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Eine Geschichte von Sehnsucht und Verlangen in einer deutschen Kleinstadt, die Suche nach Glück und dessen Scheitern. Die Unausweichlichkeit des Schicksals setzt Michael Roes in diesem dichten Roman spannungsvoll und literarisch genau in Szene.Stefanos wächst auf in einer deutschen Kleinstadt. Die banale Tristesse des Alltags versucht er durch ein Doppellebenzu durchbrechen: Tagsüber treibt er Sport mit einem philosophierenden Trainer in einer heruntergekommenenTurnhalle, die Nächte verbringt er als unnahbarer Barkeeper in einer Cocktailbar. Seine alternde Stiefmutter ekelt sich vor ihrem sich…mehr

Produktbeschreibung
Eine Geschichte von Sehnsucht und Verlangen in einer deutschen Kleinstadt, die Suche nach Glück und dessen Scheitern. Die Unausweichlichkeit des Schicksals setzt Michael Roes in diesem dichten Roman spannungsvoll und literarisch genau in Szene.Stefanos wächst auf in einer deutschen Kleinstadt. Die banale Tristesse des Alltags versucht er durch ein Doppellebenzu durchbrechen: Tagsüber treibt er Sport mit einem philosophierenden Trainer in einer heruntergekommenenTurnhalle, die Nächte verbringt er als unnahbarer Barkeeper in einer Cocktailbar. Seine alternde Stiefmutter ekelt sich vor ihrem sich verändernden Körper und sehnt sich nach der Jugendlichkeit Stefanos. Ihr Sehnen wird zu Verlangen und ein tragisches Schicksal von antikem Ausmaß bahnt sich an.Mit dem Auge des Ethnologen und der poetischen Kraft des Dichters führt Michael Roes den Leser durch eine spannende und betörende Geschichte, in der er den Phädra-Mythos heraufbeschwört. Die Grenzgänge und Erkundungen zwischen Generationen, Kulturen, Lebensentwürfen und den Geschlechtern scheitern schließlicham Unvermögen der Verständigung. In all der tragischen Ausweglosigkeit lässt Michael Roes überraschend Momente der Hoffnung und des Glücks aufschimmern.»(...)die Vielschichtigkeit der Erzählweise, die den Roman sonst auszeichnet: so wenn Roes leichthin die Perspektiven mischt und wechselt; wenn er in Anlehnung an Pasolini die archaische Gegenwelt in afrikanischen Fantasien aufsucht; wenn er dem fetsisch Auto als Ersatzkörper entlarvt; wenn er seine Leitmotive, die gezeichnete Haut und den Vorrang des Körpers, zu tragenden Elementen der Geschichte macht.« Dorothea Diekmann in »Die Zeit«, März 2008
Autorenporträt
Roes, MichaelMichael Roes wurde 1960 in Rhede geboren. Er ist Romancier, Dichter und Filmemacher, dessen Werke häufig Begegnungen mit nicht-europäischen Kulturen thematisieren. Roes ist viel und weit gereist - in den Jemen, nach Israel, Nordamerika, Algerien, Mali und China. Die Erfahrungen, die er auf seinen Reisen sammelt, schlagen sich auch in seiner Arbeit nieder. 1997 wurde Roes für seinen Roman Leeres Viertel der Literaturpreis der Stadt Bremen verliehen.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 19.02.2008

Christos kam nur bis Kleve
Hoher Ton vom Niederrhein: Michael Roes’ Roman „Ich weiß nicht mehr die Nacht”
Dass hier alles übersteuert ist, gehört zum Programm. Schon in den ersten Sätzen merkt man: Michael Roes will etwas anderes darstellen als bloß eine trostlose Adoleszenz am Niederrhein. Seine Sprache ist offensiv expressionistisch, da ist alles überreizt und will etwas Höheres. Die Sentenzen und erzählerischen Arrangements können gar nicht pathetisch genug sein, und dann sind da auch noch die Körperflüssigkeiten: Roes kultiviert eine schwarze Sinnlichkeit. Die trübe Natur und die trübe Landschaft in der Rheinniederung erscheinen sofort in einer existentiellen Dimension: die Düsternis, der Dreck, die Exkremente, das Grau. Natürlich passt so ein hoher Ton umso besser, je mehr die Hauptfigur gerade im Begriff ist, ins frühe Erwachsenendasein hinüberzugleiten.
Stefanos ist der Sohn eines aus Griechenland stammenden Gebrauchtwarenhändlers. Er will nichts wie weg aus dieser Gegend, weg aus dieser Familie mit dem Vater, der sich von ein paar krummen Geschäften ernährt, der mittelalten Stiefmutter, die mit dem Verblühen ihres Körpers zu kämpfen hat und dem Onkel Derek, der in dieser provinziellen Szene eine Art König der Unterwelt darstellt, mit Schiebereien, illegalem Glücksspiel und anderen klein- bis mittelkriminellen Bestrebungen.
Stefanos hat die Schule abgebrochen und arbeitet als Barkeeper, vor allem aber ist er Turner und stählt seine Muskeln am Barren und an den Ringen. Die Atmosphäre in der alten Turnhalle, der Geruch nach Männerschweiß durchweht die ersten Seiten und stimmt auf die Schwüle ein, die das ganze Buch prägt.
Es ist kein Zufall, dass der alte Turnlehrer, der die Anweisungen gibt, Timon heißt – wie Timon von Athen. Denn das griechische Szenario mit Christos, dem Gebrauchtwagenhändler und dem Körperkult führt unmittelbar in die Antike. Michael Roes hat ein Ziel vor Augen: das alte, klassische Drama, mit all den stilisierten, familiären Engführungen, mit all der zeit- und alterslosen Wucht, in die Gegenwart zu versetzen – in die letzten Ausfransungen Westdeutschlands, kurz vor der holländischen Grenze.
Ein Krieger im Einkaufszentrum
Da knirscht es natürlich im Gebälk, da rattern die Scharniere. Stefanos fährt mit dem Motorrad an Einkaufszentren, Reihenhäusern und Rasenflächen entlang, aber im Grunde steckt er in einer erhabenen Rüstung dabei, ein eherner Krieger. Es sind nur wenige Figuren, die den Roman bevölkern, sie begegnen sich wie zufällig in diversen Konstellationen, bleiben in groben Umrissen gezeichnete Charaktere. Die Sex- und Gewaltphantasien der RTL 2-Kleinbürger, die in einer raschen Szenenfolge geschildert werden, sind von einem antiken Maßstab des menschlichen Geschicks her konzipiert. Bösewicht Derek bringt die bereits halb welke Parvenüfrau Zoe zu einem One-Minute-Stand auf dem Autovordersitz im Parkhaus, Anna grapscht sich sich den russischen Einwanderersohn Stanislaw zu einer kurzen schmerzhaften Nummer unter einem Brückenbogen an der „Rheinbracke”.
Stefanos aber erlebt ein seltenes Glück zu dritt mit einem Aussteiger namens Tristan und einem blonden Mädchen, das er „Goldmarie” nennt – dieses Schäferstündchen ist unverkennbar der Gegenentwurf zur Tristesse. Der Romantitel „Ich weiß nicht mehr die Nacht” stammt daher: Es ist eine Zeile aus einem Gedicht des griechischen Nobelpreisträgers Odysseas Elytis, das Stefanos seinen Gespielen auf ihrer abgeschirmten Rheininsel rezitiert.
Hohes und Niederes prallen hier also durchaus angestrengt aufeinander, das Griechische wird kunterbunt durchsetzt mit deutschen Mythen; und außerdem taucht in Stefanos immer wieder ein afrikanisches Sehnsuchtsmotiv auf – der Ethnologe Michael Roes hat einiges an kulturellem Repertoire aufgeboten. Leider bewegt sich die Sprache in seinem Text nicht immer auf der Höhe der angestrebten Gedanken. Es gibt etliche Schludrigkeiten, und manche Passagen wirken allzu plump ausgedacht und einfallslos.
Das steht in einem merklichen Kontrast zur inhaltlichen Überinstrumentierung und schadet dem Reiz, den das alles haben könnte. Es ist für dieses Buch merkwürdig charakteristisch, wie Stefanos über den Schulunterricht bei Pastor Stricker sinniert: „Ihm hätte ich ohne jedes Schuldgefühl die Kinderlähmung an den Hals gewünscht, denn nichts anderes war er für uns: Kinderlähmung”. Nicht immer ist eine Idee so gut, dass man mit ihr gleich einen Roman strecken kann. HELMUT BÖTTIGER
MICHAEL ROES: Ich weiß nicht mehr die Nacht. Roman. Verlag Matthes & Seitz, Berlin 2008. 226 Seiten, 19,80 Euro.
Ein Geruch von Männerschweiß durchweht die alte Turnhalle. Foto: plainpicture
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Nicht recht begeistern kann sich Helmut Böttiger für Michael Roes' neuen Roman "Ich weiß nicht mehr die Nacht". Das Buch scheint ihm ambitioniert, zu ambitioniert. Hohes und Niederes stoßen aufeinander, ohne dass das in seinen Augen wirklich funktionierte. Dem Autor gelingt seines Erachtens nur bedingt eine überzeugende Umsetzung seiner Idee, das klassische griechische Familiendrama in die Gegenwart einer spießigen Reihenhauswelt am Niederrhein zu versetzen. Böttiger konstatiert eine "inhaltliche Überinstrumentierung", die keine angemessene Form findet. Vieles wirkt auf ihn bemüht: der hohe expressionistische Ton, die Einbeziehung von griechischen und deutschen Mythen, das afrikanische Sehnsuchtsmotiv. Auf der anderen Seite hat er sprachliche Nachlässigkeiten zu monieren und Passagen, die "allzu plump ausgedacht und einfallslos" daherkommen.

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