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Jäger vergegenwärtigt eindrucksvoll den Lebensweg Walter Benjamins - und zeichnet zugleich ein faszinierendes Zeitbild der ersten Jahrhunderthälfte, vom arrivierten Berliner Judentum über die Intellektuellenkreise der Weimarer Republik bis zu den Schrecken des Exils und der Verfolgung. Eine hochspannende Biographie, die Leben und Werk dieses großen Denkers neu erschließt.
Walter Benjamin wollte in keine Schublade oder philosophische Schule passen, sein Werk blieb unvollendet - und doch zählt er zu den einflussreichsten Denkern des 20. Jahrhunderts, Intellektuelle wie Adorno und Kracauer
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Produktbeschreibung
Jäger vergegenwärtigt eindrucksvoll den Lebensweg Walter Benjamins - und zeichnet zugleich ein faszinierendes Zeitbild der ersten Jahrhunderthälfte, vom arrivierten Berliner Judentum über die Intellektuellenkreise der Weimarer Republik bis zu den Schrecken des Exils und der Verfolgung. Eine hochspannende Biographie, die Leben und Werk dieses großen Denkers neu erschließt.

Walter Benjamin wollte in keine Schublade oder philosophische Schule passen, sein Werk blieb unvollendet - und doch zählt er zu den einflussreichsten Denkern des 20. Jahrhunderts, Intellektuelle wie Adorno und Kracauer bewunderten ihn als Genie. Lorenz Jäger erzählt das Leben des außergewöhnlichen Literaten: Er schildert Benjamins Kindheit in der Familie eines jüdischen Kunsthändlers, die Studienjahre in Freiburg und Berlin, wo die so anregende Freundschaft mit Gershom Scholem begann, die wechselhafte Beziehung zur Frankfurter Schule. Benjamin reiste nach Moskau, wo er sich vorsichtig der kommunistischen Bewegung näherte; im Pariser Exil diskutierte er mit Hannah Arendt und arbeitete am großen «Passagen-Werk», das Fragment blieb. 1940 floh er vor der Gefahr, nach Deutschland ausgeliefert zu werden, in das spanische Portbou, wo er sich das Leben nahm - ein Ende, rätselhaft wie vieles in Benjamins Leben und Schreiben.

Autorenporträt
Lorenz Jäger, geboren 1951, studierte Soziologie und Germanistik in Marburg und Frankfurt am Main, anschließend unterrichtete er deutsche Literatur in Japan und den USA. 1997 wurde er Redakteur im Ressort Geisteswissenschaften der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung», das er zuletzt leitete. 2017 erschien «Walter Benjamin. Das Leben eines Unvollendeten», 2021 «Heidegger. Ein deutsches Leben», zu dem das «Philosophische Jahrbuch» schrieb: «Jäger ist eine großartige Biographie gelungen ... Er hat den Blick neu geöffnet.»
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 07.03.2017

Die Aura des Irgendwie
Lorenz Jäger erzählt das Leben des extremen Denkers und rezeptiven Genies Walter Benjamin mit
großer Anteilnahme, jedoch ohne ihn zum Märtyrer zu verklären
VON PHILIPP FELSCH
Vor fünfzig Jahren brach unter den Intellektuellen der alten Bundesrepublik der Streit um die richtige Lesart von Walter Benjamin aus. Es waren die Achtundsechziger, die den Vorwurf erhoben, Theodor W. Adorno und Gershom Scholem, die Herausgeber der 1966 erschienenen Auswahl von Briefen Benjamins, suchten durch gezielte Auslassungen die materialistische Wende in dessen Spätwerk zu verschleiern. Für Adorno und Scholem war der Marxismus der letzten Schriften dagegen nur aufgesetzt. Um die Lage vollends unübersichtlich zu machen, tauchte damals ein in der Suhrkamp-Ausgabe ebenfalls nicht enthaltener Brief auf, in dem der Lieblingsautor der Studenten dem notorischen „Kronjuristen des Dritten Reiches“ Carl Schmitt am Vorabend von Hitlers Machtergreifung seine intellektuelle Reverenz erwiesen hatte. Für diejenigen, die den Liberalismus als eigentlichen Feind erachteten, trug selbst noch diese Verbindung zu Benjamins Nimbus bei.
Auch der Benjamin, der uns in Lorenz Jägers neuer Biografie begegnet, ist ein extremer Denker, der der bürgerlichen Sphäre mit einer an Nihilismus grenzenden Bedenkenlosigkeit entgegentritt. Vor dem Krieg wird er zum Anhänger der Jugendbewegung. Im Schweizer Exil lernt er die Dadaisten kennen. Zu Beginn der Zwanzigerjahre bewegt er sich ebenso in utopisch-messianischen Zirkeln, wie er an avantgardistischen Zeitschriftenprojekten im Vorfeld des Bauhauses partizipiert. In Paris begegnet er dem Surrealismus. Er reist nach Moskau, bevor die Revolution in Despotie umschlägt. Es folgen Drogenexperimente, polyamore Dreiecksbeziehungen und politische Diskussionen mit Bertolt Brecht. Wo immer radikal gedacht wird oder moderne Lebensexperimente stattfinden, ist Benjamin beteiligt oder hält sich zumindest in der Nähe auf. Er führt jene Literatenexistenz, von der Martin Heidegger 1933 in den „Schwarzen Heften“ notiert, sie würde nun zu Ende gehen.
Durch die Gleichschaltung der Medien verliert Benjamin tatsächlich seine wichtigste Einkommensquelle. Die Jahre des Pariser Exils sind von wachsenden Geldsorgen, schwindender Gesundheit und zunehmender Ausweglosigkeit geprägt. Benjamin spielt mit dem Gedanken, in die Sowjetunion überzusiedeln, bevor der Hitler-Stalin-Pakt ihn seiner letzten politischen Hoffnungen beraubt. Die Freunde, die ihm von 1939 an begegnen, sind erschrocken, wie rasch er gealtert ist. Wirkt Benjamins Weg durch die Avantgarden der Zwanzigerjahre manchmal fast eine Spur zu genretypisch, so entwickelt sein Leben gegen Ende eine individuelle Tragik, die es in ein Emblem für die Verheerungen des Weltbürgerkriegs im 20. Jahrhundert verwandelt hat. Das spanische Portbou, wo er sich auf der Flucht vor den Nazis 1940 das Leben nimmt, ist bis heute ein Wallfahrtsort.
Lorenz Jäger erzählt dieses Leben mit großer Anteilnahme, doch ohne Benjamin zum Märtyrer zu verklären. Neben seiner Melancholie und seiner Zartheit treten auch seine dominante Ader, seine Empathielosigkeit und sein Zynismus mitunter in drastischer Deutlichkeit hervor. Merkwürdig abwesend bleiben dagegen manche alltäglichen und materiellen Umstände von Benjamins Existenz. Als wolle der Biograf das Klischee vom freischwebenden Intellektuellen bestätigen, verschweigt er, wovon Benjamin sich im Pariser Exil ernährte, oder ob er irgendeine Beziehung zu seinem Sohn unterhielt, dem immerhin die „Berliner Kindheit um 1900“ gewidmet ist.
Im Kern ist Jäger an biografischem Material interessiert, von dem sich direkte Verbindungen zur Theorie ergeben. Dem liegt die Beobachtung zugrunde, dass Benjamins philosophische Verwandlungen fast immer an persönliche Erlebnisse und Begegnungen gebunden waren. Gershom Scholem inspirierte ihn dazu, sich mit seinem Judentum auseinanderzusetzen. Die Geliebte Asja Lacis überzeugte ihn von der Aktualität des Kommunismus. In die Kunst des Flanierens weihte ihn auf gemeinsamen Pariser Spaziergängen sein Freund Franz Hessel ein. Und noch den politischen Extremismus des Spätwerks deutet Jäger – negativ – als Symptom von Vereinsamung und Liebesentzug.
Zum „rezeptiven Genie“, das er Benjamin bescheinigt, gehört auch, dass er andere zu faszinieren vermochte. Jedenfalls scheint sein Nimbus nicht erst posthum entstanden zu sein. Daher kann sich Jäger aus einem reichen Fundus physiognomischer Beobachtungen bedienen. In Benjamins hoher Stirn haben seine Freunde seine metaphysische Veranlagung, in seinen Augen seine Geistesgegenwart und in seinen vollen Lippen seinen trotz der asketischen Züge ausgebildeten Hedonismus erblicken wollen. Kein Zweifel, der Mann hatte eine Aura, wie unter den zeitgenössischen deutschen Intellektuellen wohl sonst nur Heidegger, dessen „Sein und Zeit“ Benjamin laut Jäger niemals gelesen hat.
Unter den sprechenden Details, die er bei Benjamins Zeitgenossen aufliest, findet sich Scholems Bemerkung, er habe niemanden so oft wie seinen Freund das Wort „irgendwie“ verwenden hören. Dass diese Floskel damals überhaupt schon zum intellektuellen Wortschatz gehörte! Aber vor allem: Was hat sie bei einem Autor zu suchen, der sich als Angehöriger einer politischen Generation vor die Unvermeidlichkeit existenzieller Entscheidungen gestellt sah und einen der letzten Versuche „aus dem intellektuellen Milieu“ unternahm, eine autoritative Lehre zu entwickeln? Wir müssen die Idiosynkrasie ebenso unter Benjamins Widersprüche verrechnen wie die Tatsache, dass er aller Radikalität zum Trotz der bürgerlichen Welt mit zarter Nostalgie begegnete. Vielleicht hat er selbst den prägnantesten Ausdruck für dieses Paradox gefunden, wenn er gegenüber Scholem zu Beginn der Zwanzigerjahre die Losung ausgab, es gelte, „immer radikal“, aber „niemals konsequent“ zu sein.
Adorno erhob den Anspruch, seine theoretischen Überlegungen jedes Mal von ihrem spezifischen Gegenstand her zu entwickeln. Wenn es einen Denker gibt, dem das gelang, war das in Jägers Augen aber nicht Adorno, sondern Benjamin. Immerhin musste er seinen Baudelaire-Essay in den späten Dreißigerjahren zweimal schreiben. Den Herausgebern der Zeitschrift für Sozialforschung erschien die erste Version noch zu dicht am Material. Er schuf eine Prosa, die ebenso spekulativ wie konkret, ebenso metaphysisch wie materialgesättigt ist und deren kristalline Nüchternheit von der Wucht ihrer Bilder nicht vermindert wird, sondern an zusätzlicher Intensität gewinnt. Während ihm die Herzen der Achtundsechziger wegen seiner materialistischen Ästhetik zuflogen, las ihn eine jüngere Generation gerade aus umgekehrten Gründen: um von der „Verdinglichung“ zurück zu den Dingen zu finden und sich gegen den Schematismus abstrakter „Theorie“ zu imprägnieren.
Gegen diese Lesart sperren sich aber eben die letzten Texte, der Aufsatz über das „Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“ oder das Exposé des Passagenwerks, „Paris, die Hauptstadt des 19. Jahrhunderts“, in denen eine an Marx angelehnte politische Ökonomie zur Zentralperspektive von Benjamins Denken wird. Jäger diagnostiziert eine „fixe Idee“ und macht wachsende Verbitterung verantwortlich. Das zeigt, dass die alten Frontlinien noch immer in Stellung sind.
Die Schilderung der letzten Jahre, der Internierung und der Flucht bilden den dramatischen Höhepunkt des Buches. Es fällt schwer, den über Nacht ergrauten, kurzatmigen Benjamin zu vergessen, der im Internierungslager in Vernuche ein philosophisches Seminar „für Fortgeschrittene“ organisiert.
Zuletzt meint Jäger, Benjamin aber doch vor sich selbst retten zu müssen, indem er zu einem literarischen Kunstgriff greift. Obwohl sich in der legendären Aktentasche, die Benjamin auf seiner Flucht in den Pyrenäen dabeihatte, wohl die klassenkämpferischen Thesen „Über den Begriff der Geschichte“ befanden, liest Jäger die Episode im Licht eines anderen Texts. In der hermetischen „Metaphysik der Jugend“, die Benjamin noch vor dem Ersten Weltkrieg verfasste, findet er alle Motive von dessen Ende versammelt: die umliegenden Bergrücken, die fernen Häuser, in denen ihn aber nicht die Rettung erwartet, sondern der Tod ereilt. Das ist rückwirkende Prophetie, wie sie von Benjamin selbst stammen könnte. Der Biograf erweist seinem Protagonisten die Reverenz, indem er sich dessen Denkstil leiht.
Lorenz Jäger: Walter Benjamin. Das Leben eines Unvollendeten. Rowohlt Berlin Verlag, Berlin 2017. 400 Seiten, 26,95 Euro. E-Book: 23,99 Euro.
Die Geliebte Asja Lacis
überzeugte ihn von
der Aktualität des Kommunismus
Es gelte, immer radikal, aber
niemals konsequent zu sein, sagte
er zu Beginn der Zwanzigerjahre
Schon in der „Metaphysik der
Jugend“ finden sich alle Motive
von Benjamins Ende versammelt
„Etwas eigentümlich Flammendes“ erblickte Theodor W. Adorno im Haar Walter Benjamins. Der Philosoph, Kritiker und Übersetzer wurde 1892 in Berlin-Charlottenburg geboren, er nahm sich 1940 im Exil das Leben.
Foto: imago/Leemage
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.02.2017

LORENZ JÄGER, ehemals Leiter des Ressorts Geisteswissenschaften dieser Zeitung, legt eine Biographie Walter Benjamins vor. Leitfaden sind Eindrücke von Freunden und Nahestehenden, die sich zu einer philosophischen Physiognomie verdichten. Das Buch begleitet die Wege des 1892 in Berlin geborenen deutschen Juden nach Moskau wie nach Paris - und schließlich den letzten, der ihn 1940 über die Pyrenäen in das Städtchen Portbou führte, wo er sich das Leben nahm. Die Begegnungen mit Gershom Scholem, Bertolt Brecht und Theodor W. Adorno werden als Raum extremer Spannungen deutlich. Die Hauptwerke - der Essay über Goethes "Wahlverwandtschaften", die Untersuchung über das barocke Trauerspiel und die Arbeit über die Warenlandschaft der Pariser Passagen - werden philosophisch und in ihren lebensgeschichtlichen Kontexten erhellt. (Lorenz Jäger: "Walter Benjamin". Das Leben eines Unvollendeten. Rowohlt Berlin Verlag, Berlin 2016. 384 S., geb., 26,95 [Euro].)

F.A.Z.

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Lorenz Jäger schreibt meisterhaft über das Leben des Walter Benjamin ... In seinem neuen Buch erweist der ehemalige FAZ-Redakteur sich erneut als eminenter Kenner der politischen und geistesgeschichtlichen Landschaft in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ... Das Paradigmatische an Benjamins Werk aufzuzeigen, ist Lorenz Jäger gelungen. Cicero