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Produktdetails
  • Verlag: Matthes & Seitz Berlin
  • 2000.
  • Seitenzahl: 208
  • Deutsch
  • Abmessung: 230mm
  • Gewicht: 380g
  • ISBN-13: 9783882218046
  • ISBN-10: 3882218045
  • Artikelnr.: 08960151
Autorenporträt
Raimon Panikkar, promovierter Naturwissenschaftler, Philosoph, Theologe, geb. 1918 in Barcelona als Sohn eines hinduistischen Vaters und einer katholischen Mutter, vereinigt in seiner Person abendländisches Christentum und indische Spiritualität. Er lehrt u.a. an Universitäten in Madrid, Rom, Cambridge, Harvard, Mysore und Varnasi (Benares).
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Der Rezensent Lorenz Jäger ist sehr enttäuscht. Die Gespräche des 1918 geborenen Philosophen und katholischen Priesters Raimon Panikkar mit Constantin von Barloewen und Axel Matthes über Toleranz, Weltreligionen und die Transformation des Geistes bleiben auf der Ebene eines "Reden über", "bei dem der Gehalt, dessen man uns versichert, nicht mitgeteilt wird", meint Jäger. "Spannungslose Interviews", in denen an den entscheidenden Stellen nicht nachgefragt wurde. Die Gespräche liegen zehn Jahre zurück. Auch das bemängelt der Rezensent, denn manches sei inzwischen widerlegt worden, anderes schlicht "ein Neuaufguss der Kulturkritik in ihrer flachsten, unphilosophischsten Form". Das kritische Denken Panikkars komme hier in einem naiven Globalzugriff zum Tragen, der den Leser zur Verzweiflung bringe: "Die geistige Transformation wird verkündet, gefordert, propagiert, aber findet nicht statt." Abgesehen von einigen wenigen einleuchtenden Sätzen rät der Rezensent vom Kauf dieses Buches ab: "Über das Paradies sollte man keine Vorträge halten. Und einen Weisen interviewt man nicht", urteilt Jäger.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.12.2000

Vielleicht hat man alle Antworten, aber welche Fragen?
Niemals hat man einen braven Philosophen so verstreut gesehen: Die Gespräche mit Raimon Panikkar / Von Lorenz Jäger

Wie redet man mit einem, der erklärt, er sei grundsätzlich tolerant? Die Wahrscheinlichkeit ist groß, daß man von ihm auf die entscheidenden Fragen keine Antwort bekommt - oder sie wird so lauten wie jene, die Raimon Panikkar im Gespräch mit Axel Matthes und Constantin von Barloewen gibt: "Wir werden keine Meinung verabsolutieren und uns dem Dialog öffnen." Damit ist man indes noch keinen Schritt weitergekommen. "Letzten Endes bietet der Pluralismus die Grundlage für echte Toleranz", erklärt Pannikar weiter. Aber will, wer das Gespräch mit einem Philosophen sucht, der zugleich Priester ist, nicht mehr über sein Leben erfahren? Ist es nicht die Aufgabe des Philosophen, die fragliche Sache zur Klärung zu bringen? Und will man vom Priester nicht, neben dem weitesten menschlichen Verständnis, auch eine gültige Aussage?

Panikkars Antworten bleiben allzuoft bei "Ja und Nein" oder "Sowohl als Auch", die die Sache weniger klären als verschieben. Kann, so wird gefragt, die Religion in der Industriegesellschaft weiterbestehen? "Man muß irgendwie die Industriegesellschaft verwandeln, und gleichzeitig wird die Industriegesellschaft auch die betreffende Religion verwandeln. Hier schlage ich wiederum den mittleren Weg vor" - eine Auskunft, mit der niemandem geholfen ist.

Raimon Panikkar wurde 1918 als Sohn einer katholischen Spanierin und eines hinduistischen Inders geboren. Nach dem Studium der Chemie wandte er sich der Philosophie und Theologie zu, er studierte vor dem Krieg in Deutschland und lehrte später in Harvard. Unter seinen Freunden und Gesprächspartnern finden sich so illustre Namen wie Mircea Eliade und Martin Heidegger. Als katholischer Priester ist Panikkar bis heute der indischen Diözese Benares zugeordnet, lebt aber einen Teil des Jahres in Spanien. Die Brücke zwischen den Religionen zu schlagen, ein Verhältnis von Christentum, Hinduismus und Buddhismus zu finden, ist der Inhalt seines umfangreichen Lebenswerks.

Die "multireligiöse Erfahrung", von der Panikkar spricht, ist gewiß eines der wichtigsten Gegenwartsprobleme. Denn die Gesellschaft, die kommt, wird nicht nur multiethnisch, sondern auch und vor allem multireligiös sein, mit allen Folgeproblemen - ein Faktum, das die liberalen Anwälte des Multikulturellen leicht übersehen, weil sie selbst mehrheitlich religiös indifferent sein dürften.

Panikkars wichtigstes Anliegen ist eine spirituelle Kritik des Westens. Die Fragen seiner Gesprächspartner machen es ihm leicht, den "Logomonismus" und die Spezialisierung des Wissens zu tadeln. Nachgefragt wird kaum. Obwohl der Philosoph sich zum Fürsprecher des "dialogischen", nicht "dialektischen" Dialogs macht, der die Teilnehmer nicht nur berührt, sondern verwandelt, bleibt es in diesem Buch zumeist bei Vorsätzen, bei einem "Reden über", bei dem der Gehalt, dessen man uns versichert, nicht mitgeteilt wird. Panikkar äußert sich zu religiösen Themen und erklärt zwischendurch, daß er sich "für den Frieden" einsetzt. Kein Gespräch wird hier geführt, sondern ein spannungsloses Interview. Auch haben die zehn Jahre, die zwischen den Befragungen und ihrer Publikation verstrichen sind, dem Buch nicht gutgetan. Manches ist im Text stehengeblieben, was in der Zwischenzeit schlicht widerlegt wurde: Wenn Panikkar die Diskussion über Aids in Afrika abwehrt - "Jeder Mensch spricht von Aids, keiner spricht von Malaria, weil Malaria kein Geschäft ist, weil die pharmazeutischen Konzerne kein Business mit Malaria machen können" -, entpuppt sich das Urteil als Vorurteil. Mag sein, daß es ein priesterliches ist.

Anderes wirkt wie ein Neuaufguß der Kulturkritik in ihrer flachsten, unphilosophischsten Form, bei der nur herauskommt, daß der Kritiker selbst sich für einen Durchblicker hält: "Ich habe den Verdacht, daß die Massenbegeisterung, ein Foto der Erde aus einem Satelliten zu haben, auf diesen Verlust des Symbols zurückzuführen ist. Anscheinend haben diese Leute nie eine Landschaft oder einen Sonnenuntergang wirklich gesehen, genossen . . ."

Verlust des Symbols, westlicher Rationalismus, Sinnleere, Demokratie und Technik - es sind die üblichen Verdächtigen, die uns vorgeführt werden. Nicht daß Kritik hier ausgeschlossen sein sollte - nur ihre so völlig erwartbare Form, ihr naiver Globalzugriff bringt den Leser zur Verzweiflung. Die geistige Transformation wird verkündet, gefordert, propagiert, aber findet nicht statt.

"Ich glaube nicht an Systeme", sagt Panikkar, "weil sie irgendwie ein a priori für das Leben und das Sein darstellen." Gefragt, wie eine systemlose Welt aussehene könne, fügt er an: "Sehr schön, bunt, frei, verblüffend und glücklich." Tausendmal gehört, ist dieser Satz trotzdem falsch. Daß die tiefsten Systematiker zugleich Menschen mit der breitesten Weltkenntnis waren, hat einen Grund. Erst ein strukturiertes Denken mit einem dogmatischen Kern schafft überhaupt die Aufmerksamkeiten, nervösen Sensitivitäten, Antennen, Resonanzböden für das, was nicht aufgeht. Wer die Regel nicht kennt, ist für die Ausnahme blind.

Das Buch wäre nicht so enttäuschend, wenn es nicht das Höchste versprechen würde. Fast möchte man dem Käufer empfehlen, nur die Zwischentitel zu lesen, sich von ihnen bezaubern zu lassen und sich dann, wie der junge Jean Paul, der sich die schönsten Bücher nicht leisten konnte, selbst an die Niederschrift zu machen: "Der kosmische Christus - Christentum und Judentum - Pluralismus", "Engel und Potenzen - Krise des Abendlandes - Verschiedene Modernitäten". Man kann Pannikar die Einsichten nicht absprechen, die er in einem langen Leben zwischen den Kulturen und den Religionen gewonnen hat. Hier und da findet man in dem Buch einen schlagenden, einleuchtenden Satz. Aber es bleibt bei verstreuten Momenten. Über das Paradies sollte man keine Vorträge halten. Und einen Weisen interviewt man nicht.

Raimon Panikkar: "Das Abenteuer Wirklichkeit". Gespräche über die geistige Transformation. Geführt mit Constantin von Barloewen und Axel Matthes. Herausgegeben von Bettina Bäumer. Verlag Matthes & Seitz, München 2000. 208 S., geb., 46,- DM.

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