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Was geschieht, wenn Menschen in die Armut stürzen?
Was heißt es, wennm an im Monat von 345 Euro leben muss? Oder wenn man von 20000 Euro Schulden erdrückt wird? Wie schlägt sich eine vierköpfige Familie durch, die von Arbeitslosengeld II lebt? Nadja Klinger und Jens König porträtieren Menschen, die von der Gesellschaft einfach abgehängt wurden. Die Kuft zwischen Arm und Reich ist groß wie nie - es hat sich eine Gruppe gebildet, die beständig wächst: die neue Unterschicht der Besitz- und Bildungslosen. Zu ihnen zählen Hartz-IV-Empfänger genauso wie gescheiterte Unternehmer. Das Buch…mehr

Produktbeschreibung
Was geschieht, wenn Menschen in die Armut stürzen?

Was heißt es, wennm an im Monat von 345 Euro leben muss? Oder wenn man von 20000 Euro Schulden erdrückt wird? Wie schlägt sich eine vierköpfige Familie durch, die von Arbeitslosengeld II lebt?
Nadja Klinger und Jens König porträtieren Menschen, die von der Gesellschaft einfach abgehängt wurden. Die Kuft zwischen Arm und Reich ist groß wie nie - es hat sich eine Gruppe gebildet, die beständig wächst: die neue Unterschicht der Besitz- und Bildungslosen. Zu ihnen zählen Hartz-IV-Empfänger genauso wie gescheiterte Unternehmer. Das Buch versammelt eindrucksvolle Porträts und bietet zugleich eine scharfsinnige Analyse eines gesellschaftlichen Skandals, der uns alle in Zukunft mehr interessieren wird, als wir uns heute eingestehen.

Autorenporträt
Jens König geboren 1964 in Ost-Berlin, hat Journalistik in Leipzig studiert. Er war vom November 1989 bis März 1994 Chefredakteur der "Jungen Welt". 1994 wechselte er zur "tageszeitung" (taz) und war zunächst Leiter des Inlandressorts. Seit 1999 ist er Leiter des Parlamentsbüros.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 31.01.2007

Sachbücher des Monats Februar
Empfohlen werden nach einer monatlich erstellten Rangliste Bücher der Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften sowie angrenzender Gebiete.
1. NADJA KLINGER, JENS KÖNIG: Einfach abgehängt. Ein wahrer Bericht. Rowohlt Berlin Verlag, 256 Seiten, 14,90 Euro.
2. KAREN ARMSTRONG: Die Achsenzeit. Vom Ursprung der Weltreligionen. Aus dem Englischen von Michael Bayer und Karin Schuler. Siedler Verlag, 624 Seiten, 28,00 Euro.
3 – 4. JACOB BURCKHARDT: Neuere Kunst seit 1550. Kritische Gesamtausgabe Band 18. Herausgegeben von Eva Mongi-Vollmer und Wilhelm Schlink. C. H. Beck Verlag, 1363 Seiten, 248,00 Euro.
CHARLES NICHOLL: Leonardo da Vinci. Die Biographie. Übersetzt von Michael Bischoff. S. Fischer Verlag, 752 Seiten, 29,90 Euro.
5. PETER WATSON: Ideen. Eine Kulturgeschichte von der Erfindung des Feuers bis zur Moderne. Aus dem Englischen von Yvonne Badal. C. Bertelsmann Verlag, 1280 Seiten. 49,95 Euro.
6. HANS RUDOLF VAGET: Seelenzauber. Thomas Mann und die Musik. S. Fischer Verlag, 512 Seiten, 22,90 Euro.
7-8. ANTONIUS ANTHUS: Vorlesungen über die Esskunst. Die Andere Bibliothek, Bd. 264. Eichborn Verlag, 320 Seiten, 28,50 Euro.
JAN ASSMANN: Thomas Mann und Ägypten. Mythos und Monotheismus in den Josephsromanen. Verlag C. H. Beck, 256 Seiten, 22,90 Euro.
9. ANTONIA GRUNENBERG: Hannah Arendt und Martin Heidegger. Geschichte einer Liebe. Piper Verlag, 480 Seiten, 22,90 Euro.
10. CLAIRE NOUVIAN: The Deep. Leben in der Tiefsee. Knesebeck Verlag, 256 Seiten, 45,00 Euro.
Besondere Empfehlung des Monats Februar 2007 von Wolfgang Hagen: PHILIPP SARASIN u.a. (Hg.): Nach Feierabend. Zürcher Jahrbuch für Wissensgeschichte 2: Die Suche nach der eigenen Stimme. Diaphanes Verlag, 222 Seiten, 25,00 Euro.
Die Jury: Rainer Blasius, Eike Gebhardt, Fritz Göttler, Wolfgang Hagen, Daniel Haufler, Otto Kallscheuer, Matthias Kamann, Petra Kammann, Guido Kalberer, Elisabeth Kiderlen, Jörg-Dieter Kogel, Hans Martin Lohmann; Prof. Dr. Ludger Lütkehaus, Herfried Münkler, Dr. Johannes Saltzwedel, Wolfgang Ritschl, Florian Rötzer, Albert von Schirnding, Norbert Seitz, Eberhard Sens, Hilal Sezgin, Dr. Volker Ullrich, Andreas Wang, Uwe Justus Wenzel.
Redaktion: Andreas Wang (NDR)
Die nächste SZ/NDR/BuchJournal-
Liste der Sachbücher des Monats erscheint am 28.Februar.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.10.2006

Wie arm die Armen sind
Ein kluges Buch bietet Überraschendes

VON MECHTHILD KÜPPER

BERLIN. Für den Spott braucht der Berliner CDU-Abgeordnete Scott Körber nicht zu sorgen, und zu sozialpolitischen Fragen braucht er in der nächsten Jahren den Mund gar nicht erst aufzumachen: Kaum gewählt, wurde bekannt, daß er über ein Jahr lang bei vollen Bezügen krank geschrieben war, weil er wegen hohen Blutdrucks den Anforderungen des Publikumsverkehrs im Jobcenter nicht gewachsen war. Die Strapazen des Wahlkampfs dagegen sind ihm gut bekommen. Nun ist er wieder gesund, seine Glaubwürdigkeit aber ramponiert. Die Partei steht hinter Körber. Er habe schließlich die Versetzung an einen weniger stressigen Arbeitsplatz beantragt. Hat doch das Jobcenter selbst schuld, wenn es der Beamte dort nicht aushält.

Scott Körber wäre ein gefundenes Fressen für Nadja Klinger und Jens König. Die Berliner Autoren sind zwei Jahre nach der Einführung von Hartz IV durchs Land gefahren und haben einen "wahren Bericht über die neue Armut in Deutschland" geschrieben ("Einfach abgehängt", Rowohlt Berlin). Sie haben mit Arbeitslosen, Obdachlosen, mit in Armut gefallenen Akademikern sowie mit Leuten gesprochen, die beruflich mit ihnen zu tun haben. Der Fall des Berliner Beamten Körber würde bei ihnen für die hilflose Bürokratie stehen. Die arbeitslose Ingenieurin Elke Reinke kommt tatsächlich in dem Buch vor. Ihr haben Hartz IV und die Folgen 2005 zu einem Bundestagsmandat der Linkspartei verholfen; im Buch wie in der Innenpolitik spielt sie die Interessenvertreterin der "neuen Armen".

Wie schwer das ist, zeigte Berlins Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linkspartei) wenige Tage vor der Wahl. Er stellte hundert Jobs eines "öffentlich geförderten Beschäftigungssektors" vor. Eine schwierige Konstruktion schafft auf drei Jahre befristete Jobs, die für die Angestellten so funktionieren wie reguläre Stellen mit bescheidenen Gehältern. Es müsse möglich sein, sinnvolle Arbeit statt Arbeitslosigkeit zu bezahlen, argumentiert Wolf. Die Kritik von links am "neoliberalen" Kurs kam prompt: Das sei auch nichts Besseres als Ein-Euro-Jobs.

Das Armsein, die Armut und die armen Leute kommen in der politischen Debatte oft vor. Häufig wird mit dem Kontrast zwischen dem reichen Deutschland und der bitteren Armut einzelner gearbeitet. Nadja Klinger und Jens König gehen angenehm aufgeklärt mit dieser überholten Vorstellung um: Längst nicht allen armen Leuten wäre mit Geld geholfen.

Beim Thema Armut belauern sich Politik, Wohlfahrtsverbände, Gewerkschaften und Experten. Die einen, wie Kanzler Gerhard Schröder Ende 2004, fordern ein Ende der "Schwarzmalerei". Andere plakatierten: "Hartz IV ist Armut per Gesetz" und gewannen damit, wie die PDS, Wahlen. Und wieder andere, wie der Präsident des Diakonischen Werks der Evangelischen Kirche, Jürgen Gohde, verletzen Tabus. Im Juni hatte er gefordert, die Zahlungen an Langzeitarbeitslose zu senken, damit ein "dauerhaft tragfähiges und finanzierbares Leistungssystem" erhalten werden könne. Er trat zurück - in seiner Position hat man gegen "Sozialabbau" aufzutreten und nicht noch gute Gründe dafür zu finden.

Wer die Armen sind und wie sie leben, hören wir selten. Im Gestrüpp der Zahlen und Relationen - wer weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens hat, ist arm, was auf 17,3 Prozent der Haushalte zutrifft - ist es schwer, sich ein Bild zu machen. Jeder kennt schließlich Schlawiner, die jedes Gesetz zu ihren Gunsten zu nutzen oder zu mißbrauchen verstehen. Aber jeder Politiker, der dafür wirbt, das Arbeitslosengeld II zu senken, damit der Abstand zu den regulären Löhnen schlecht Verdienender nicht zu klein wird, wird hart angegriffen. In der Politik ist es schlechter Ton, nicht mehr Geld für die Schwachen zu verlangen. Mit ihren praktischen Anwälten haben die Armen Glück; niemand muß unter der Brücke schlafen und Hunger leiden, dafür sorgen Suppenküchen und Notunterkünfte. Als Gegenstand politischer Anstrengungen aber ist Armut aus der Mode gekommen.

Die Arbeitsmarktreform von Rot-Grün wurde zum politischen Kampfthema. Ohne Hartz IV und die massiven Ängste vor dem Absturz, die diese Reform weit über den Kreis der Arbeitslosen hinaus schürte, wäre die WASG wohl nicht gegründet worden. Ohne die Fusion mit der WASG hätte die PDS keine Chance, in einer gesamtdeutschen linken Partei weiterzuleben. Ein Konzept gegen die Armut blieben beide schuldig. Immerhin gaben die Links-Bundestagsabgeordneten Katja Kipping und Bodo Ramelow sowie der Wissenschaftler Michael Opielka in einem Aufsatz 2005 zu, allein mit Geld sei es nicht mehr getan. Titel: "Sind wir hier bei ,Wünsch dir was'?" Wo Armut nicht mehr Materielles meint, sondern Ausschluß, Bildungsferne und Sozialhilfe in der dritten Generation, kann Geld kein Heilmittel sein.

Mehr davon erfährt man bei Klinger und König. Dem Wirtschaftswissenschaftler, den unberatene Immobilienkäufe arm gemacht haben, würde ein Lottogewinn helfen. Patrick aber, der von zu Hause und aus Therapien abhaute, der wegen Drogenhandels im Gefängnis saß, dem hilft vor allem seine bewundernswerte Selbstdisziplin - und sein Platz in der "Tages- und Abendschule Köln", in der er doch noch eine Chance bekommen hat.

Vier Prozent der Deutschen sind "chronisch arm". Um Migrantenkinder und andere aus "bildungsfernen Elternhäusern", um Schulabbrecher müßte sich die Politik kümmern. Bis Verhältnisse "chronisch" werden, haben viele an ihrer Festigung mitgewirkt. Um sie zu ändern, müssen viele mittun. Die Leute in "Einfach abgehängt" sprechen für sich selbst. Das Format des Porträts ist klug gewählt, es erlaubt Überraschungen und ein eigenes Urteil. "Das Elend, das man hier erlebt, ist moralisches Elend", sagt etwa die Geschäftsführerin des Rostocker Jobcenters. Ihre Kollegin meint nach einem Gespräch mit einem "Kunden": "Ich hab' ein Problem damit, wenn ein junger Mann in dieser Situation keinen unzufriedenen Eindruck macht."

"Linke verstehen was von Armut, denken die Leute, aber nichts vom Geld", sagte Gregor Gysi kürzlich. Bei Klinger und König liest man es anders: "Hier ein bißchen mehr Geld, dort ein bißchen mehr Gerechtigkeit, dazu ein wenig Umverteilung - so leicht wird es nicht funktionieren." Sie fordern eine "intelligente Armutspolitik", die heraustreten müsse aus der Sozialpolitik. Sie fordern schärfere Blicke auf den einzelnen Fall, eine bessere Bildungspolitik - und den Abschied von der "Lebenslüge", daß jeder von Arbeit leben können muß.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Alexander Jürgs würde dieses Buch am liebsten jedem Politiker zur Lektüre verordnen, denn den Autoren Nadja Klinger und Jörg König gelingt es darin, der aktuellen Armutsdiskussion neue Aspekte abzugewinnen und gängigen Stereotypen entgegenzuwirken, wie er preist. Insbesondere wendeten sich die Autoren gegen das Vorurteil, die neue ?Unterschicht' verharrt ohne Antrieb am Ende der sozialen Leiter. Deshalb schilderten die Autoren in ihren Porträts die verschiedensten Menschen, die engagiert und verzweifelt gegen ihre prekäre Lage ankämpften, so der Rezensent anerkennend. Jürgs gefällt, dass die Autoren pointierte Meinungen nicht scheuen und dass sie mit ihren subjektiv ausgewählten Biografien von Harz IV-Empfängern und an der Armutsgrenze Lebenden die Armutspolitik Deutschlands anprangern. Mit ihren zum Schluss aufgeführten sieben Thesen zur Bekämpfung von Armut könnten die Autoren zwar auch nicht alle Probleme lösen, ihre Forderungen lobt der insgesamt sehr eingenommene Rezensent aber als "klug und originell".

© Perlentaucher Medien GmbH