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Der Band GEDICHTE enthält sämtliche lyrischen Werke des Dichters und Nationalpreisträgers Jean Genet, die als bibliophile Erstausgaben-Einzelbände nur noch teilweise lieferbar sind: Der zum Tode Verurteilte, Der Fischer von Suquet, Ein Liebesgesang, Die Parade, Die Galeere, Trauermarsch und Der Seiltänzer (Übersetzung von Manon Griesebach).

Produktbeschreibung
Der Band GEDICHTE enthält sämtliche lyrischen Werke des Dichters und Nationalpreisträgers Jean Genet, die als bibliophile Erstausgaben-Einzelbände nur noch teilweise lieferbar sind: Der zum Tode Verurteilte, Der Fischer von Suquet, Ein Liebesgesang, Die Parade, Die Galeere, Trauermarsch und Der Seiltänzer (Übersetzung von Manon Griesebach).
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 17.01.2005

Der Glanz des bösen Hampelmanns
War er ein Antisemit? Französische Neuerscheinungen über Jean Genet
Seine Literatur hätte sich glätten und fast zwanzig Jahre nach seinem Tod in die Schullesebücher eingehen können. Mit den Theaterstücken Jean Genets ist das auch weitgehend geschehen. Fast alle gehören zum festen Repertoire, wirken aber mit ihrer umständlich demonstrativen Skandaldramaturgie heute wie ein Feuerwerk des Tabubruchs mit allzu langer Zündschnur. Anders die großen Romane aus der ersten Schaffensperiode des Autors. Ihre poetische Leuchtkraft lässt sich auch in Deutschland aktuell überprüfen, wo der Merlin-Verlag eine hervorragende Genet-Werkausgabe in Neuübersetzung herausbringt.
Wo der Bühnenautor den heutigen Leser schon lange nicht mehr und der Romanautor nur in literarisch subtiler Aufmachung herausfordert, eckt die öffentliche Figur, der von Black Panthers bis Palästina engagierte Schriftsteller und an politischer Ausgewogenheit nicht interessierte Zeitgenosse Jean Genet weiterhin an. Und da das Thema Antisemitismus nach Europa zurückkehrt, wird auch Genet davon eingeholt. War der Mann, der im Juni 1940 vergnügt notierte, ein Bataillon blonder Krieger „habe Frankreich lässig gefickt”, der von der Miliz schwärmte und später nuancenlos den palästinensischen Befreiungskampf verherrlichte, im Grunde Nihilist, Faschist, Antisemit? So und ähnlich wird in Frankreich wieder gefragt.
Immerhin sind die Autoren der entsprechenden Bücher und Aufsätze intelligent genug, dem Schriftsteller Genet nicht einfach moralisch den Prozess der politischen Korrektheit zu machen. Das würde den großen Zeremonienmeister des Bösen, des Tabubruchs und der Provokation noch im Grab freuen. „Que faire de Jean Genet?” wird aber, wie unlängst im Pariser „Magazine littéraire”, wieder allenthalben gefragt: Wie soll man heute Genet lesen?
Seit seinem Buch „Bref séjour à Jerusalem” (Gallimard, 2003) ist der Pariser Literaturprofessor Éric Marty wiederholt auf Genets Faszination für Mussolini, Hitler und die strammen deutschen Soldaten sowie auf antisemitisch deutbare Stellen im späten Werk zurückgekommen. Eine verklärende Auslegung des literarischen Sonderlings aus der Waisenanstalts- und Gefängniswelt habe - bei Sartre, Bataille, Derrida - diese Stellen gern überlesen. Genet ist, so Marty, durch keine psychoanalytische, soziologische oder existenzialistische Konstruktion zu entschärfen. Wie andere vor dem Bösen habe er eine tiefe, metaphysische Angst vor dem Guten gehabt, sein Werk sei, wie das Célines, nicht wegen, sondern trotz der Persönlichkeit des Autors als Beispiel großer, fragwürdiger Literatur zu lesen.
Die gerade bei Seuil erschienene Studie „Les vérités inavouables de Jean Genet” (Die nicht ganz eingestehbaren Wahrheiten Jean Genets) des jungen Historikers Ivan Jablonka geht diesen Weg weiter. Mehr als der Autor als solcher ist dessen Legende - an der er aktiv mitknüpfte - ihr Gegenstand, sie rennt dabei allerdings manche offenen Türen ein. Genet: der linke Parteigänger, der Kampfgenosse auf allen revolutionären Schauplätzen des zwanzigsten Jahrhunderts - von diesem Klischee haben wir uns längst verabschiedet. Der Schriftsteller hat in seinen Texten und Interviews genügend gezeigt, wie wenig sein stets konkretes, durch unmittelbaren Menschenkontakt motiviertes und ästhetisch geprägtes Engagement - die Schönheit des zum Tode verurteilten Häftlings oder des palästinensischen Fedajin - in eine allgemeine politische Logik zu bringen ist.
Ein behütetes Waisenkind
Wo Jablonka mit Archivmaterial arbeitet und biografische Gemeinplätze wie den von Genets tief unglücklicher Kindheit in der Waisenfürsorge untersucht, ist seine Studie aufschlussreich. Der Schriftsteller sei nicht zum Außenseiter, Rebellen und Straftäter geworden, weil die Gesellschaft ihn schon als Kind ausgeschlossen habe, sondern umgekehrt: Genet habe den Mythos des frühen Verstoßenseins gebraucht, um seinen späteren Pariser Intellektuellenfreunden im nachhinein seine Faszination für faschistische Rituale akzeptabel zu machen.
Die Auswertung des Genet-Materials in den Archiven der französischen Assistance publique, zu dem Jablonka erstmals Zugang hatte, relativiert tatsächlich das Bild von der unglücklichen Kindheit des Schriftstellers. Der Ende 1910 in Paris geborene, von seiner Mutter sofort der Waisenfürsorge anvertraute Knabe kam mit sieben Monaten in seine Gastfamilie des ländlichen Morvan, wo er bis zum 13. Lebensjahr blieb. Genet selbst hat dazu später lakonisch bemerkt, er sei bei Bauern im Morvan aufgewachsen, was nahe legt: harte Feldarbeit, strenge Disziplin, wenig Entfaltungsmöglichkeit. Jablonka weist nach, dass Genet in der Tischlerfamilie Regnier mehr Freizeit hatte als andere Waisenkinder, seinen Neigungen des Träumens und Lesens weitgehend nachgehen konnte und von seinen Adoptiveltern offenbar geliebt wurde. Die ruhigen Kindheitsjahre seien gerade das Gegenteil eines unglücklichen Waisenkinderschicksals, der Bruch sei erst später gekommen: Als der hochintelligente Junge statt ins Gymnasium in eine Berufsausbildung gesteckt wurde und das Ausreißen, der Zwangsaufenthalt im Erziehungsheim Mettray, das Landstreichertum und die bald periodische Gefängnishaft begannen.
Dass der dreißigjährige Genet sich 1940 über die französische Niederlage freute, ist - über die ästhetische Faszination für die hochgeschorenen Blondschöpfe in flotter Wehrmachtsuniform hinaus - vor allem als Genugtuung über die Demütigung des verhassten offiziellen Frankreich zu erklären. Den Schriftsteller deswegen ins Lager der Rechtsextremen, Kollaborateure und Vichy-Autoren Drieu La Rochelle, Brasillach, Laudenbach einordnen zu wollen, ist absurd. Der Ideologie von gesundem Volksgeist, Renaissance der europäischen Zivilisation und selbstaufopfernder Kollektivtugend stand Genet ferner als jeder andere.
Seine gelegentlich abschätzig-bösen Sätze gegen die Juden sind, wie Jablonka zugeben muss, frei von jeder Rassenlogik. So aussichtslos es einst war, Genet als Linksintellektuellen einzuspannen, so unmöglich ist es heute, ihn nachträglich in die rechtsextreme Ecke stellen zu wollen. Genet war der perfekte Verräter, sagt Albert Dichy, Mitherausgeber der Pléiade-Werkausgabe: Wenn er Hitler zugleich im Glanz des absolut Bösen und als Hampelmann mit erotischer Ausstrahlung darstellt, unterläuft das jede politische Doktrin.
Wie diese permanent umgepolte Verratslogik in den Texten funktioniert, lässt sich in den großen Romanen nachlesen. Auch der jüngst bei Merlin erschienene Band „Gedichte” (Gifkendorf 2004, 200 Seiten, 18,40 Euro) liefert Beispiele dazu. Entführe Kinder, erfinde Martern / Verstümmle die Schönheit, verunstalte die Gesichter, heißt es dort in „Der zu Tode Verurteilte” auf den 1939 hingerichteten Mörder Maurice Pilorge. Ein paar Strophen früher jedoch lesen wir: Man kann sich fragen, warum die Gerichte einen Mörder / Verurteilen, dessen Schönheit den Tag bleich werden läßt. Dahinter steht keine Ästhetik moralischer Hässlichkeit, sondern eine politisch nicht kürzbare Pietät vor dem Bösen, die das Rauchfass umso inniger schwingt, je näher die Gegensätze Gut und Böse beieinander liegen.
JOSEPH HANIMANN
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Ina Hartwig kann sich beim Lesen der Gedichte Jean Genets mit ihrer Mischung aus Pathos und Demut nicht des Gefühls erwehren, dass sie eigentlich nicht in unsere heutige Zeit passen. Und ob sie jemals in irgendeine Zeit gepasst haben, ist sie sich auch nicht sicher. Gerade auch durch die deutsche Übersetzung klinge manches Gedicht noch süßlicher, gesteht Hartwig und möchte doch für diese Gedichte, die für sie eher Gesänge darstellen, eine Lanze brechen, da man ihre Zeit und die düsteren Entstehungsbedingungen berücksichtigen müsse. Genets lyrisches Oeuvre ist klein und stammt größtenteils aus den 40er Jahren, als er noch nicht bekannt war, berichtet die Rezensentin. Genets Karriere als Pflegekind, Messdiener, Soldat und kleiner Delinquent sei zwar bekannt, doch sollte man nicht vergessen, betont Hartwig, dass man damals - als Genet zu schreiben begann - noch für Schwarzfahren und Bücherklauen ins Gefängnis wanderte. Dass sich der Verlag für eine zweisprachige Ausgabe engagiert hat, begrüßt Hartwig. Der Übersetzer habe eine interlineare Übertragung gewagt, was zur Folge habe, dass die Übersetzung reimlos bleibe, wo Genet gereimt habe: mit dem Vorteil der Nüchternheit, um den Preis einer dem Original fremden Melodik und der Chance für den Leser, Original und Übersetzung zu vergleichen, betont Hartwig.

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