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Ein Kurort in der Schweiz, Spätherbst 1919. Elizabeth Mortlake und ihre Schwägerin sind aus Oxford angereist, um sich in der kleinen Stadt am See von ihrem Verlust zu erholen. Michael, Marys Ehemann und Elizabeths Bruder, ist im Krieg gefallen. Viel Gesellschaft hat der Ort am Ende der Saison nicht zu bieten, nur ein deutscher Waffenhändler und seine langweilige Tochter zeigen ein unwillkommenes Interesse an den beiden jungen Frauen. Während Mary sich mehr und mehr in ihrer Trauer vergräbt, gerät Elizabeth in den Bann des geheimnisvollen Captain Jameson, der eines Tages im Speisesaal des…mehr

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Produktbeschreibung
Ein Kurort in der Schweiz, Spätherbst 1919. Elizabeth Mortlake und ihre Schwägerin sind aus Oxford angereist, um sich in der kleinen Stadt am See von ihrem Verlust zu erholen. Michael, Marys Ehemann und Elizabeths Bruder, ist im Krieg gefallen. Viel Gesellschaft hat der Ort am Ende der Saison nicht zu bieten, nur ein deutscher Waffenhändler und seine langweilige Tochter zeigen ein unwillkommenes Interesse an den beiden jungen Frauen. Während Mary sich mehr und mehr in ihrer Trauer vergräbt, gerät Elizabeth in den Bann des geheimnisvollen Captain Jameson, der eines Tages im Speisesaal des Hotels auftaucht und dort kein gern gesehener Gast ist. Jeder im Ort scheint den abweisenden Engländer zu kennen, jeder etwas über ihn zu wissen. Angeblich hat er Geld, angeblich handelt er mit seltenen Büchern und Manuskripten. Ein gebildeter Mann von zweifelhaftem Ruf, dessen Geheimnis Elizabeth zu ergründen sucht. Das führt sie zu einem nahegelegenen Kloster und in ein Militärkrankenhaus. Sie lernt eine alte Nonne kennen, die alles über die Abgründe des Lebens weiß, eine eifersüchtige Novizin, einen Offizier und Gentleman, dem ein Todesurteil droht, einen Arzt, der den schwer verwundeten Soldaten neue Gesichter machen kann. Und sie lernt, wie fragwürdig ihre eigenen moralischen Urteile sind.

Die Stadt am See entpuppt sich für die Gäste als bizarres Zwischenreich: das alte Leben ist zu Ende, was das neue bereithält, ist ungewiss. In dieser gefühlstauben Welt, zwischen all den Verkrüppelten und Versehrten, findet Elizabeth eine ungekannte Freiheit und vielleicht den Mut für einen Neuanfang.
Autorenporträt
Edric, Robert
Robert Edric ist das Pseudonym des englischen Schriftstellers Gary Edric Armitage. Edric wurde 1956 in Sheffield geboren. Nach seinem Studium der Geographie an der Universität von Hull, widmete er sich der Schriftstellerei. Mittlerweile hat er über zwanzig Bücher verfasst. Er wurde mit dem renommierten "James Tait Black Price" (1985) ausgezeichnet, außerdem waren seine Romane für den "Guardian Fiction Award" (1986) und den "Booker Prize" (2002, 2006) nominiert.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.02.2015

Englische Patienten
Weltkriegskrüppel im Kurhotel: Robert Edrics Roman "In finsteren Himmeln" führt in eine Trauerhölle im Kammerspielformat

Der "Große Krieg" von 1914 bis 1918 ist in der zeitgenössischen englischen Literatur immer noch gegenwärtig, anders als in der deutschen, in der selbst der hundertste Jahrestag kaum Spuren hinterließ. Während etwa Pat Barker in ihrer großen "Regeneration"-Trilogie am Beispiel einer Gruppe von traumatisierten Schriftstellern ethische Fragen der psychiatrischen Behandlung von Kriegszitterern und die Auflösung der alten Klassen- und Geschlechterverhältnisse durch die Krise der Männlichkeit beschrieb, nähert sich Robert Edric (ein Pseudonym von Gary Edric Armitage) in seinem 1997 erschienenen Roman "In Desolate Heavens" den Schrecken des Ersten Weltkriegs über Umwege an.

Im Jahr 1919 wird in einem Schweizer Kurort eine Gruppe von Rekonvaleszenten - deutsche Kurgäste und englische Kriegskrüppel, Männer und Frauen, Opfer und Täter, Kranke und Pfleger - mit den physischen und psychischen Spätfolgen des Weltkriegs konfrontiert: Zwangsvorstellungen und Albträume, echte Leiden, Phantomschmerzen und "hysterische Blindheit", amputierte Glieder und zerstörte Gesichter, versteckt hinter Masken, Prothesen und kultivierten Umgangsformen. Hinter den Gästen liegt das Grauen, vor ihnen die Ungewissheit (einer spricht sogar schon hellsichtig von einer "Zwischenkriegszeit"); die Rückkehr in das "sichere kleine Leben zu Hause" ist jedenfalls allen verbaut.

Die junge Witwe Mary kommt über den Tod ihres Mannes Robert nicht hinweg und hungert sich systematisch zu Tode. Roberts Schwester Elizabeth scheitert bei dem Versuch, ihre Schwägerin vor der Selbstzerstörung zu retten; aber dafür gelingt der unkonventionell-freigeistigen Engländerin als einziger Figur so etwas wie ein Neuanfang. Die Männer sind noch stärker vom Krieg gezeichnet. Der zwielichtige, unnahbare Jameson, unter dessen Schroffheit sich ein melancholischer Offizier und Gentleman verbirgt, handelt mit pornographischen Büchern und kümmert sich gleichzeitig aufopferungsvoll um seinen schwer traumatisierten Freund Hunter, dem ein Prozess vor dem Kriegsgericht droht. Jameson ist entzweit mit sich und seiner Zeit, aber er hadert und jammert nicht: Ein Mann von Ehre sucht die Schuld nicht bei andern, sondern tut ohne viel Worte, was seine Pflicht ist.

Elizabeth ist das Herz von Edrics Roman, Jameson sein Gravitationszentrum. Die barmherzige, lebenserfahrene Nonne Margret schätzt seinen Pragmatismus, die blutjunge Krankenschwester Ruth ist heimlich in ihn verliebt; für die nüchternen Ärzte ist er so etwas wie ein Kollege, für den Erotika-Fotografen Emil und seine Modelle ein diskreter Auftraggeber, selbst die Zigeuner draußen vor der Stadt verehren ihn als Wohltäter. Aber nicht alle sind gut zu sprechen auf den schweigsamen Mann. Der Hoteldirektor fürchtet Jamesons geschäftsschädigenden Zynismus; für die Gottliebs, eine deutsche Spießerfamilie, ist der Engländer der alte Kriegsgegner, und auch der schneidige Captain Cox wittert in ihm den Dämon, der alles in Frage stellt. Elizabeth fühlt sich ebendarum instinktiv zu Jameson hingezogen. Er stößt sie immer wieder kalt zurück; von Liebe ist nie die Rede. Aber im Hinterzimmer von Emils Fotostudio verbringt sie eine Nacht mit dem pornographischen Gentleman.

Es passiert wenig in Edrics "Finsteren Himmeln". Lange, ernste Gespräche über Schuld und Sühne im "Zeitalter der Ausflüchte und der Plattitüden" wechseln sich ab mit langen Gängen durch Klöster- und Klinikflure, labyrinthische Altstadtgassen und über gleißende Gletscherfelder. Die endlose Parade der Krüppel in ihren Rollstühlen wird hin und wieder unterbrochen von kleineren Zwischenfällen - Blutstürze, Anfälle, Suizidversuche, erotische Spannungen - , und am Ende löst sich der scheinbar so geordnete Kur- und Krankenbetrieb in einem Chaos von Auf- und Abbrüchen auf.

Der Schauplatz des Romans, ein spätherbstlicher trüber Kurort in den Schweizer Alpen, ist so traurig und düster wie die Herzen und Seelen der Invaliden: Keiner vermag aus seiner Haut zu schlüpfen, keiner findet die richtigen Worte, nicht einmal Elizabeth, die sich noch am ehesten von den finsteren Schatten der Vergangenheit befreit. Edric enthüllt die Narben und offenen Wunden der Kriegsversehrten subtil und behutsam, aber er strapaziert mit seiner spröden, unterkühlten Sprache auch die Geduld der Leser.

Der Geruch des Todes ist mit Händen zu greifen, aber die Gefühle und Geheimnisse der "ins Joch ihres unaussprechlichen Kummers gespannten" Figuren bleiben letztlich undurchschaubar. Alles Wichtige wird verschwiegen, verdrängt, verschüttet unter Eislawinen, Nebeln und bedeutungsvollem Raunen, und so wird man nie so recht warm mit den erfrorenen und verkrüppelten Seelen und ihrer "Strategie von Verlust, Rückzug und Selbstzerstörung" auf engstem Raum. "In finsteren Himmeln" ist kein episch ausgreifender Nach- oder Zwischenkriegs-"Zauberberg", sondern eine klaustrophobisch geschlossene Trauerhölle im Kammerspielformat.

MARTIN HALTER

Robert Edric: "In finsteren Himmeln". Roman. Aus dem Englischen von Friedhelm Rathjen. Steidl Verlag, Göttingen 2014. 461 S., geb., 24,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Der bereits 1997 erschienene Roman des unter dem Pseudonym Robert Edric schreibenden Gary Armitage ist nun unter dem Titel "In finsteren Himmeln" auch auf Deutsch zu lesen, berichtet Rezensent Martin Halter und zeigt sich nach der Lektüre ein wenig enttäuscht. Denn die im Jahr 1919 in einem Schweizer Kurort spielende Erzählung, in der deutsche Kurgäste, englische Kriegskrüppel, Opfer und Täter, Kranke und Pfleger aufeinandertreffen, erscheint dem Rezensenten ein wenig zu kühl geschrieben, um ihn bei der Stange zu halten. Auch wenn Halter dem Autor durchaus zugute hält, dass er das Ensemble von Kriegsversehrten, zu dem etwa eine sich zu Tode hungernde Witwe oder ein mit pornografischen Büchern handelnder Offizier gehören, durchaus "subtil" beschreibt, ist der Kritiker froh, dass er diese "Trauerhölle im Kammerspielformat" schnell wieder verlassen kann.

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