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Als Welt-Krieger wusste Ernst Jünger, wovon er schrieb: er war dabei, er zeugte, er war der Zeuge und beanspruchte dadurch eine höhere Autorität. Seine Schrift Der Arbeiter (1933) sollte als "kleine Kampfmaschine" die Zukunft einer "neuen Rasse" beschwören. Das tut sie als Politische Theologie, als ein Gründungswerk, das sich theologisch legitimiert. Doch Jünger scheitert. "Die Autorität des Zeugen" zerbricht nicht am Krieg, doch an der Shoah. Versuche, in den Schmerz des Ereignisses einzutauchen, schlagen fehl.Trawnys Buch zeichnet den Aufstieg und den Absturz Jüngerscher Zeugenschaft bis in…mehr

Produktbeschreibung
Als Welt-Krieger wusste Ernst Jünger, wovon er schrieb: er war dabei, er zeugte, er war der Zeuge und beanspruchte dadurch eine höhere Autorität. Seine Schrift Der Arbeiter (1933) sollte als "kleine Kampfmaschine" die Zukunft einer "neuen Rasse" beschwören. Das tut sie als Politische Theologie, als ein Gründungswerk, das sich theologisch legitimiert. Doch Jünger scheitert. "Die Autorität des Zeugen" zerbricht nicht am Krieg, doch an der Shoah. Versuche, in den Schmerz des Ereignisses einzutauchen, schlagen fehl.Trawnys Buch zeichnet den Aufstieg und den Absturz Jüngerscher Zeugenschaft bis in die Nachkriegszeit nach. Bisher unveröffentlichte Manuskripte und Briefe zeigen, inwiefern Jüngers spätere Versuche, sich als Unpolitischen zu inszenieren, als Vertuschung anzusehen sind.
Autorenporträt
Trawny, PeterPeter Trawny, 1964 in Gelsenkirchen geboren, ist Philosoph und lehrte an den Universitäten Wuppertal, Wien und Shanghai. Er ist Mitherausgeber der Martin Heidegger-Gesamtausgabe und Autor zahlreicher Bücher.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.12.2010

Gott und die Kampfmaschine

Formierung eines totalitären Imperiums im Zeichen der Technik: Peter Trawnys Studien zu Ernst Jüngers "Arbeiter" zeigen diesen widersprüchlichen Schlüsseltext der Moderne in neuem Licht.

Wie sind noch mal die Kontroversen um Ernst Jüngers Verhältnis zum Nationalsozialismus ausgegangen? Es gab einen Freispruch in den schwerwiegendsten Anklagepunkten, verbunden mit der Auflage, dass im Führungszeugnis Jüngers eine Verstrickung gespeichert bleibt. Nachteile bringt dem Verstorbenen dieser Eintrag nicht - im Gegenteil akzentuiert er seinen Ruhm als Repräsentant und Diagnostiker historischer Wendungen im 20. Jahrhundert.

Die Biographien von Heimo Schwilk und Helmuth Kiesel haben ihm imposante, aber nicht unkritische Denkmale gesetzt. Für die nähere Zukunft ist die Hauptaufgabe der Jünger-Forschung die Erschließung des Nachlasses in Marbach - Helmuth Kiesels Herausgabe des Kriegstagebuches 1914-1918 war ein wichtiger Schritt. Peter Trawnys Studie ist ein weiterer, etwas kleinerer. Das Buch widmet sich unter anderem dem Manuskript von "Der Arbeiter. Herrschaft und Gestalt", analysiert also den ideologisch härtesten Guss aus Jüngers Schmiede. Der 1932 veröffentlichte Essay diente als wichtigstes Beweismittel für den Vorwurf, der Autor sei ein Wegbereiter Hitlers gewesen. Ernst Jünger feierte darin die Formierung eines totalitären Imperiums im Zeichen des globalen Siegeszugs der Technik. Allerdings sorgte er auch mit Hingabe dafür, dass sein vieldeutiges Manifest für keine entscheidende antiliberale Kraft annehmbar war: Dem Nationalsozialismus, der im Text nicht einmal erwähnt wurde, fehlte Blut und Boden, dem Kommunismus das ökonomisch-materialistische Denken.

Peter Trawny kontrastiert die veröffentlichte Version des "Arbeiters" mit der Handschrift und skizziert anhand von Briefwechseln und Rezensionen die nationalrevolutionäre Ideenwelt, der der Essay entstammt. Die grundsätzliche Kritik vorweg: Der Fassungsvergleich hätte ausführlicher ausfallen müssen, um weiteren Interpreten Arbeitsgrundlage zu sein; Trawny konzentriert sich mehr auf Jüngers Denken und Autorschaftsverständnis als auf das Philologische. Zum Trost bietet der Philosophieprofessor auf nur zweihundert Seiten eine Fülle anregender Einsichten und Gedanken.

Wie Trawny darlegt, enthält der Originaltext mehr nationalistische Passagen, ursprünglich war als Schlusskapitel gar die "Apotheose Deutschlands" geplant. Offenbar bildete sich Jüngers tendenziell nationsneutrale, planetarische Perspektive erst im Entstehungsprozess des Essays in den Jahren 1930 bis 1932 heraus, sie löste die nationalistische Stoßrichtung jedoch nicht gänzlich ab: Der "Aufgang des Arbeiters" sollte ein "neuer Aufgang Deutschlands" sein.

Kein Zweifel: Der "Arbeiter" sollte als Kampfschrift gegen die Weimarer Republik politisch wirksam sein - als "kleine Kampfmaschine", wie Jünger zitiert wurde. Erst im Rückblick bevorzugte der Autor eindeutig die zeitdiagnostischen Züge des Essays gegenüber den agitatorischen. Ursprünglich sah er in ihm Krönung und Konsequenz seines nationalrevolutionär verschärften Schrifttums, mehr noch: "Hiermit denke ich dann meine schriftstellerische Tätigkeit im Wesentlichen abgeschlossen zu haben."

Bekanntlich war das ein Irrtum. Nichtsdestotrotz: Der "Arbeiter" - in Trawnys Studie zu Recht als Schlüsselwerk interpretiert - blieb ein Gedankengut, mit dem sein Schöpfer lange haderte. Wie Trawny anhand von Archivfunden zeigt, hat Jünger nach seiner selbst so bezeichneten "theologischen Wende" der dreißiger Jahre noch bis 1964 versucht, eine Neufassung oder einen zweiten "theologischen Teil" des "Arbeiters" zu schreiben; er scheiterte mehrfach schon im Ansatz und beließ es schließlich bei "Adnoten". Die Frage, die Ernst Jünger umtrieb, lautete: Wie steht die Gestalt des Arbeiters zu Gott? Peter Trawnys Buch führt allerdings in eine andere Richtung: zur Feststellung eines Autoritätsverlusts Ernst Jüngers. Trawny zufolge haben Autoren als geistig-politische Sinnstifter nach dem sinnzerbrechenden Holocaust generell ausgedient. Seine Argumentation beruft sich auf das Autoritätskonzept der Politischen Theologie Carl Schmitts. Die Darstellung ist in sich schlüssig, doch bleibt die Sicht der Rezipienten aus dem Spiel: Wie verträgt sich der angebliche Autoritätsverlust Jüngers mit der Tatsache, dass nicht wenige Leser ihm Autorität zusprechen?

FELIX JOHANNES ENZIAN.

Peter Trawny: "Die Autorität des Zeugen". Ernst Jüngers politisches Werk.

Matthes & Seitz, Berlin 2009. 208 S., geb., 22,80 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Felix Johannes Enzian lobt in Peter Trawnys jüngstem Buch einen weiteren Schritt zur kritischen Sichtung des Ernst-Jünger-Nachlasses. Der Rezensent beschränkt sich dabei auf Trawnys Untersuchungen der Textfassungen von Jüngers "Der Arbeiter. Herrschaft und Gewalt", einem Text, der ihm das Etikett eines "Wegbereiter Hitlers" eingetragen hat. Der Autor vergleicht die veröffentlichte Fassung von 1932 mit der Handschrift und wenn er auch nicht so philologisch gründlich vorgeht, wie sich der Rezensent das gewünscht hätte, lässt sich aus der Analyse von Jüngers Denkbewegungen und seinem Verständnis von Autorenschaft dennoch viel Erhellendes und Anregendes gewinnen, wie Enzian lobt. Er folgt Trawny in der Einschätzung, dass dieser Text einen "Schlüsseltext" darstellt. Auch die Schlussfolgerung, dass er in den versuchten Überarbeitungen nach 1945 einen "Autoritätsverlust" des Schriftstellers markiert, interessiert Enzian. Er stellt allerdings fest, dass dieser Befund in auffälligem Gegensatz zur Wahrnehmung der Jünger-Rezipienten steht, was vom Autor unberücksichtigt bleibe.

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