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Produktdetails
  • Verlag: Frauenoffensive
  • Seitenzahl: 239
  • Abmessung: 215mm
  • Gewicht: 358g
  • ISBN-13: 9783881043182
  • ISBN-10: 3881043187
  • Artikelnr.: 25276817
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.04.2000

Urgeschichte mit Kittelschürze
Gabriele Meixner verwechselt die Prähistorikerin Marie König mit der Mutter des Matriarchats

Die tiefe Sehnsucht des Feminismus nach weiblichen Lichtgestalten schlägt sich in Biografien gelegentlich als überraschende Harmoniesucht nieder. Die Bücher Alice Schwarzers über Marion Gräfin Dönhoff oder Romy Schneider haben gezeigt, dass Emanzipation zwar gegen männliche Anfeindungen, nicht aber gegen weiblichen Glamour feit.

In der Tradition solcher Anverwandlungen befindet sich Gabriele Meixner, die das Leben der Prähistorikerin Marie E. P. König aufgeschrieben hat. Bereits in den achtziger Jahren wertete die Frauenbewegung Marie Königs Erkenntnisse zum Beweis für das Ur-Matriarchat um. Die Laienforscherin, die manchen Strauß auf Kongressen und Podien ausgefochten hatte, wehrte sich vergeblich gegen diese Vereinnahmung: "Gerade in meinem Forschungsbereich habe ich gegen die Lehren ankämpfen müssen, die - den jeweiligen Moden folgend - den Höhlenkult mal als ,Jagdzauber', ,Totemismus', ,Schamanismus' oder als ,Sexualmagie' erklärten oder vom vorzeitlichen ,Matriarchat' sprachen." Eins schien ihr so falsch wie das andere. "Jahrtausende menschlicher Geschichte zum Herrschaftsbereich der Frau zu erklären, nur weil zahlreiche weibliche Darstellungen gefunden wurden", halte sie für unzulässig.

Wie konnte dieses Missverständnis passieren? Wie konnte aus der forschenden Hausfrau, die ohne das Geld und die Geduld ihres Mannes nicht ein Buch herausgebracht, kaum eine Höhle gesehen hätte, die Legende von der feministischen Höhlenexpertin, ja der revolutionären Exegetin des Matriarchats werden?

Marie König wurde 1899 als Marie Schwager in Forst in der Lausitz geboren. Mit vierzehn Jahren fand sie ihr erstes prähistorisches Steinwerkzeug, ein inzwischen fast legendenhaft kolportiertes Schlüsselerlebnis. Mit einundzwanzig nahm sie eine Stelle als Lehrerin in einem Kinderheim an, zwei Jahre später heiratete sie Heinrich König und zog ins Saarland. Erst 1946 betrat sie die Höhlen von Lascaux, doch der Effekt war gewaltig. In den folgenden fünfunddreißig Jahren stieg sie siebenundzwanzigmal hinab, vor allem in die Höhlen der Île-de-France.

Ihre Thesen mussten die etablierte Wissenschaft herausfordern. König deutete die Tiere, Striche, Kreise und Kreuze nicht als naturalistische Abbildungen, sondern als Ausdruck einer zusammenhängenden Weltsicht. Der Mensch in der Steinzeit habe nicht - wie man bis dahin in Anlehnung an die Ethnologie schloss - Jagdszenen oder Fruchtbarkeitsriten aufgezeichnet, sondern über einen hohen Grad an Abstraktionsvermögen, ja an wissenschaftlichen Kenntnissen verfügt. An den Wänden der Höhlen glaubte Marie König Hinweise auf den Mondkalender zu finden. Drei oder neun Striche, ein Stier, dessen Hörner Mondsicheln gleichen, und immer wieder runde, "mondförmige" Frauenstatuen galten ihr als Indizien für das Wissen über lunare Zyklen und einen steinzeitlichen Reinkarnationsglauben. Diese philosophisch-künstlerische Erklärung stellte nicht nur die Deutung der Zeichnungen als "männliche" Jagdmagie in Frage. Der neolithische Mensch, so legte sie nahe, war nicht viel primitiver als wir.

Das Echo war rau. Die etablierte Prähistorie verspottete sie. Ihr erstes Buch "Am Anfang der Kultur" war wirtschaftlich ein Reinfall. Erst im hohen Alter würdigte man ihre Leistung. Eine Höhle wurde nach ihr benannt, Künstler fühlten sich durch ihre Arbeit inspiriert, die Menschen strömten in ihre Vorträge. Der kritiklose Ruhm stellte sie typischerweise so wenig zufrieden wie der böse Spott der Anfänge. Wenn die Zuhörer nun nur noch kämen, "um mich zu sehen", monierte sie, "dann kann ich mich auch hinsetzen und Freiübungen machen. Dann geht es nicht mehr um meine Arbeit."

Von solcher selbstbewussten Ironie trennt Gabriele Meixner so viel wie Lascaux vom Louvre. Die Autorin gibt sich keine Mühe, ihre Ergriffenheit anlässlich des ersten Besuchs bei der inzwischen siebenundachtzigjährigen Marie König zu verbergen: "Eine große Frau . . . ihr weißes Haar schön gelegt." Die "eigentümlich brüchige Stimme" habe "jedem Wort ein besonderes Timbre" gegeben. "Machen Sie weiter", habe die Greisin ihr zugeraunt, immer noch "eine imposante und durchgeistigte Erscheinung". Es war, wie die Autorin sich heute schaudernd entsinnt, "ein Vermächtnis". Das ist nicht der nüchterne Ton einer Marie König, die die Rückkehrer eines Höhlenausflugs mit einem fröhlichen "Haben Sie die Vulva gesehen?" empfing. So schreibt man Hagiographien.

Insofern erstaunt es wenig, dass sich die Autorin nach Kräften müht, die streitbare Forscherin von jedem Streitpunkt rein zu waschen. Maries Mann hat im Krieg Aufträge für die Organisation Todt bearbeitet - eine historische Fußnote angesichts des Schicksals der "Saar-Flüchtlinge", zu denen auch die Königs gehörten. Natürlich trägt der männliche (!) Forschungsbetrieb ganz kleine Karos und neidet der aufrechten Amateurin die geistige Unabhängigkeit. Dass sie ihre Thesen zwar kühn, aber oft auch arrogant vertrat, dass sie nicht nur Visionen hatte, sondern auch mit großer Naivität begabt war - diese Widersprüche verblassen.

Schlimmer noch, am liebsten nähert sich die Autorin ihrer Heldin gebückt - durch den breiten, seichten Strom des Privaten watend. Aus dem Unternehmer-Haushalt bastelt sie eine Puppenstube des Wirtschaftswunders, mit Hedwig, der Hausangestellten, erstem Auto und Schnellkochtopf. Wir lernen viel über die Gastfreundschaft der Königs, "mit allem Komfort, nicht zu vergessen die köstliche Verpflegung durch Hedwig". Einmal im Jahr, berichtet Frau Meixner glücklich, habe Herr König sogar die Schwestern des Evangelischen Krankenhauses eingeladen: "Im Garten waren Tische gedeckt, und die weißen Hauben und schwarzen Schwesterntrachten müssen einen reizvollen Kontrast zum Meer der Rosen gebildet haben." Da ist das Buch bei sich selbst angekommen: Marie König schenkt als Doris Day der Urgeschichte Kaffee aus. Schwarzweiß, wohin man schaut. Und über allem liegt der süße, schwere Duft der Rosen.

SONJA ZEKRI.

Gabriele Meixner: "Auf der Suche nach dem Anfang der Kultur". Marie E. P. König. Eine Biographie. Verlag Frauenoffensive, München 1999. 239 S., br., 39,80 DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Marie König hat eine solche Biografie nicht verdient, findet Sonja Zekri. König habe sich nicht nur stets dagegen gewehrt, dass ihre ?Erkenntnisse zum Beweis für das Ur-Matriarchat? umgedeutet werden. Auch der (Selbst-) Ironie der Forscherin wird die Autorin hier nicht annähernd gerecht, wie Zekri feststellt. Diese Biografie zeige vielmehr Anzeichen einer Heiligenverehrung, bei der Meixners Anstrengungen, Marie König in ungetrübt strahlendem Licht erscheinen zu lassen, stets im Vordergrund stehen. Nicht, dass die Rezensentin Königs Verdienste selbst anzweifelt. Ihr gefällt jedoch der unterwürfige Stil nicht, mit dem sich die Autorin Marie König nähert. Regelrecht genervt zeigt sich die Rezensentin da, wo Meixner auf das scheinbar so idyllische Privatleben Königs eingeht. Vom Schnellkochtopf bis zur Gartenparty ist da die Rede: ?Marie König schenkt als Doris Day der Urgeschichte Kaffee aus?, wie die Rezensentin mit spitzer Feder anmerkt.

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