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Das Buch befasst sich mit Existenzbedingungen und Identitätssuche der arabisch-palästinensischen Bevölkerung in Israel - einer Minorität, die eigentlich auch außerhalb des Nahen Ostens Beachtung verdiente, von der jedoch bis in die jüngste Zeit wenig Notiz genommen wurde. Erst seit Beginn der 1990-er Jahre wuchs mit den Veränderungen der jüdisch-arabischen Beziehungen das Interesse an der palästinensischen Bevölkerung in Israel und diesem Interesse wird auch das von Uta Klein herausgegebene Buch gerecht. Es enthält Beiträge von namhaften Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen aus…mehr

Produktbeschreibung
Das Buch befasst sich mit Existenzbedingungen und Identitätssuche der arabisch-palästinensischen Bevölkerung in Israel - einer Minorität, die eigentlich auch außerhalb des Nahen Ostens Beachtung verdiente, von der jedoch bis in die jüngste Zeit wenig Notiz genommen wurde. Erst seit Beginn der 1990-er Jahre wuchs mit den Veränderungen der jüdisch-arabischen Beziehungen das Interesse an der palästinensischen Bevölkerung in Israel und diesem Interesse wird auch das von Uta Klein herausgegebene Buch gerecht. Es enthält Beiträge von namhaften Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen aus Deutschland und (mehrheitlich) aus Israel, in denen Diskriminierung und Benachteiligung der arabisch-palästinensischen Minderheit durch israelische Behörden analysiert und ihre Wirkung auf das Selbstbewußtsein der Betroffenen beschrieben werden. In den Blick kommen das Erziehungs- und Bildungswesen, die Städteplanung, das Rechtswesen, die Stellung der Frauen in der traditionellen Gesellschaft sowie das Wahlverhalten der arabisch-palästinensischen Bevölkerung. Die Befunde legen einen Kurswechsel der israelischen Politik nahe und sind daher auch für eine Urteilsbildung in Europa, in Deutschland von Belang.
Autorenporträt
Dr. phil. Uta Klein, geboren. 1958, ist Professorin für Soziologie, Gender und Diversity und Leiterin der Gender Research Group, Institut für Sozialwissenschaften, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind Geschlechterforschung, Diversity und Antidiskriminierung; Gleichstellungspolitik der EU; Israelische Gesellschaft, Militär und Gender.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 03.11.2003

Die Grenze im Kopf
Araber und Israelis leben gemeinsam getrennt
UTA KLEIN (Hrsg.): Die Anderen im Innern. Die arabisch-palästinensische Bevölkerung in Israel, Wochenschau-Verlag; Schwalbach 2002. 158 Seiten, 14,50 Euro.
„Die Ereignisse vom Oktober 2000 ließen die Erde beben. Die Unruhen im arabischen Sektor des Staates Israel Anfang Oktober waren beispiellos.” Mit diesen Worten beginnt der Bericht, den eine israelische Untersuchungskommission am 2. September 2003 vorlegte. Nach dem provokativen Besuch Ariel Scharons auf dem Tempelberg, begleitet von Hunderten israelischer Polizisten, hatten damals israelische Araber demonstriert, Straßen zerstört, Steine geworfen und Reifen angezündet. Die israelische Polizei hatte daraufhin Scharfschützen eingesetzt und 13 Araber erschossen. Die von der Regierung eingesetzte Untersuchungskommission übte nach drei Jahren scharfe Kritik an der unprofessionellen Arbeit der Polizei, ihrer feindseligen Haltung gegenüber der arabischen Minderheit – und generell an der Regierungspolitik gegenüber dieser Gruppe, die als „primär vernachlässigend und diskriminierend” beschrieben wird.
Entfremdete Minderheit
Schon einen Monat nach den Schüssen verfasste ein Arbeitskreis von Wissenschaftlern einen „Notstandsbericht” und leitete ihn dem damaligen Premierminister Ehud Barak zu. Die Übersetzung dieses Notstandsberichts ins Deutsche bildet den Kern des Buches „Die Anderen im Innern”. In sechs Kapiteln wird systematisch die Benachteiligung der arabischen Bevölkerung in Israel aufgezeigt. Dringliche Forderungen an den Staat werden daraus abgeleitet – dringlich nicht nur aus humanitären und demokratischen Motiven, sondern auch wegen eines Staates, der auf die Dauer nicht gegen eine unterdrückte und entfremdete Minderheit zu sichern sei.
Die klare Sprache des Berichts ebenso wie der Untersuchungskommission ist ein ermutigendes Zeichen für die Kritikfähigkeit der öffentlichen Meinung in Israel auch in einer Zeit extremer Spannungen. Für die Perspektive einer Konfliktlösung ist es wichtig, dass die Außenwelt Kenntnis von der aktiven öffentlichen Meinung nimmt, die es in Israel nach wie vor gibt. Der „Deutsch-israelische Arbeitskreis für Frieden im Nahen Osten”, in dessen Schriftenreihe das Buch erschienen ist, hat seit Jahrzehnten dafür viel getan.
Als zentrales Problem definieren die Autoren der Denkschrift Landzuweisung und Raumplanung. Von Anfang an hat der Staat Israel in großem Stil das Land arabischer Bürger enteignet. In 80 Prozent des israelischen Territoriums wird es arabischen Bürgern de facto verwehrt, Land zu erwerben oder sich anzusiedeln. Jüdische und arabische Einwohner sind räumlich weitgehend segregiert, sie leben in unterschiedlichen Städten oder Stadtvierteln. Die arabische Minderheit ist räumlich immer weiter abgedrängt worden. Dutzende von arabischen Siedlungen werden nicht anerkannt; der Staat plant seit Jahren, sie zu evakuieren. Vor allem in diesen Siedlungen ist die Qualität der kommunalen Dienstleistungen defizitär.
Die Autoren fordern, die Definition von „jüdischem” Land zugunsten einer Gleichberechtigung aller Bürger Israels aufzugeben, ungenutztes enteignetes Land zurückzuerstatten, die bestehenden Siedlungen anzuerkennen und mit Wasser, Kanalisation und Strom zu versorgen sowie Kompensationen für die „historischen Ungerechtigkeiten” vorzusehen.
Für die arabischen Bürger Israels ist es sehr schwierig, Unternehmen zu gründen und zu betreiben, weil sie keine entsprechenden Grundstücke erwerben können. Sie sind deswegen weitgehend auf wenig attraktive Berufe im jüdischen Sektor beschränkt oder sie sind arbeitslos. „Jüdische Israelis haben sich daran gewöhnt, dass Araber und Araberinnen in Berufen mit niedrigen Einkommen und niedrigem Ansehen arbeiten.” Zugrunde liegt dem die staatliche Perzeption, die Araber seien eine demografische Gefahr und ein Sicherheitsproblem. Die räumliche Beengtheit hat Armut, Kriminalität und Kriminalisierung sowie ein hohes Maß an traditionalistischen Verwandtschaftsehen zur Folge.
Bisher bezieht sich der Staat Israel in seiner Selbstdefinition ausschließlich auf die jüdische Tradition. Angeregt wird in diesem Band nun eine Erweiterung, die es nichtjüdischen Bürgern möglich macht, eine positive Rolle im Gemeinwesen zu finden. Die Anerkennung des Traumas der „Naqba”, der Vertreibung vieler Palästinenser und der Zerstörung von 400 Dörfern und Städten, wird angeregt, ebenso die Anerkennung christlicher und moslemischer Feiertage. Die Etablierung eines arabischsprachigen Fernsehkanals und der Wiederaufbau des Bildungswesens, wie es vor 1948 existiert hatte, werden von den Autoren gefordert.
Einige Vorschläge betreffen den Kern des zionistischen Selbstverständnisses Israels, so die Frage der Definition des Landes als „jüdischer Staat”, die Nichtjuden ausschließt und tiefe Spuren in der Mentalität der Israelis hinterlassen hat. Polizei und Gerichte behandeln Araber anders als Juden, das Landenteignungsgesetz und die quasistaatliche Stellung des Jewish National Fund und der Jewish Agency schließen Nichtjuden aus. Eine näher liegende Grundforderung ist aber die Gleichbehandlung, vor allem die Zuweisung gleicher Budgets an die jüdischen und arabischen Kommunen.
Nicht zur Sprache kommt das Gesundheitssystem. Hier ist die Versorgungsqualität zwar ebenfalls nicht die selbe wie im jüdischen Sektor, es gibt aber doch viele, gut ausgebildete arabische Ärzte und professionelle medizinische Standards. Zusammen mit der Unterentwicklung des arabischen Sektors trägt dies zu hohen Geburtenzahlen bei. Speziell mit der Stellung der Frau befasst sich schließlich Herausgeberin Uta Klein. Sie verweist auf ein gewisses Ansteigen der Bildungserfolge von Mädchen, die aber hauptsächlich auf Christinnen entfallen und damit nicht auf staatliche, sondern auf christliche Schulen zurückzuführen sind. Frauen sind im öffentlichen Raum kaum präsent, die wenigen Frauen in politischen Gremien sind christlicher Herkunft. Einen Kern der Frauen-Problematik sieht Uta Klein in der familienrechtlichen Geltung der Scharia für Moslems in Israel, welche die Frauen in diesem entscheidenden Bereich gegenüber Männern weitgehend benachteiligt, ähnlich wie jüdische Frauen durch die Halacha benachteiligt werden.
Bei der Staatsgründung Israels waren ganze 150000 Palästinenser innerhalb der israelischen Grenzen verblieben, die große Mehrheit war vertrieben worden oder geflüchtet. Heute gibt es eine Million Araber im Kernland Israel, das ist ein Sechstel der Bevölkerung. Die hohen Geburtenraten sind auch ein Ergebnis der israelischen Politik, mit der die arabische Minderheit in sehr traditionellen Verhältnissen gehalten wird. Eine Parallele finden sie in den hohen Geburtenraten bei den ultraorthodoxen, jüdischen Gruppen. Zu erwarten ist deshalb, dass der Bevölkerungsanteil der arabisch-palästinensischen Bevölkerung in Israel weiter ansteigt. Nach dem Ende der Einwanderungswelle aus Russland ist andererseits keine weitere bedeutende jüdische Einwanderung mehr zu erwarten.
Eine konstruktive Regelung des Verhältnisses zur arabischen Minderheit wird damit zu einer Lebensfrage Israels. Sie erfordert Mut zu weit reichenden und großzügigen Reformen, da alles andere zu einer weiteren Zuspitzung der Gegensätze führen würde, insbesondere zu einer immer stärkeren Identifikation der palästinensischen Bevölkerung innerhalb Israels mit den Palästinensern in den besetzten Gebieten. Das Memorandum der israelischen Wissenschaftler ist daher ein Weckruf, der aber in den täglichen Horrornachrichten des israelisch-palästinensischen Konflikts weitgehend untergegangen ist. Um so wichtiger ist es, dass diese Stimmen auch außerhalb Israels gehört werden – auch im Kontext der engen Beziehungen zwischen der Europäischen Union und Israel und der damit verbundenen Einhaltung der Menschenrechte. Dazu ist die Publikation ein wichtiger Beitrag.
DIETRICH THRÄNHARDT
Der Rezensent lehrt Vergleichende Politikwissenschaft in Münster.
Blumen für die Toten: Ein palästinensischer Junge vor dem Grab eines „Märtyrers”, den die Israelis erschossen.
Foto: AP
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Dietrich Thränhardt hat diesen Sammelband, der vornehmlich die deutsche Übersetzung des Berichts israelischer Wissenschaftler nach den palästinensischen Unruhen 2000 in Israel enthält, mit großem Interesse und mit Zustimmung gelesen. "Systematisch" belege der Bericht die Benachteiligung der palästinensischen Bevölkerung in Israel und richte auf Grund dieser Erkenntnisse "dringliche Forderungen" an den israelischen Staat, schreibt der Rezensent. Er hält die "klare Sprache" des Buches für ein "ermutigendes Zeichen für die Kritikfähigkeit", die in Israel anzutreffen ist. Als Kernproblem definieren die Autoren die Besiedelungspolitik des israelischen Staates, aber ebenso problematisch finden sie die Bildungspolitik und die Definition Israels aus einer rein jüdischen Tradition heraus, die alle Nichtjuden ausschließt, fasst Thränhardt zusammen. Er kritisiert an dem Band lediglich, dass er das Gesundheitssystem ausschließt, da zumindest hier bereits positive Ansätze zu verzeichnen sind. Ansonsten aber lobt der Rezensent dieses Buch als "wichtigen Beitrag", die schwierige Situation des Landes auch außerhalb Israels präsent zu halten.

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