Marktplatzangebote
13 Angebote ab € 3,50 €
  • Broschiertes Buch

Am 30. Januar 1933 war Adolf Hitler am Ziel: Reichspräsident Hindenburg ernennt den Führer der NSDAP zum Kanzler - ein Machtwechsel, der dem Mehrheitswillen der Bevölkerung durchaus entsprach. Die Menschen wollten Veränderungen, und Hitler setzte diesen Willen mit bestürzender Radikalität ins Werk. Die politische Ereignisgeschichte ist weithin bekannt. Weniger bekannt ist, wie die Kontroll- und Gestaltungsmacht der Nazis "von unten" erlebt wurde, von Kindern und Frauen, Arbeitern und Angestellten. Denn bis in die Privatsphäre hinein blieb nichts dem Zugriff des NS-Staates entzogen. Schule,…mehr

Produktbeschreibung
Am 30. Januar 1933 war Adolf Hitler am Ziel: Reichspräsident Hindenburg ernennt den Führer der NSDAP zum Kanzler - ein Machtwechsel, der dem Mehrheitswillen der Bevölkerung durchaus entsprach. Die Menschen wollten Veränderungen, und Hitler setzte diesen Willen mit bestürzender Radikalität ins Werk. Die politische Ereignisgeschichte ist weithin bekannt. Weniger bekannt ist, wie die Kontroll- und Gestaltungsmacht der Nazis "von unten" erlebt wurde, von Kindern und Frauen, Arbeitern und Angestellten.
Denn bis in die Privatsphäre hinein blieb nichts dem Zugriff des NS-Staates entzogen. Schule, Beruf und Freizeit wurden zu Kriegsschauplätzen im Kampf um die "nationalsozialistische Lebensgestaltung". An der Urlaubsfront sollte man "Kraft durch Freude" tanken; die Heldinnen der Geburtenschlacht wurden mit dem "Ehrenkreuz der deutschen Mutter" geadelt (in Bronze ab vier Kindern, in Silber ab sieben und in Gold ab neun); und an der "Deutschen Arbeitsfront" ging es nicht länger um Ökonomie, sondern um den Dienst am Vaterland - "hart, tapfer und treu".
Nach den erfolgreichen Büchern "Soldaten unter Hitler" und "Die Waffen-SS" widmet sich dieser - mit Hintergrundberichten, Zeitzeugnissen und mehr als 100 Fotos reich dokumentierte - Band dem "Alltag unter Hitler".
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 31.07.2000

Hitlerine und die Hitler-Erdbeere
Wie die Nazis sich den fröhlichen Alltag in Riesenseebädern und Obstgärten vorstellten
WOLFGANG SCHNEIDER: (Hrsg. ): Alltag unter Hitler, Rowohlt Verlag, Berlin 2000. 253 Seiten, 29,90 Mark.
Alltagsgeschichte beschäftigt sich mit dem gewöhnlichen Leben breiter Bevölkerungsschichten, dem Bewusstsein und den Wahrnehmungen einfacher Menschen jenseits gesellschaftlicher Eliten. Dies vorausgesetzt, scheint es sich bei vorliegender Quellensammlung „Alltag unter Hitler” um ein Buch zu handeln, bei dem der Titel den Inhalt nicht kennt. Der Band versammelt nämlich in erster Linie Quellenstücke, die für alltagsgeschichtliche Ansätze gerade nicht interessant sind: Hitler-Reden, offizielle Verlautbarungen des NS-Regimes, Gesetzestexte oder verwaltungsinterne Korrespondenz. Berichte des Sicherheitsdienstes der SS (SD) über Stimmungslagen in der Bevölkerung bilden die Ausnahme, aber hier taucht der „kleine Mann” auch nur als Objekt staatlicher Überwachung auf.
Wo in dem Buch die Bevölkerung selbst zu Wort kommt, handelt es sich vor allem um bizarre Auswüchse des Hitler-Kultes – ein Parteigenosse möchte seine Tochter „Hitlerine” taufen, ein Gärtner eine neugezüchtete „Hitler-Erdbeere” auf den Markt bringen – oder um Stimmen aus der verschwindenden Minderheit des politischen Widerstandes. Was vollständig fehlt, sind klassische alltagsgeschichtliche Quellengattungen: etwa Tagebücher, Feldpostbriefe oder Zeitzeugen-Interviews im Rahmen einer Oral History. Dass das Buch auf Quellennachweise generell verzichtet, dürfte es überdies für den universitären Bereich weitgehend unbenutzbar machen. Ergänzt wird die Dokumentation durch minutiöse Chroniken, die als bloße Faktensteinbrüche („. . . 24.  Juli: Erstbesteigung der Eiger-Nordwand; 25.  Juli: Jüdischen Ärzten wird die Approbation entzogen . . . ”) wenig zu einem geschichtlichen Verständnis beitragen.
Der historisch Interessierte mag sich den Band als Lesebuch zur Hand nehmen, weil es ihm Impressionen zur vielapostrophierten „Doppelstrategie” des NS-Regimes bietet: Die Nationalsozialisten beseitigten rechtsstaatliche Normen, verfolgten politisch und „rassisch” Unerwünschte und griffen immer stärker in das Leben der Menschen ein. Gleichzeitig versuchten sie aber auch, die breite Bevölkerung mit attraktiven Angeboten materieller wie ideeller Natur an sich zu binden. Konzentrationslager, Judenverfolgung und Kriegspolitik standen so neben KdF-Freuden in „Riesenseebädern” oder der propagandistischen Aufwertung des einfachen „Volksgenossen”. Auch das eine oder andere eher wenig bekannte Detail der NS-Herrschaft findet sich in dem Buch: An so manchem Stammtisch bis heute zum Hüter kerniger Bodenständigkeit verklärt, war der „Führer” in Wirklichkeit derjenige, der etwa regionale Dialekte durch ein einheitliches Hochdeutsch ersetzen wollte.
Irritierend wirkt freilich die geographische Beschränkung auf das „Altreich” von 1937 auch für die Kriegszeit. Nicht nur, dass mit Millionen Soldaten zwischen Atlantikküste und Stalingrad ein großer Teil der deutschen Bevölkerung den Krieg außerhalb dieser Grenzen erlebte – auch die NS-spezifische Zerstörungsdynamik, die sich in Vernichtungskriegen und im Holocaust entfaltete, muss einem ausschließlich auf Deutschland fixierten Blick zum großen Teil entgehen.
HUBERT LEBER
Der Rezensent ist Historiker in Frankfurt.
Neckische Spiele nach der Morgengymnastik: „Kraft durch Freude” im Seebad Zoppot.
Foto: SZ-Archiv
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Streng geht Hubert Leber ins Gericht mit diesem Band, der genau das, was er verspricht, seiner Meinung nach am wenigsten bietet: Nicht nur hat der Herausgeber auf die "klassischen" Gattungen der Alltagsgeschichte - wie Briefe, Tagebücher und Zeitzeugeninterviews - verzichtet, er gibt auch keine Nachweise für die Quellen, die er stattdessen zitiert, was den Band für das akademische Studium uninteressant macht. Die tatsächlich zitierten Quellen sind "offizielle Verlautbarungen des NS-Regimes", Zeugnisse von "bizarren Auswüchsen des Hitler-Kultes" und "Stimmen des Widerstandes". "Alltag" ist zudem nur Alltag im "Altreich von 1937", d.h. ausgeblendet bleiben sowohl die Soldaten als auch alle an deutschbesetzten Orten an der Ermordung der europäischen Juden beteiligten Deutschen. Das Ganze könnte allenfalls als "Lesebuch" durchgehen für jemanden, der nach "Impressionen zur vielapostrophierten Doppelstrategie des NS-Regimes" sucht, also Krieg neben "KdF" (Kraft durch Freude) zum Beispiel, meint Hubert Leber.

© Perlentaucher Medien GmbH