Zusammengetragen und aufgeschrieben hat all die Gaunergeschichten Adelbert von Chamisso, der Autor des "Peter Schlemihl", in dem es ebenfalls um List, Täuschung und allerlei Versprechen geht, will der Teufel doch partout Schlemihls Seele gewinnen. Wie eine Herausgeberfiktion klingt die Geschichte von der Entdeckung der kleinen Gaunerschrift. Gerd Schäfer, der sie herausgegeben hat, berichtet in seinem Nachwort, wie ihn ein bibliographisches Indiz auf die Spur der bis dato gänzlich unbekannten Stücke gebracht hat. Schließlich findet er die Kuriosität in den "Altbeständen" der Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt, "die nach 1945 infolge Bodenreformen mitsamt Enteignungen anfielen".

Chamisso, 1781 als Louis Charles Adélaïde de Chamissot und viertes von sieben Kindern des Grafen Louis Marie de Chamissot auf Schloss Boncourt bei Chalons-en-Champagne geboren und 1838 in Berlin gestorben, war ein Entwurzelter. Im Jahr 1790 verließen die Eltern das Schloss, 1792 auf der Flucht vor den Revolutionsheeren Frankreich. Nach allerlei Irrfahrten und manchem erduldeten Elend verschlug es die Familie nach Preußen, wo der Sprössling "Edelknabe" der Gemahlin Friedrich Wilhelms II. wird, 1798 in den Kriegsdienst eintritt und von 1804 an, mit den Freunden des romantischen Dichterkreises "Nordsternbund", darunter Julius Eduard Hitzig, Friedrich de la Motte Fouqué und Karl August Varnhagen von Ense, den "Berliner Musenalmanach" herausgibt. Nach einer "Reise um die Welt in den Jahren 1815 - 1818" wird er 1819 Kustos am königlichen Herbarium im Botanischen Garten in Berlin.

Man merkt es den erstmals 1836 publizierten Geschichten an, dass Chamisso kühnen Gaunereien wohlwollend gegenüberstand. War es die grundstürzende Einsicht der Frühromantik, dass alles in der Welt auch ganz anders sein könnte, so schließt das die Umverteilung des Eigentums ein. Kein Wunder also, wenn "Mob, ein berüchtigter Gauner", einem Kornhändler Ware und Geld abnimmt und diesem, als er von Gerechtigkeit spricht, entgegenhält: "Tut Ihr denn recht, wenn Ihr das Getreide aufkauft, damit es teuer werde, und dann zu hohen Preisen wieder verkauft?"

Chamisso geht in den sechsunddreißig Geschichten scheinbar den geraden Weg der Erfahrung, worin man durchaus den Naturforscher und Weltreisenden zu erkennen glaubt; auch wenn der eine oder andere - in der ersten Geschichte ist es kein Geringerer als Robin Hood - mit dem Teufel im Bunde zu sein scheint oder es ihm zum Vorteil gereicht, wenn die, die er umgarnt, es glauben. Was Chamisso fasziniert, ist die Kunst der Täuschung und der List, sind all die Tricks, Pfiffe und Kniffe, mit denen sich Betrüger und Beutelschneider, Schmeichler und Glücksritter aus dem Stegreif hervortun, um die Reichen und Knauserigen, die ängstlich um ihren Besitz bangen, zu becircen und um Schmuck und Barschaft zu erleichtern. Hier und da endet ein ganz Schlauer am Galgen, kommt die Moral zu ihrem Recht, doch wird sie dem Leser nicht aufgedrängt.

So ist der Gauner der zwar an Geld arme, an Erfindungsgabe aber reiche Kreative. Als missratener Bruder des Künstlers weiß er, welche Mittel zum Ziel führen. Gewitzt setzt er seine Schauspielkunst ein, um der Wahrheit auf die Schliche zu kommen - auch wenn diese nur in dem Wissen besteht, wo der Reiche seine Geldschatulle versteckt hat. Dabei ist es stets die Beredsamkeit, das sprachliche "Gratisfeuerwerk", das die Schelme abbrennen, um ihre Opfer zu täuschen, das sie dem Dichter verwandt erscheinen lässt. Also machen wir uns nichts vor: Betrüger sind wir am Ende doch alle.

Adelbert von Chamisso: "Die Gauner. Galerie der pfiffigsten Schliche und Kniffe berüchtigter Menschen". Herausgegeben von Gerd Schäfer. Verlag Matthes & Seitz, Berlin 2007, 156 S., geb., 16,80 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Ganz amüsiert ist Rezensent Thomas Wagner über diese spät wiederentdeckte "kleine Gaunerschrift" von Chamisso. Er erzählt uns einige dieser Geschichten und auch ein wenig von der Fluchtgeschichte von Chamissos Eltern und seinem eigenen Wanderleben. Er berichtet von der Wiederentdeckungsgeschichte dieser "Kuriosität" in Sachsen-Anhalt, die im Nachwort von Gerd Schäfer genauer nachgezeichnet wird. Wagner betont, dass Chamisso ganz offensichtlich der "Umverteilung des Eigentums" frühromantisch-freundlich gegenüber stand. Den Dichter habe "die Kunst der Täuschung" interessiert, und die komme in den sechsunddreißig hier vorliegenden Geschichten oft im Gewand der "Beredsamkeit" daher. Insofern sei der Gauner wohl ein "missratener Bruder des Künstlers", so der Rezensent.

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