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Vom Glück, sich ganz und gar in einer Sache zu verlieren.Leser, dies ist ein seltsames Buch! Da verbringt einer Jahre damit, mit bedingungsloser Hingabe den um die halbe Welt verstreuten Spuren eines vergessenen Menschen nachzuforschen, der sich seinerseits mit bedingungsloser Hingabe den seltsamsten Passionen widmete.Leser, dies ist ein wunderbares Buch! Denn wenn Fredrik Sjöberg über Gustav Eisens turbulentes Leben (1847-1940) schreibt, schlägt er bizarrste erzählerische Kapriolen, schreibt über alles und nichts, und bleibt doch auch selbst noch in der skurrilsten Abschweifung immer beim…mehr

Produktbeschreibung
Vom Glück, sich ganz und gar in einer Sache zu verlieren.Leser, dies ist ein seltsames Buch! Da verbringt einer Jahre damit, mit bedingungsloser Hingabe den um die halbe Welt verstreuten Spuren eines vergessenen Menschen nachzuforschen, der sich seinerseits mit bedingungsloser Hingabe den seltsamsten Passionen widmete.Leser, dies ist ein wunderbares Buch! Denn wenn Fredrik Sjöberg über Gustav Eisens turbulentes Leben (1847-1940) schreibt, schlägt er bizarrste erzählerische Kapriolen, schreibt über alles und nichts, und bleibt doch auch selbst noch in der skurrilsten Abschweifung immer beim Thema. Eisen verdanken wir, dass es noch Mammutbäume gibt (er gründete den Sequoia-Nationalpark), dass Strindberg studieren (und später seine Bücher schreiben) konnte, eine grandiose Korrespondenz mit Darwin über Regenwürmer (Eisen war der Gott der Regenwurmforschung), das Standardwerk über Rosinen (die er jahrelang in Kalifornien züchtete) und eins der größten und schwersten Bücher, die es überhaupt gibt - über einen Kelch (heute im Metropolitan Museum of Art zu bestaunen), den er für den Heiligen Gral hielt. Vor allem aber ist er der Ausgangspunkt dieses wundersamen Buches, das selbst den Glanz jenes Glücks ausstrahlt, das nur dann entsteht, wenn man beschlossen hat, ganz für seine Passionenzu leben.Flankiert wird das staunenswerte Portrait eines vergessenen Universalgenies von Sjöbergs Erkundungsreise in die Welt der Sonderlinge, Sammler, Naturforscher und -bestauner. Und einmal mehr gelingt Sjöberg das fast Unmögliche: In einem Buch über einen bizarren Außenseiter sondiert er in Montaigne'scher Weisheit, was das Wesen des Unglücks, des Glücks, die Stellung des Menschen in der Natur und das Wesen des Einsseins mit sich und der Welt ausmacht.
Autorenporträt
Sjöberg, Fredrik§
Fredrik Sjöberg ist schwedischer Schriftsteller, Journalist, Übersetzer und Schwebfliegensammler. Seine Bücher sind in mehrere Sprachen übersetzt, seine Schwebfliegensammlung war in Venedig auf der Biennale im schwedischen Pavillon als Kunstobjekt über das Sammeln ausgestellt. Bei Galiani erschienen von ihm Der Rosinenkönig. Von der bedingungslosen Hingabe an seltsame Passionen (2011), Die Kunst zu fliehen. Vom Glück sich in kleine Dinge zu versenken und große Kontinente zu entdecken (2012) und Vom Aufhören. Über die Flüchtigkeit des Ruhms und den Umgang mit dem Scheitern (2018).
Berf, Paul§
Paul Berf, 1963 in Frechen geboren, studierte Skandinavistik und lebt als freier Übersetzer in Köln. Er übersetzt aus dem Schwedischen, Norwegischen und Dänischen ins Deutsche, u.a. Werke von Selma Lagerlöf, Henning Mankell und Kjell Westö. Er ist der Übersetzer des sechsbändigen Romanzyklus Min Kamp von Karl Ove Knausgård, wofür er 2014 mit dem Jane-Scatcherd-Preis ausgezeichnet wurde. Bei Galiani erschienen von ihm die Übersetzungen von Fredrik Sjöbergs Der Rosinenkönig (2011), Die Kunst zu fliehen (2012) und Vom Aufhören (2018).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.03.2011

Sich forschend vom Hundertsten ins Tausendste bewegen

Ein lebenskluges Buch über die Poesie des Sammelns: Fredrik Sjöbergs faszinierender Essay rankt sich um das Leben von Gustaf Eisen, einem vergessenen Universalgenie, mit dem er die Welt entdeckt.

Das Leben eines allenfalls in Spezialistenkreisen noch bekannten Naturwissenschaftlers scheint kaum ein Thema zu sein, für das ein breiteres Publikum sich interessieren müsste. Anders liegt der Fall, wenn sich der schwedische Biologe, Schriftsteller, Journalist und Literaturkritiker Fredrik Sjöberg der Sache annimmt, wie zumindest die Leser seines wundervollen, 2008 auf Deutsch erschienenen Buches "Die Fliegenfalle" wissen. Dort hatte der Autor dem vergessenen Stockholmer Insektenforscher René Malaise nachgespürt und die Spurenlese auf den Fersen dieses naturkundlichen Abenteurers mit seiner eigenen Biographie als Fliegensammler und Inselbewohner durchmischt - sowie mit einer Fülle von Reflexionen darüber, was das denn alles bedeutet: zu sammeln, sich eine Insel als Lebensort zu wählen, sich forschend vom Hundertsten ins Tausendste und wieder zurück treiben zu lassen.

Nun ist es ein gewisser Gustaf Eisen, der von 1847 bis 1940 lebte, ein Baum von einem Wissenschaftler gleichsam, um den sich Sjöbergs neuer biographisch-autobiographischer Essay rankt, und man muss sagen, Werk und Wirken dieses Mannes böten an sich schon Stoff für eine üppige Lebensschilderung. Nach frühen botanischen Studien in seiner schwedischen Heimat wandert der junge Forscher nach Kalifornien aus, wo er bald federführend für die Akademie der Wissenschaften tätig wird - unter anderem als Archäologe, Ethnologe und Biologe. Der "Gott der Regenwurmforschung", dessen Systematik auch Darwin beeindruckt (mit dem er Briefe wechselt), belässt es freilich nicht beim Studium wirbelloser Tiere - oder etwa der Untersuchung der Anopheles-Mücke, die schließlich zur Identifizierung des Malariaerregers führt. Darüber hinaus betätigt er sich als Pionier der Wein-, Rosinen-, Gartenbau- und Feigenindustrie (seine Bücher "The Fig" und "The Raisin Industry" gelten noch heute als Standardwerke), führt die Avocado in Kalifornien ein, reist mit Friedrich Ratzel, dem Begründer der Kulturgeographie, fünfmal durch die Sierra Nevada und setzt die Gründung des Sequoia-Nationalparks durch. Ganz zu schweigen von seinen Innovationen in der Mikroskoptechnik, seinen Erfolgen als Porträtfotograf und dem Aufbau der größten Sammlung antiker Mayatextilien.

Fasziniert folgt der Leser dem Rhythmus von Abbrüchen und Neuanfängen, den Sjöberg aus dieser Fülle ganz unterschiedlicher Leistungen herausliest. Beim Erdbeben und großen Brand von San Francisco im April 1906 fallen fast Eisens gesamte Sammlungen, Archive und Korrespondenzen den Flammen zum Opfer. Was macht so einer dann, mit fast sechzig Jahren? Er fängt noch einmal von vorne an. Eisen widmet sich nun dem Studium von Glasperlen, um zehn Jahre später auch auf diesem Gebiet als Koryphäe dazustehen. Er ersinnt Datierungsmethoden für das in allen Kulturschichten anzutreffende Schmuckstück, verfasst ein umfangreiches Werk zum Thema - und er malt seine Glasperlen. Vierzigtausend Miniatur-Aquarelle fertigt Eisen an, "geordnet nach einem großartigen System, ein ganzes Universum in Miniatur", das der Autor ein halbes Jahrhundert später vergessen in einem Stockholmer Archiv aufspürt. Doch damit nicht genug. In einem Antiquitätenladen glaubt Eisen auf den Heiligen Gral gestoßen zu sein. Heute steht der reich verzierte Silberkelch, den er dort entdeckte, aber falsch datierte, im Metropolitan Museum of Art in Manhattan. Über das prachtvolle Buch, das er zu seinem vermeintlichen Sensationsfund herausbrachte, sagt Sjöberg: "Es ist das größte, schwerste und kostbarste Buch in meinem Besitz. Schraubt man ihm Beine an, hat man einen Tisch."

Auch eine dreibändige Sammlung mit Porträts von George Washington zählt zu den Veröffentlichungen des Forschers. Längst hat sich sein vergleichender und taxonomischer Ehrgeiz von der Natur- auf die Kunst- und Kulturgeschichte verlagert. Darin gleicht er der Entwicklung von Sjöbergs eigenen Interessen. Von ihm ist in dem so launig-pointiert wie nachdenklich geschriebenen Buch nicht weniger die Rede als von seinem unerschöpflich produktiven Landsmann. Wie Gustaf Eisen beginnt Sjöberg schon in jungen Jahren mit dem Botanisieren; und so verknüpft er das Sinnieren über dessen Werdegang mit der Frage nach den Motiven des eigenen Lebenswegs: Am Anfang von Eisens Karriere stünden "mit Sicherheit Hunderte Exkursionen mit einer Botanisiertrommel und in kurzen Hosen; ein Konzentrat, an dem man fast erstickt, das sich jedoch mit fünf Teilen Fantasie und eigenen Erinnerungen gut verdünnen lässt".

Die Geschichte seiner Schwebfliegensammlung, die im Jahr 2009 sogar auf der Biennale in Venedig ausgestellt wurde, hat Sjöberg in "Die Fliegenfalle" erzählt. Jetzt geht er den Antrieben des Sammelns und Forschens anhand von Erinnerungen nach, die um das suggestive Bild einer "Naturgeschichte der Sommernacht" kreisen. Hinreißend etwa die Schilderung, wie er als Knabe versucht, an die Glühlampe einer Straßenlaterne heranzukommen, um mit ihrer Hilfe Schmetterlinge anzulocken. Zwar misslingen seine heimlichen nächtlichen Bemühungen, doch münden sie in eine Erforschung des Beleuchtungssystems seiner Heimatstadt, mit dem der Junge alsbald originelle Dinge anzustellen weiß. Als Krönung seiner Beschäftigung mit den Straßenlampen Västerviks gelingt es ihm, die ganze Stadt in ein wildes nächtliches Blinken zu versetzen.

Dieser Junge, "der irgendwohin unterwegs war", wird zwar "wiederkehrende Käferphasen" durchlaufen und folgerichtig Biologie studieren. Als er sich aber ernsthaft akademisch spezialisieren müsste, vermag er sich nicht für eine nachvollziehbare Karriere zu entscheiden. Ganz im Unterschied zu seinen Freunden, die Jahre später "gelegentlich als abgezehrte Professoren in fußläufiger Entfernung vom Gestrigen" auftauchen, in akademischen Revieren, "so dichtgedrängt wie in einer Papageientaucherkolonie".

Vielleicht weil Sjöberg seine Naturbegeisterung nicht einhegen kann, beginnt er zu schreiben, zu übersetzen und Geschichten von Naturforschung als Passion zu erzählen. In der "Fliegenfalle" hatte das Inseldasein - die "Suche nach einem Sinn im Dasein mit Hilfe von etwas klar Abgegrenztem" - das Motiv gebildet, an das sich die Betrachtungen des Autors anlagern konnten. Im "Rosinenkönig" leisten dies die scheinbar abrupten Hakenschläge von Gustaf Eisens Interessen, die Kehrtwendungen, die jemand machen muss, dessen Neugier auf die Welt keine disziplinären Grenzen kennt. Der Satz, dass alles mit allem zusammenhängt, so leichthin gesagt, scheint jedenfalls einen höchst wendigen Kopf zu erfordern, wenn er denn wirklich den roten Faden eines Lebensweges bilden soll. Der Abweg ist das Ziel, könnte das Motto dieser zauberhaft ausgreifenden Prosa lauten, die dank Paul Berfs Übersetzung auch im Deutschen ein Lesevergnügen ist.

So ist in diesem Buch, das wahrlich ein Genre für sich bildet, von vielen Dingen die Rede: von August Strindberg, in dessen Prosa sein Studienkollege und langjähriger Mäzen Gustaf Eisen Spuren hinterließ, von der Einsamkeit rein männlicher naturkundlicher Fächer ("irgendetwas an der Kombination von Insekten und Sammeln wirkt auf Frauen extrem abschreckend"), von der Bedeutung "Pippi Langstrumpfs" für den schwedischen Baumschutz, aber auch von Sjöbergs Skepsis gegenüber einem Naturschutzgedanken, der sich einzig an der Bewahrung des Ist-Zustands orientiert. Im Kaleidoskop seiner Neugierde arrangiert sich dabei die Fülle der Welt zu immer neuen verblüffenden Arrangements.

Unter der Hand beschreibt Sjöberg einen großen Bogen, der von der Erkundung einzelner Arten - als den "Vokabeln" der Natur - zur Sehnsucht nach der größeren Erzählung reicht, letztlich nach so etwas wie der Poesie des Lebens. Es ist diese Fluchtlinie, die den Zauber seines Buches ausmacht. Bei aller Ironie und Selbstironie für die entrückten "Knopfologen", wie Strindberg die Sammler nannte, hat der Autor einen tiefen Sinn für die Faszinationskraft und Tragweite kleinster Befunde, aber auch für die weiten Wege, die sie Menschen gehen lassen, hin zu größeren Zusammenhängen.

Gustaf Eisen jedenfalls, dieser aus der Zeit gefallene Renaissancemensch, scheint am Ende seine Lebensinsel gefunden zu haben. Die letzten zwanzig Jahre seines Lebens verbringt er in New York. Während er tagsüber lernt, Keilschriften zu lesen, um ein Buch über babylonische und mesopotamische Zylindersiegel vorzubereiten, geht er jeden Morgen drei Stunden im Central Park spazieren, Eichhörnchen und Vögel fütternd. "Er kannte über hundert Eichhörnchen als Individuen, mit Namen und allem. Man darf annehmen, dass die Freundschaft erwidert wurde. Er muss eine der wirklich prägnanten Gestalten des Parks gewesen sein, wahrscheinlich hoch respektiert. Und so erzählt man sich, dass die Parkverwaltung jedes Jahr eine Limousine mieten ließ, die Eisen durch den Park fuhr, überallhin, damit er die Bäume auswählen konnte, an denen neue Nistkästen angebracht werden sollten." Auch das Leben der Tiere und die Passionen der Menschen hängen manchmal eng zusammen in diesem wunderbaren Buch.

MICHAEL ADRIAN

Fredrik Sjöberg: "Der Rosinenkönig" oder Von der bedingungslosen Hingabe an seltsame Passionen.

Aus dem Schwedischen von Paul Berf. Verlag Galiani, Berlin 2011. 237 S., geb., 18,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 13.03.2012

Tücken eines Fledermausdetektors
Gleich zweimal hat sich der schwedische Autor Fredrik Sjöberg auf die Spuren
vergessener Sonderlinge gesetzt. Aber nur beim ersten Mal hat das geklappt
Die beiden Bücher Fredrik Sjöbergs gleichen sich wie ein Ei dem anderen; kleine naturkundliche Objekte (ein Schmetterling, ein Kiefernzapfen, eine Feder) sind auf dem Cover verstreut, dazwischen ziehen sich die Zeilen des umständlichen Titels. „Der Rosinenkönig oder Von der bedingungslosen Hingabe an seltsame Passionen“ befasst sich mit dem Leben des gebürtigen Schweden und eingewanderten Amerikaners Gustav Eisen (1847-1940).
Bedingungslose Passionen waren es ja eigentlich nicht, die ihn heimsuchten; eher schon wird die Geschichte eines Ruhelosen erzählt, den es nirgends länger als ein paar Jahre hielt, wobei er zwischen der Erforschung der Regenwürmer, der Rosinenzucht, dem Kampf für die kalifornische Riesen-Sequoia, der Begeisterung für Glasperlen und dem Einsatz für den Heiligen Gral, den er bei einem Antiquitätenhändler gefunden zu haben meinte, in wechselnden Phasen wild schwankte.
Dass die Figur dieses seriellen Monomanen dennoch merkwürdig blass bleibt, schadet dem Buch erstaunlicherweise nur wenig. Denn eigentlich dient dem Autor Gustav Eisen nur zum Vorwand, um sich seinerseits ins Marottenhafte zu verlieren – und Sjöbergs Marotten sind die bei weitem charmanteren. Er zeigt sich hier, wo nicht als großer Erzähler (er bleibt nie wirklich lang bei einer Sache), so doch als begnadeter Causeur, dem man mit Vergnügen sein Ohr leiht.
Auch sein Leben ist das eines Sammlers, der sich erst in kindlichem Eifer auf Nachtfalter wirft, später aber mit dem Ernst des Erwachsenen sich den Schwebfliegen zuwendet. Doch dieser Sammler lebt nicht primär in seinen Objekten, die einen Nicht-Fachmann kaum vom Hocker reißen dürften, sondern in seinen Erinnerungen: wie er einst bei seinen nächtlichen Ausflügen einem Dachs begegnete und beide erschrocken flohen; wie er sich maßlos blamierte, als er bei einer Obsthändlerin nach ultravioletten Birnen fragte, die ihm sein Handbuch für das Anlocken von Nachtinsekten empfahl.
Die größte Genugtuung, welche diesem Sammler widerfährt, stürzt ihn zugleich in den tiefsten Zweifel. Seine Kollektion soll den skandinavischen Pavillon auf der Biennale zieren! Die Schwebfliegen werden zu einem Betrag versichert, der den Wert von Sjöbergs Haus übersteigt, und ab geht es nach Venedig. „Dort sind sie im Moment, während ich dies schreibe, die ganze Rasselbande – als der letztgültige und in meinen Augen schönste Beleg dafür, dass die internationale Gegenwartskunst am Ende ist, erledigt. . . . Stellt man in Venedig Fliegen aus, ist das Ende nah, sehr nah.“ Der Autor sagt dies mit aufrichtiger Bekümmerung; denn er möchte, dass die Kunst sich einen echten, eigenen Zugang zur Schönheit bewahrt oder wiederfindet.
Zeit also, umzusatteln. „Mittlerweile bin ich Besitzer eines Fledermausdetektors . . . Jeder einsame Mensch sollte ein solches Gerät besitzen oder auch jeder, der lediglich schüchtern ist und es nicht wagt, sich seinem Tischnachbarn so ohne weiteres mit dem Vorschlag eines Bummels in der Dunkelheit zu nähern.“ Die Sommernacht lächelt. Und wenn man sich ein wenig die Beine vertreten will zu einem Spaziergang im Mondschein am See (wo nun wiederum die Wasserfledermäuse ihr Wesen treiben), „dann muss man nicht alleine gehen“. Das sind die letzten Worte des Buchs. Und dies, dass es nicht allein gehen will, verleiht ihm einen Zauber, von dem sein angeblicher Held weit entfernt ist.
Man möchte das Buch weniger gelungen nennen als eher einen Wurf, wie er sich so wohl nur einmal ergibt. Doch Sjöberg wagt sich, wohl angeregt durch den Erfolg, an die Duplik; und da schlägt, was im früheren Buch als leichthändiger Charme daherkam, in Anstrengung und Kalkül um. Wieder hat Sjöberg einen schwedischen Landsmann mit Wurzeln im 19. Jahrhundert ausgegraben, den es in die weite Welt zog, wieder vor allem in den Westen der USA. Diesmal ist es Gunnar Wildforss, seines Zeichens Landschaftsmaler, spezialisiert auf Kiefern. Ihm widerfuhr es leider, obwohl er ein befähigter Aquarellist war, dass er gerade auf dem Höhepunkt der klassischen Moderne wirkte, als kein Hahn mehr nach Landschaften kräht.
Doch wieder entzieht sich das Objekt, trotz aller Mühe, mit der Sjöberg Briefe und Verwandte aufstöbert, auf merkwürdige Art dem Griff des Biografen. Nicht nur einem Pechvogel jagt der Autor nach, sondern offenbar einem Wesen, das menschlich undeutlich bis zur Unsichtbarkeit ist. Auch die eigenen Erlebnisse und Reminiszenzen, die Sjöberg beisteuert, geraten dieses Mal ein wenig bemüht, wahllos und matt. Es stellt sich beispielsweise heraus, dass eine bestimmte Widmung, die an Sven Hedin, den berühmten schwedischen Forschungsreisenden, gerichtet schien - wichtige Spur! - tatsächlich nur dessen gänzlich glanzlosem Zeitgenossen Sven Hedèn galt. Da fehlt die Pointe.
Ferner haben Gastauftritte: die Kaugummi-Industrie der vorletzten Jahrhundertwende, ein Glimmerbergwerk in Madagaskar, ein schwedischer Pharmakonzern und der fehlgeschlagene Versuch, ein Kamelreiterkorps zu gründen. „Ich hatte den längsten Güterzug meines Lebens gesehen, das war das eine, und das andere war ein historisches Denkmal, oder wie man es nennen will; ein hässlicher Steinsockel mit einer Gedenktafel, auf der in aller Kürze erzählt wurde, dass sich an dieser Stelle eine ‚historisite’ befinde, weil im Jahre 1857 Leutnant Edward und seine Kamele, eine ganze Karawane, hier vorbeigekommen seien.“ Ein Plauderer, den die Anmut verlässt, wird im Handumdrehen zur Nervensäge.
Wie wird es weitergehen? Das Buch nährt die Vorahnungen. „Gustaf Nordenskiölds Buch ‚The Cliff Dwellers of the Mesa Verde’ ist in den USA ein Klassiker. Es erschien 1893. Er starb im Jahr darauf, mit 26 Jahren. Seltsamerweise hat noch keiner seine Geschichte erzählt.“ Ja, sehr seltsam. Aber das wird bestimmt demnächst nachgeholt: Man rate, von wem.
BURKHARD MÜLLER
„Wenn in Venedig
Fliegen ausgestellt werden,
ist das Ende nah, sehr nah“
Fredrik Sjöberg
Der Rosinenkönig
oder Von der bedingungslosen Hingabe an seltsame Passionen. Aus dem Schwedischen von Paul Berf. Galiani Verlag, Berlin 2011. 240 Seiten, 18,99 Euro
Die Kunst zu fliehen
Vom Glück sich in kleine Dinge zu versenken und große Kontinente zu entdecken. Aus dem Schwedischen von Paul Berf. Galiani Verlag, Berlin 2012.
220 Seiten, 18,99 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Man kann wohl sagen, dass die Lektüre dieses Buchs den hier rezensierenden Schriftsteller Andreas Maier glücklich gemacht hat. Fredrik Sjöberg, in einem früheren Leben Feldforscher auf dem Gebiet der Schwebfliegen, erzählt von Sammlern und Feldforschern, die sich ganz ihrer Passion hingegeben haben: Gustav Eisen etwa, ein berühmter Fachmann für Regenwürmer, ein anderer war Spezialist für Seegurken und natürlich fehlt auch Darwin nicht. Sjöberg zeigt an ihnen alle Klischees auf, die man mit Sammelwut verbindet, aber er macht das so "offensiv", schreibt Maier, dass sie einem plötzlich als Originale vor Augen stehen. Das Buch ist gut geschrieben, es liest sich wie ein Roman, so Maier, und es hat ihn etwas gelehrt: Dass man im Kleinen das große Ganze sehen kann. Ein Kompliment geht auch an den Übersetzer Paul Berf.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Sjöbergs Stil und Humor sind von einer Spezies, die man schon für ausgestorben hielt." -- Stern