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Als Franz Josef Strauß 1988 starb, sagte Kardinal Ratzinger in seiner Totenpredigt: "Er hat wie eine Eiche gelebt. Und er wurde wie eine Eiche gefällt." Gewiss war Strauß die große Reizfigur der Bundesrepublik: Heiliger für die einen, Dämon für die anderen. Die Geschichte der Familie Strauß ist zugleich die faszinierende Geschichte eines Aufstiegs - vom Metzgerssohn zum ungekrönten König der Bayern, vom Handwerkergeschlecht zum Herrscherclan mit dynastischem Machtanspruch. Werner Biermann beschreibt das Leben einer Familie, die zum Schluss jedes Maß verliert. Er erzählt von Strauß' Kindheit im…mehr

Produktbeschreibung
Als Franz Josef Strauß 1988 starb, sagte Kardinal Ratzinger in seiner Totenpredigt: "Er hat wie eine Eiche gelebt. Und er wurde wie eine Eiche gefällt." Gewiss war Strauß die große Reizfigur der Bundesrepublik: Heiliger für die einen, Dämon für die anderen. Die Geschichte der Familie Strauß ist zugleich die faszinierende Geschichte eines Aufstiegs - vom Metzgerssohn zum ungekrönten König der Bayern, vom Handwerkergeschlecht zum Herrscherclan mit dynastischem Machtanspruch. Werner Biermann beschreibt das Leben einer Familie, die zum Schluss jedes Maß verliert. Er erzählt von Strauß' Kindheit im Schwabing der kleinen Leute, vom Vater, in dessen Metzgerei Himmler seine Wurst kaufte und der die Nazis verabscheute. Er schildert eine politische Karriere, die fast in der Kanzlerschaft gipfelte, und das Geflecht von Amigo- und Vetternwirtschaft, das die Familie umspannte: eine schwere Last, unter der die Strauß-Kinder am Ende zusammenbrechen. Das Buch basiert auf umfangreichen Archivrecherchen sowie Gesprächen mit Freunden, Weggefährten und Angehörigen der Familie Strauß.
Autorenporträt
Werner Biermann, geboren 1945, ist Autor und Filmemacher. 1972/73 war er Reporter beim Stern. Seit 1974 arbeitet er als freiberuflicher Autor. Er realisierte etwa fünfzig lange Dokumentarfilme, vor allem zu historischen Themen. Für seine Arbeiten wurde er unter anderem mit dem Adolf-Grimme-Preis ausgezeichnet
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.10.2006

Das Leben ist eine Rutschbahn
Franz Josef Strauß und seine Kinder in zwei neuen Familienbiographien

Die Republik ist in Aufruhr. Man schreibt das Jahr 1980, und Franz Josef Strauß will Bundeskanzler werden. Wo immer er auftritt, um Wahlkampfreden zu halten, erwarten ihn Zehntausende Menschen. Viele sind gekommen, um ihrem Idol, ihrem Heilsbringer zuzujubeln; andere, um sich über die krachlederne Polit-Comedy zu amüsieren, die der wortgewaltige Redner darzubieten weiß. Für einen Teil der Zuschauer jedoch gibt es keinen Anlaß zur Heiterkeit. "Stoppt Strauß!" lautet ihre Parole, "Ein Hitler war genug!" Einige Strauß-Gegner rufen sogar öffentlich zur Ermordung des Kanzlerkandidaten auf. Und doch erwähnt Thomas Schuler die erbittert geführte Schlacht ums Kanzleramt in seiner "Biographie einer Familie" mit keinem Wort. Dabei ist er angetreten, um die "Kräfte", die den Aufstieg und den Fall der Familie Strauß begründen, zu untersuchen.

Die Kanzlerkandidatur des damaligen bayerischen Ministerpräsidenten ist nicht die einzige aufregende Episode im ereignisreichen Leben von Franz Josef Strauß, die Schuler kommentarlos übergeht. Den kometenhaften Aufstieg des jungen Abgeordneten zum Sonder-, Atom- und Verteidigungsminister beispielsweise handelt er auf zwei Buchseiten ab. Dafür verwendet Schuler ungewöhnlich viel Zeit auf die Beschreibung von Begebenheiten, die für das Verständnis des "Phänomens Strauß" ohne jede Bedeutung sind. So schildert er mit irritierender Detailversessenheit die Untaten einiger freigelassener Zwangsarbeiter im Jahre 1946 in Altenstadt bei Schongau. Einige Kapitel später breitet Schuler die Vita des Verlegers Hans Kapfinger aus, der sich in den sechziger Jahren zwar in die für Strauß belastende Fibag-Affäre verstrickte, dessen juvenile Frömmigkeit für die späteren Ereignisse aber ebenso irrelevant sein dürfte wie die akribisch recherchierten Umstände, unter denen Adolf Hitler seinem späteren Leibfotografen Heinrich Hoffmann begegnete. Dennoch präsentiert Schuler viele solcher Quisquilien und Unausgewogenheiten. Auf neue Erkenntnisse hofft man indes vergebens, die angekündigte Aufdeckung "bislang unbekannter Seiten einer Geschichte, die gleichzeitig ein Stück bundesdeutscher Geschichte ist", bleibt aus.

Um die Lebensgeschichte des Ausnahmepolitikers Strauß erzählen zu können, führte der Autor zahlreiche Gespräche mit Weggefährten und Zeitzeugen. Ausgerechnet Monika Hohlmeier und Franz Georg Strauß aber verweigerten sich dem Familienbiographen. Der Zugang zum Nachlaß des Vaters wurde ihm dennoch gewährt, leider ohne durchschlagenden Erfolg. Denn in den geheimnisumwitterten Aktenregalen, die die Strauß-Hasser lange Zeit als den Hort der fehlenden Beweise für die kolportierten Vergehen der "bête noire" wähnten, spürte Schuler nur eine Handvoll belangloser Dokumente auf, darunter die Menükarte der Hochzeitsfeier von Franz Josef und Marianne. Nicht minder betrüblich ist, daß auch das Leben und Wirken der Nachfahren nur partiell beleuchtet wird. Während Monika und Max Josef von Schuler geradezu seziert werden, bleibt Franz Georg fast völlig im Verborgenen. Was er seit dem Tod des Vaters im Jahre 1988 beruflich getan oder privat erlebt hat, vermag Schuler nicht zu berichten. Nur im Zusammenhang mit den Ermittlungen und Prozessen gegen seinen älteren Bruder wird er gelegentlich erwähnt.

Der Autor hätte diese Scharte auswetzen können, indem er seine übrigens sehr distanzierten und mitunter kühlen Schilderungen mit geistreichen Schlußfolgerungen erfrischt und mit scharfsinnigen Resümees belebt hätte. Doch er hält sich zurück und bleibt im Hintergrund. Kommentare findet man selten, Kritik kaum, Urteile nie. Dem Leser bleiben die Angehörigen des Strauß-Clans auf merkwürdige Weise fremd. Da Schuler politische und geschichtliche Hintergründe bei seinen Erzählungen fast völlig ausblendet, scheinen die Familienmitglieder zumeist im luftleeren Raum zu agieren. Die Beweggründe ihres Verhaltens, ihrer Wandlungen und ihrer Entscheidungen bleiben schemenhaft. Um so überraschender ist, wie kenntnisreich und mitfühlend Schuler hinter die Kulissen der Familienidylle blickt, die von Marianne Strauß bis zuletzt aufrechterhalten wurde. Die Last des prominenten Familiennamens, die ehrverletzenden Anfeindungen, der unerschütterliche Zusammenhalt der Familienmitglieder und die ersten Gehversuche der Kinder in der Kommunalpolitik - nun endlich beginnt sie wirklich, die "Biographie einer Familie".

An anderer Stelle fällt das Werk des Journalisten deutlich hinter die Standards zurück, die man von einer Biographie erwarten darf, in deren Mittelpunkt eine der bedeutendsten Persönlichkeiten der bundesdeutschen Geschichte steht. Mitunter sind Schulers Darstellungen derartig verkürzt, daß sie kaum noch den Tatsachen entsprechen. Selbst über die Bundestagswahl 1980, jene schicksalhafte Abstimmung, die über die Bilanz eines ganzen Lebens entschied, geht der Autor achtlos hinweg, ohne zu erkennen, daß die von ihm gesuchten kon- und destruktiven Kräfte sich zu keiner Zeit deutlicher offenbarten. Das große Fazit, das Schuler präsentiert, wirkt reichlich aufgesetzt: Strauß stürzte, weil er mit steigendem Bekanntheitsgrad immer mächtiger wurde und mit steigender Macht immer mehr Vertrauen bei Wählern und Parteifreunden verlor. Seine Familie scheiterte, woran auch er gescheitert ist, "am Vertrauen in die Demokratie".

Werner Biermann hingegen verzichtet auf Zielsetzungen und Fragestellungen, sondern beginnt ohne Umschweife mit seiner Erzählung. Kaum hat man sein Buch "Strauß. Aufstieg und Fall einer Familie" aufgeschlagen, da sitzt man schon mit dem Titelhelden und einigen Passagieren in einer Cessna und wird von einem steilen Sinkflug in die Tiefe gerissen. So wie Schuler läßt Biermann sein Werk mit dem Tod des Titanen beginnen und springt danach zurück in die letzten Jahre des Kaiserreiches, um Strauß' Lebensweg in chronologischer Reihenfolge aufzuarbeiten. Doch Biermann schreibt flüssiger, lebendiger, ergreifender. Es gelingt ihm, seine Leser auf eine Reise in die Vergangenheit zu schicken, in die längst vergangene Welt des kleinen Metzgersohns Franz Josef, in die turbulente Zeit der Weimarer Republik, in die Finsternis der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und ins Grauen des Zweiten Weltkriegs. Zur Höchstform läuft der Autor auf, wenn er die Kuba-Krise schildert. Hier liest sich sein Werk spannender als mancher Thriller. Dennoch schreibt Biermann umsichtig, verflechtet die im Vordergrund stehenden Akteure mit dem Hintergrund der politischen und historischen Ereignisse. Seine Geschichte der Familie Strauß ist auch immer die Geschichte Deutschlands.

Häufig zieht Biermann eigene Schlüsse und präsentiert aufschlußreiche Charakterisierungen. Aus vielen Mosaiksteinen setzt er somit im Laufe seines Buches scharfe Porträts aller Familienmitglieder zusammen. Viel Neues jedoch hat auch er nicht zu bieten. Zwar war es ihm gestattet, Gespräche mit Monika Hohlmeier und Franz Georg Strauß zu führen, doch hält sich auch hier der Erkenntnisgewinn in Grenzen. Gleiches gilt für seine Recherchen in den einschlägigen Archiven. Abweichend von Schuler, kommt Biermann zu dem Ergebnis, Strauß sei vor allem an der politischen Hexenjagd gescheitert, die der "Spiegel"-Herausgeber Augstein als publizistischer Großinquisitor anführte. Während Biermann, der ehemals für den am Anti-Strauß-Feldzug maßgeblich beteiligten "Stern" tätig war, mit dieser Einschätzung völlig richtig liegt, stimmen seine Bewertungen an anderer Stelle jedoch nachdenklich - insbesondere immer dann, wenn er Strauß einen paranoiden Russenhaß attestiert. Wer Strauß kannte oder sich eingehend mit seiner Persönlichkeit beschäftigte, dürfte entschieden widersprechen. Er haßte zwar die russische Staatsideologie, verabscheute die sowjetische Diktatur und verfluchte das menschenverachtende kommunistische System - das russische Volk aber haßte er keineswegs. Allenfalls fürchtete er dessen Kriegsmaschinerie und zürnte ob der brutalen Unterdrückung seiner Landsleute in Ostdeutschland. Biermanns Fehlurteil ist um so erstaunlicher, als er selbst beständig auf die damals tatsächlich existierende Bedrohung durch sowjetische Expansionsbestrebungen hinweist und Strauß' angebliche Paranoia damit retrospektiv rechtfertigt.

Energischen Einspruch verdient Biermanns Fazit: "Hundert Jahre nach der Eröffnung des Metzgerladens in der Schellingstraße ist die Herrscherfamilie, die einst so stolz schien, so mächtig und so unverwundbar, endgültig abgestürzt." Ein irritierendes Resümee. Immerhin gelang dem immer noch in der Medienbranche tätigen Franz Georg vor einigen Jahren, was seinem Vater niemals glückte: Er wurde promoviert mit einer Dissertation über europäisches Recht. Ist er damit endgültig abgestürzt? Seine Schwester Monika Hohlmeier mußte zwar von ihren Ämtern zurücktreten, ist aber auch heute noch jünger als ihr Vater zur Zeit der desaströsen "Spiegel"-Affäre. Von Endgültigkeit kann in ihrem Falle keine Rede sein. Wenn aber ein Mitglied der Familie unwiderruflich abgestürzt ist, dann der arg gebeutelte Max Josef. Er, der ehemalige "Kronprinz", der am tiefsten im langen Schatten seines übergroßen Vaters stand, ist die tragischste Figur der Strauß-Dynastie. Er trug stets die größte Last, nun trägt er die größte Schande. Seine Geschwister werden ihm weiterhin helfen, wie sie ihm bisher geholfen haben. Der Strauß-Clan hält zusammen wie eh und je - auch in dieser Hinsicht ist die "Herrscherfamilie" keinesfalls endgültig abgestürzt.

STEFAN FINGER

Thomas Schuler: Strauß. Die Biographie einer Familie. Scherz Verlag, Frankfurt am Main 2006. 382 S., 19,90 [Euro].

Werner Biermann: Strauß. Aufstieg und Fall einer Familie. Rowohlt Verlag, Berlin 2006. 352 S., 19,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Durchaus zufrieden zeigt sich Rezensent Thomas Kröter mit Werner Biermanns Biografie über die Familie von Franz Josef Strauß - auch wenn er den Ansatz des Autors, die Geschichte des Politikers als Familiensaga zu erzählen, für gescheitert hält. Die Idee einer Familienbiografie scheint ihm naheliegend, einer genaueren Betrachtung aber hält sie seines Erachtens nicht stand, einfach weil der Unterschied an "Fallhöhe" zwischen Vater und Kindern zu groß sei. Dass er die Arbeit dennoch mehr lobt als tadelt, liegt daran, dass der Autor seiner eigenen Intention untreu wird und sich mehr und mehr auf seine Hauptfigur konzentriert. So gelingt ihm zur Freude Kröters eine "lebenspralle" und "spannend zu lesende" Schilderung eines der schillerndsten und umstrittensten Politiker der Nachkriegsgeschichte, die zudem die Zeitumstände anschaulich vergegenwärtigt. Die große wissenschaftliche Strauß-Biografie steht nach Einschätzung Kröters allerdings noch aus.

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