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Abwechselnd gefeiert und verurteilt, zugleich historisch rückgebunden wie zukunftsweisend, ist das Ornament eine wesentliche und nicht selten unterschätzte Vokabel der Architektursprache. Dieses Buch fächert den Ornamentdiskurs seit dem 19. Jahrhundert aus kulturhistorischer Sicht auf und nutzt ihn als Hintergrund für eine umfassende Darstellung und Analyse gegenwärtiger Ornamenttheorie und -praxis. Zahlreiche Beispiele veranschaulichen nicht nur das große Spektrum ornamentaler Erscheinungsformen - von regionalen Traditionen und Vorlagen der Bildenden Kunst über den Formenschatz der Natur bis…mehr

Produktbeschreibung
Abwechselnd gefeiert und verurteilt, zugleich historisch rückgebunden wie zukunftsweisend, ist das Ornament eine wesentliche und nicht selten unterschätzte Vokabel der Architektursprache. Dieses Buch fächert den Ornamentdiskurs seit dem 19. Jahrhundert aus kulturhistorischer Sicht auf und nutzt ihn als Hintergrund für eine umfassende Darstellung und Analyse gegenwärtiger Ornamenttheorie und -praxis. Zahlreiche Beispiele veranschaulichen nicht nur das große Spektrum ornamentaler Erscheinungsformen - von regionalen Traditionen und Vorlagen der Bildenden Kunst über den Formenschatz der Natur bis hin zu den bewegten Lichtornamenten moderner Digitalfassaden - sondern zeigen auch deren kommunikative Qualität und ästhetische Faszination. Damit ist dieser Beitrag zur Ornamentdebatte im 21. Jahrhundert in seiner Verbindung von Architektur-, Kunst- und Kulturgeschichte wegweisend.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Die Revitalisierung des Fassadenornaments, der die Kunsthistorikerin Uta Caspary in ihrem Buch nachspürt, findet Robert Kaltenbrunner zeitgemäß. Die grundsätzliche Arbeit widmet sich dem Thema laut Rezensent in schöner Ausgewogenheit zwischen Theorie und Beispiel und zeigt, dass mit dem Ornament durchaus eine gebrochene Ästhetik verfolgt werden kann, aber auch, wie Technik, Material und Bildhaftes darin eine Einheit eingehen können. Dass solcherlei Definitionsarbeit ohne nervenden Wissenschaftsjargon auskommen kann, beweist die Autorin dem Rezensenten darüber hinaus.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.01.2014

Mehr als nur das Gesicht des Hauses

Von der atmenden Wand zu reagierenden Hülle: Ute Caspary untersucht, wie technische Innovation den Stellenwert der Fassade in der Architektur der Gegenwart verändert.

Dass das Dekorative und Ornamentale zu missbilligen sei, ist ein ebenso grundlegendes wie fehlgeleitetes Verdikt der Moderne. Denn das Wesen der Dekoration, so etwa der Philosoph Hans-Georg Gadamer, bestehe darin, nicht nur den Geschmack des Betrachters zu befriedigen, sondern "doch auch wieder ihn von sich wegzuweisen in das größere Ganze des Lebenszusammenhanges, den sie begleitet". In diesem Sinne gilt ihm ein Bauwerk nicht allein als Lösung einer künstlerischen Aufgabe: Es wolle zugleich "als Schmuck, als Stimmungshintergrund, als zusammenhaltender Rahmen einem Lebensverhalten entsprechen". Heute scheint ein anderes Verständnis des lange tabuisierten Ornaments zu gelten - das physisch Oberflächliche ist schließlich nicht notwendigerweise auch geistig oberflächlich.

Als Auftakt für diese Rehabilitierung gilt das 1987 fertiggestellte Institut du Monde Arabe in Paris. Der vom seinerzeitigen Präsidenten François Mitterrand in Auftrag gegebene Kulturbau sollte ein "Schaufenster der arabischen Welt" in Europa darstellen und war als Signal für einen endgültigen Schlussstrich unter die französische Kolonialgeschichte gedacht. Der Architektur von Jean Nouvel kam die Aufgabe zu, interkulturelle Vermittlungsarbeit zu leisten.

Sie bediente sich dazu einer spezifischen Fassaden-Ornamentik: Hinter der quadratisch gegliederten Glashaut liegen - als Sonnenschutz elektrisch gesteuerte - Irisblenden, die das dekorative Muster traditionell islamischer Lüftungsgitter interpretieren. In der allgemeinen Rezeption war damit ein neuer Grundstein gelegt. Dennoch kam es einem Tabubruch gleich, als Herzog & de Meuron 1995 im Zusammenhang mit dem Entwurf für ihre Bibliothek der Fachhochschule in Eberswalde von der Tätowierung des Gebäudes sprachen und das Äußere mit einer Bilderhaut überzogen.

Es bleibt also schwierig. Nun nimmt sich die Kunsthistorikerin Uta Caspary des Themas in durchaus grundsätzlicher Weise an. Sie ist der Auffassung, dass technische Experimentierfreude im Verbund mit Schönheit und Sinnlichkeit das Ornament wieder jener Bestimmung annähert, die ihm John Ruskin bereits 1853 in "The Stones of Venice" zuschrieb, nämlich die Menschen "glücklich zu machen". Dabei geht es keineswegs, so verdeutlichen die von ihr kompilierten Beispiele, um eine glatte, idealisierte Schönheit, sondern häufig um eine gebrochene, bisweilen deformierte Ästhetik, die aus umgewerteten Industrieabfällen, bewusst eingesetzten Witterungsspuren oder Zufallsprozessen hervorgehen kann.

Dabei konzentriert sich die Autorin aus gutem Grund auf die Fassade, die als Grenzzone zwischen außen und innen, zwischen öffentlichem und privatem Raum ebenjener Bereich sei, an und in dem in großer Intensität und Dichte mediale, künstlerische und materialtechnische Innovationen realisiert werden. "Die Einpassung des Bauwerks in das vorhandene Stadtbild erfolgt in erster Linie über die Fassade. Ihr wahrnehmungstechnisches Privileg zeigt sich daran, dass sich "der touristische Blick zu allererst an die Fassaden heftet, die bestimmte ,Stimmungen und Gefühle' erzeugen und Aussagen über die Gebäudefunktion vermitteln". Längst werden der Fassade - ob nun beim Museum Brandhorst in München (Sauerbruch & Hutton) oder dem Kaufhaus Selfridges in Birmingham (Future Systems) - neue, zusätzliche Funktionen verliehen. Einst haben Architekten wie Le Corbusier von der "mur respirant", der atmenden Wand, gesprochen. Heute nennt man sie gerne Membran. Vorrangig geht es dabei um intelligente Fassaden, die etwa den Energieverbrauch für Lüftung, Heizung, Beleuchtung und Kühlung auf ein Minimum senken helfen.

Immer mehr Baumeister scheinen sie als eine Hülle zu verstehen, die auf ihre Umgebung reagiert, und umgekehrt - die flimmernden Medienfassaden und erleuchteten Screens an Hauswänden sind dafür nur Exempel. Ein ganz anders geartetes stellt die Sanierung eines Gründerzeithauses in Berlin dar; es war ursprünglich reich ornamentiert, wurde jedoch in der Nachkriegszeit radikal "entstuckt".

Die Architekten Hild und K ließen nun die Originalzeichnung des Fassadendekors von 1893 stark vergrößert in den neuen Putz einritzen. Die dabei entstandene Reliefzeichnung in ihrer zeitgemäßen Abstrahierung und poetischen Licht-Schatten-Wirkung ist moderner Laserschnitt-Technik zu verdanken. Indem der Griff in die Requisitenkiste des Ornamentschatzes mit dem technologischen Experiment einhergeht, baut das Ornament gleichsam eine Brücke zwischen Vergangenheit und Zukunft.

Mag auch die Etablierung von computerbasierten Entwurfs- und Herstellungsprozessen in den neunziger Jahren eine signifikante Reaktivierung des Dekorativen mit sich gebracht haben - zunächst freilich bloß auf die Fassade als Gesicht des Hauses bezogen -, so ist das Ornament doch stets in größere kulturhistorische Zusammenhänge eingebunden. Insofern ist es gewinnbringend, die Baugeschichte der letzten zweihundert Jahre an seiner wechselnden Bedeutsamkeit nachzuvollziehen. Das aus einer Dissertation hervorgegangene Buch bietet eine ausgewogene Mischung von anschaulichen Beispielen und theoretischen Hintergründen; es leistet Definitionsarbeit und kommt doch ohne verquaste Wissenschaftlichkeit aus.

Dabei sind es insbesondere zwei Tendenzen, die Caspary hervorhebt: Zum einen könne ein ornamentales Gebäude kulturelle und ortsspezifische Identität schaffen oder festigen, indem es auf eine regional verankerte, traditionelle Formen- und Motivsprache zurückgreift, diese jedoch mittels zeitgemäßer Technologie abwandelt. Zum anderen würden im Zuge der Digitalisierung technisch-konstruktive, materielle und bildhaft-ornamentale Aspekte zusehends zu einer neuen Einheit zusammengeführt; die Fassade entwickele sich von der äußersten, angefügten Schicht zu einem integralen Bestandteil der Gesamtkonstruktion.

Bei all dem ist nicht von der Hand zu weisen, dass Ornamente die Tendenz heutiger Architektur zum Ereignishaften oder Theatralischen unterstützen, die von der Wirtschafts-, Tourismus- und Kulturbranche gleichermaßen gefördert wird. Kein Wunder also, wenn ornamentale Experimente Ressentiments wiederaufleben lassen. Mehr und mehr wird aber der Vorbehalt, das Ornament sei schmückendes Beiwerk ohne Sinn und Funktion, entkräftet. Möglicherweise wäre ja die Arbeit des Architekten mit der eines Schneiders zu vergleichen: Man muss sich ein Konzept oder Projekt zunächst als nackt vorstellen - und überlegen, was man ihm anzieht.

Der Schnitt, der Stil sind essentiell, danach sucht man die Stoffe aus, um die Form zu abstrahieren. Was freilich nicht heißt, dass für ein erotisches Fassadenkleid vertraute Werkstoffe gezielt aus ihrem ursprünglichen Zusammenhang herausgerissen und gewissenhaft missbraucht werden. Das wäre ja auch noch schöner!

ROBERT KALTENBRUNNER

Uta Caspary: "Ornamente der Fassade in der europäischen Architektur seit den 1990er Jahren". Jovis Verlag, Berlin 2013. 336 S., Abb., br., 35,- [Euro].

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