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Victor Sebestyen wirft in dieser Biographie einen neuen Blick auf Lenin: Ausführlich erzählt er vom Menschen Wladimir Uljanow, schildert sein Leben mit Freunden und Frauen, seine persönlichen Überzeugungen - und stellt diese dann gegen den Politiker und dessen Handlungen. Das Rätsel Lenin ist an seine Doppelgesichtigkeit geknüpft: hier der freundliche, großzügige, höfliche Wladimir Uljanow, dort der unerbittliche Revolutionär Lenin, der unzählige Todesurteile unterschrieb, der Gegner als Tiere beschimpfte und, wie Sebestyen zeigt, sie auch so behandelte, als er die Macht dazu hatte. Sebestyen…mehr

Produktbeschreibung
Victor Sebestyen wirft in dieser Biographie einen neuen Blick auf Lenin: Ausführlich erzählt er vom Menschen Wladimir Uljanow, schildert sein Leben mit Freunden und Frauen, seine persönlichen Überzeugungen - und stellt diese dann gegen den Politiker und dessen Handlungen. Das Rätsel Lenin ist an seine Doppelgesichtigkeit geknüpft: hier der freundliche, großzügige, höfliche Wladimir Uljanow, dort der unerbittliche Revolutionär Lenin, der unzählige Todesurteile unterschrieb, der Gegner als Tiere beschimpfte und, wie Sebestyen zeigt, sie auch so behandelte, als er die Macht dazu hatte. Sebestyen lässt sichtbar werden, was für eine komplexe, zerrissene Persönlichkeit Lenin war.
Bis heute wird Lenin in Russland verehrt und verherrlicht; aber auch über das Land, das er so prägte, hinaus fasziniert er als der Mann, der Geschichte schrieb, der eine neue Form von Staat schuf, die später von beinah der halben Welt übernommen wurde. Für Lenin war Politik etwas Persönliches, und Sebestyen gelingt es, das Augenmerk auf Lenin als Menschen zu richten und das private mit dem politischen Leben und Wirken zu verknüpfen. Victor Sebestyen erzählt tempo- und kenntnisreich von Lenins Welt - und wirft dabei ein ganz neues Licht auf die Russische Revolution, einen der großen Wendepunkte der modernen Geschichte.
Autorenporträt
Victor Sebestyen wurde 1956 in Budapest geboren und verließ Ungarn noch als Kind. Er ist Historiker und arbeitete als Journalist und Auslandskorrespondent u. a. für den 'London Evening Standard' und die 'New York Times'. Heute ist er für 'Newsweek' tätig. 2015 erschien bei Rowohlt Berlin sein Buch '1946. Das Jahr, in dem die Welt neu entstand', das von der Presse hoch gelobt wurde. Victor Sebestyen lebt in London.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.10.2017

Ein Mann sieht rot
Victor Sebestyen legt eine Lenin-Biographie vor

Die Lenin-Biographie des Londoner Journalisten Victor Sebestyen erscheint pünktlich zum hundertjährigen Jubiläum der Russischen Revolution. Sie erzählt Lenins Leben flüssig, bisweilen fesselnd und streng chronologisch, arrangiert in mehr als fünfzig Kapiteln, die selten länger als fünf Seiten lang sind. Geburt 1870 in der Wolgastadt Simbirsk in eine Familie des Beamtentums und des Imperiums: kalmückische Wurzeln väterlicherseits, deutsch-lutherische und jüdische mütterlicherseits, ein Hintergrund, der zu Sowjetzeiten vertuscht wurde - Lenin wurde als ethnischer Russe dargestellt. Ausgezeichneter Schüler, Konversion zum Revolutionär mit siebzehn, als sein älterer Bruder, ein revolutionärer Terrorist, wegen eines geplanten Attentats auf den Zaren hingerichtet wird. Jurastudium, revolutionäre Zirkel, erste Bekanntschaft mit den Schriften von Marx. Politische Aktivität im Untergrund, Verbannung nach Sibirien, ein Vierteljahrhundert Exil in München, London, Genf und Paris - mit russischer Stippvisite zur Revolution 1905. Rückkehr im April 1917, im Oktober, Bürgerkrieg, Krankheit, Tod 1924, Nachleben im Leninkult. Als Einsprengsel gibt Kontextkapitel zum Ersten Weltkrieg und zu anderen Epochenereignissen.

Viel Aufmerksamkeit schenkt Sebestyen den Frauen in Lenins Leben - in der englischen Originalausgabe trägt das Buch den Untertitel "An Intimate Porträt". Männern öffnete Lenin sich nicht, er benutzte sie und warf sie weg, wenn er sie nicht mehr brauchte. Aber Mutter und Schwiegermutter und vor allem die offene Ménage à trois mit Nadeschda Krupskaja, die er 1898 heiratete, und Inessa Armand, einer französisch-russischen Sozialistin und Mutter von vier Kindern, mit der ihn eine Liebesbeziehung von 1911 bis zu ihrem Tod 1920 verband, waren zentral für sein "Gefühlsleben". Und sein politisches sowieso, Sebestyen zitiert hier zustimmend Krupskaja: "Wladimir Iljitsch hätte niemals eine Frau lieben können, mit deren Meinungen er nicht übereinstimmte und die nicht seine Kameradin bei der Arbeit war."

Bei "Gefühlsleben" und Politik ist man aber auch schon beim Problem: Es wird viel personalisiert in dieser Biographie. Lenins rhetorischer Stil, seine Auslegung des Marxismus - alles wird als persönliche Vorliebe, als Charaktereigenschaft ausgelegt. Dasselbe gilt für seine Zornesausbrüche und seine überreizten Nerven. Hier ist das Buch völlig unbeleckt von vielen wichtigen neueren Arbeiten, die sich etwa den zeitgenössischen Nervositätsdiskurs, Lenins und Stalins Rhetorik oder die bolschewistische Geschlechter- und Sexualitätengeschichte vornehmen.

Im Kern ist Sebestyens Buch eine narrative Synthese im Stile von Simon Sebag Montefiores Stalin-Biographien, wenn auch etwas gewissenhafter, genauer, weniger sensationslüstern. Aber so kann man eine Biographie heute eigentlich nicht mehr schreiben. Zumal fünfundzwanzig Jahre nach Öffnung der Archive kaum noch neue Funde zu erwarten sind.

Eine moderne Lenin-Biographie müsste Lenin von Uljanow trennen, Mensch und Mythos, Person und Theoretiker. Sie müsste das Vielvölkerreich hineinbringen, auch die Themen Kommunikation und Mobilität: die Reisedauer eines Briefes, die Wege verbotener Literatur, die Schwierigkeiten beim Reisen von Europa nach Russland und innerhalb des riesigen Russischen Reiches. Statt seine Geschichte mit solchen Wassern zu waschen, tappt Sebestyen dagegen immer wieder in die hagiographische Falle, etwa wenn er die Legende vom Antiraucher für bare Münze und als typisch für Lenins Charaktereigenschaft nimmt. Das hört sich dann so an: "Eines Abends in Kokuschkino nun, als er sich nach dem Abendessen wieder eine Zigarette ansteckte, fuhr ihn die Mutter an, die sonst ihre Stimme kaum je erhob und niemals barsch mit ihren Kindern war, dass Wladimir doch kein eigenes Einkommen habe und das Geld der Familie nicht für Tabak verschwenden dürfe. Da hörte er von jetzt auf gleich mit dem Rauchen auf - und missbilligte später auch, wenn Leute es in seiner Gegenwart taten."

Wer dasselbe will, was bei Sebestyen geboten wird, bekommt es auf Deutsch auch bei der Lenin-Biographie von Robert Service, nur besser. Gedulden muss sich allerdings noch, wer eine wirklich lohnenswerte Lenin-Biographie sucht - auf der Höhe der Zeit, nicht des Jubiläums.

JAN PLAMPER

Victor Sebestyen: "Lenin". Ein Leben.

Aus dem Englischen von Karin Schuler, Henning Thies und Norbert Juraschitz. Rowohlt Berlin Verlag, Berlin 2017. 704 S., geb., 29,95 [Euro].

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Die Informationsfülle dieses Buches ist beeindruckend. der Freitag