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Hilfsorganisationen haben sich dazu verpflichtet, Leben zu retten, Leiden zu lindern und menschliche Grundbedürfnisse zu sichern. Aber wie entscheiden diese Organisationen angesichts der vielen hilfsbedürftigen Regionen dieser Welt, welche Hilfsprojekte sie wo und für wen anbieten?
Monika Krause analysiert die Entscheidungsprozesse der NGOs und konstatiert, dass es zwar das Ziel der Hilfsorganisationen ist, Menschen zu helfen, der Schwerpunkt ihrer Arbeit aber bei der Produktion von Projekten liegt - aus praktischen Gründen. Denn Agenturen verkaufen diese Projekte an wichtige…mehr

Produktbeschreibung
Hilfsorganisationen haben sich dazu verpflichtet, Leben zu retten, Leiden zu lindern und menschliche Grundbedürfnisse zu sichern. Aber wie entscheiden diese Organisationen angesichts der vielen hilfsbedürftigen Regionen dieser Welt, welche Hilfsprojekte sie wo und für wen anbieten?

Monika Krause analysiert die Entscheidungsprozesse der NGOs und konstatiert, dass es zwar das Ziel der Hilfsorganisationen ist, Menschen zu helfen, der Schwerpunkt ihrer Arbeit aber bei der Produktion von Projekten liegt - aus praktischen Gründen. Denn Agenturen verkaufen diese Projekte an wichtige institutionelle Geber. Dadurch werden das Projekt und seine Begünstigten zu Waren auf einem »Projektmarkt«. Diejenigen, denen am schwersten zu helfen ist, erhalten häufig keine Hilfe, weil das Projekt keine Aussicht auf Erfolg hat. Es entsteht eine geradezu zynische Situation: Die Ärmsten der Welt konkurrieren darum, zu einem Projekt zu werden - und im Gegenzug den Hilfsorganisationen und Geberregierungen Legitimität zu bieten.

Monika Krauses vielfach ausgezeichnete organisationssoziologische Untersuchung eröffnet eine provokative neue Sicht darauf, wie NGOs auf lokaler und globaler Ebene erfolgreich sind - und wie sie scheitern.
Autorenporträt
Monika Krause, PhD, lehrt Soziologie an der London School of Economics and Political Science. Die englische Fassung ihres Buches »The Good Project« wurde mehrfach ausgezeichnet u.a. mit dem British Sociological Association's Philip Abrams Memorial Prize und dem Hodgkinson Book Award of the Association for research on Nonprofit Organizations and Voluntary Action in 2015.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.10.2017

Wohin das Geld fließt
Monika Krause über System und Absurditäten der humanitären Hilfe
Die deutsche Soziologin Monika Krause hat ein erfreulich sachliches Buch über die Welt der humanitären Hilfe geschrieben. Der Titel „Das gute Projekt“ mag zwar nach einem Diskurs über Werte klingen. Doch die Autorin verzichtet auf eine moralische Lehrstunde, was in der emotional aufgeladenen Debatte in der Branche nicht selbstverständlich ist. Krause zeigt schlicht auf, wie Hilfsorganisationen entscheiden, wo und wen sie unterstützen.
Die Autorin sieht die humanitären Hilfsorganisationen als eine Art Fabrik für Projekte. Dabei sind die Geldgeber die Konsumenten, nicht die Hilfsempfänger in den armen Ländern. „Was von den Geldgebern konsumiert wird, sind nicht Kochgeschirr oder Zelte oder Nahrungsmittel, es ist der Akt des Geldgebens“, schreibt sie. Die Geldgeber erwarten sodann, dass die Hilfsorganisationen ihr Produkt herstellen, also Projekte für Bedürftige auf die Beine stellen.
Diese Logik schreibt den Hilfsbedürftigen eine eher passive Rolle zu: Sie werden Teil des Produkts. Nur aufgrund der Tatsache, dass ihnen etwas fehlt, können die Hilfsorganisationen Geldgebern Projekte anbieten. Die Bedürftigen haben wenig Einfluss auf diesen Ablauf. Natürlich ziehen die Empfänger auch einen Nutzen aus dem Projekt. Sie bekommen Essen, Trinkwasser, Medizin oder einen Schlafplatz. Aber ihre Notlage ist die Voraussetzung, dass die Hilfsorganisationen Arbeit bekommen. Krause beschreibt die Menschen in den armen Ländern daher als „Mittel und Zweck zugleich“.
Die 39 Jahre alte Autorin ist in der Wissenschaft zu Hause. Sie lehrt an der London School of Economics and Political Science Soziologie. Für ihr Buch, das auf Englisch und Deutsch erschienen ist, hat sie von 2005 bis 2010 in Archiven recherchiert. Sie hat Kurse für professionelle Helfer besucht sowie 50 Länderreferenten und Programmleiter der größten Hilfsorganisationen interviewt. Das Werk bietet fundiertes Wissen, kommt aber teilweise sehr akademisch daher.
Das ist schade. Denn jeder, der Steuern bezahlt oder zu Weihnachten spendet, sollte verstehen, wie Hilfsorganisationen das Geld ausgeben, das sie von Spendern oder aus der Staatskasse bekommen. Allein im vergangenen Jahr haben die Menschen in Deutschland mehr als fünf Milliarden Euro gespendet. Die Regierungen der reichen Staaten haben 143 Milliarden in Hilfs- und Entwicklungsprojekte investiert – wohl nicht immer zum Nutzen der Bedürftigen.
Krause stellt jedenfalls fest, dass die Hilfsorganisationen einer Logik folgen, die „relativ unabhängig von den potenziellen Wünschen oder Bedürfnissen der Empfänger ist“. Sie zitiert ein Beispiel aus dem Sudan. Dort verteilte eine Organisation Essen und Medikamente. Die Bevölkerung wünschte sich aber Angelhaken und Netze, um selbst fischen zu können. Der Programmleiter im fernen Hauptsitz der Hilfsorganisation lehnte dies ab.
Dies ist kein Einzelfall. Angestellte von Hilfsorganisationen erzählen immer wieder von derartigem Widersinn. Krause fand zudem heraus, dass Helfer tendenziell jene Bedürftigen unterstützen, denen leicht zu helfen ist. Denn die Geldgeber wollen mit möglichst wenig Aufwand möglichst viele Bedürftige erreichen. Hilfsorganisationen kategorisieren Länder teilweise mit Hilfe von Software nach Chancen und Risiken. Kosteneffizienz entscheidet, wo Projekte stattfinden. Eine Folge davon ist: Just dort, wo es besonders gefährlich und grausam zugeht, müssen die Menschen oft allein klar kommen. Ein Beispiel dafür ist Somalia.
Dass Hilfsorganisationen mehr auf Effizienz achten, ist früheren Misserfolgen geschuldet. Zu viele Wohlmeinende haben in den Anfangsjahren ihr Glück versucht, ohne dass jemand geprüft hätte, ob sie den Armen tatsächlich helfen. Auch die Strategie institutioneller Geldgeber ist gescheitert. Sie haben einst teure Infrastruktur aufgebaut, wollten so die Wirtschaft ankurbeln und über Arbeit Wohlstand schaffen.
Seit den 80er Jahren versuchen die Helfer zu messen, wie ihre Arbeit wirkt. Sie definieren Ziele, Indikatoren und Verantwortlichkeiten. In ihren Bedarfsanalysen beziehen sie die Hilfsempfänger mehr ein als früher. Sie wollen Projekte überprüfbar und vergleichbar machen, damit sie sich auf Bereiche spezialisieren können, die sie überblicken. So produzieren sie das „gute Projekt“, also eine definierte Hilfe für eine definierte Gruppe mit einem definierten Budget. Wer nicht in das Muster einer Organisation passt, hat Pech. Damit liegt die Autorin richtig. Im Ostkongo zum Beispiel bekommen kleine Initiativen junger Einheimischer selten große Unterstützung. Dabei engagieren sich viele von ihnen mehr für ihr Land als die Angestellten eingesessener Organisationen, die seit Jahrzehnten in dem Gebiet die Krise verwalten. Die Entscheider in den Zentralen geben lieber große Summen an wenige etablierte Einrichtungen als viele kleine Beträge an Helfer, die in losen Strukturen arbeiten. Das erscheint ihnen effizienter und erleichtert ihnen vor allem das Management ihrer Programme.
„Das gute Projekt“ ist eine gelungene Analyse über die Schwächen der humanitären Hilfe. Das Buch beantwortet aber nicht, wie es besser laufen könnte. Es zielt vor allem auf die Kritik der Entscheidungsstrukturen, weniger auf das Verhalten der Akteure. Dabei könnten sie zumindest versuchen, die Abläufe zu ändern, wenn sie wollten. Die meisten Manager in den Zentralen, die Helfer in den Krisengebieten und ihre einheimischen Angestellten wissen um die Absurditäten in der Hilfsindustrie. Sie haben sich jedoch in ihren gut bezahlten Jobs mit der hohen moralische Reputation bequem eingerichtet. Und selbst viele Hilfsempfänger ziehen den kurzfristigen Nutzen von Geld oder Sachleistung einem grundsätzlichen Wandel vor. „Bedürftig sein“ ist für manche mangels Alternativen zum Geschäftsmodell geworden – mit kräftiger Unterstützung der Hilfsorganisationen.
JUDITH RAUPP
Wer nicht in das Muster
einer Organisation passt,
hat eben Pech
Monika Krause:
Das gute Projekt.
Humanitäre Hilfsorgani-
sationen und die Fragmentierung der Vernunft.
Aus dem Englischen von Michael Adrian. Hamburger Edition Hamburg 2017. 268 Seiten, 32 Euro.
E-Book: 25,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.01.2018

Wenn Bedürftige zu Lieferanten symbolischen Kapitals werden
Tauschgeschäfte auf humanitärem Feld: Monika Krause untersucht nüchtern die praktische Arbeit von Hilfsorganisationen

Die Soziologin Monika Krause setzt der Aura der Barmherzigkeit die kühle Logik von Tauschgeschäften entgegen: Humanitäre Hilfe bezeichnet sie als "Form der Produktion", deren Erzeugnisse, die "Projekte", auf einem "Quasimarkt" an Geldgeber verkauft werden. Bedürftige erhalten Unterstützung, werden damit aber zum Verkaufsgegenstand. "Das Projekt ist eine Ware, was auch die Empfänger humanitärer Hilfe zu einer Ware macht."

Diese Kernthese des Buches ist provokant, doch die Autorin versteht sie als Beschreibung. Schon in der Einleitung grenzt sich Krause, die an der London School of Economics lehrt, von der vorherrschenden Debatte über humanitäre Hilfe ab. Ihre Ausgangsfragen sind empirischer Natur: Wie arbeiten humanitäre Hilfsorganisationen? Wie überführen sie Werte in eine Praxis?

"Die humanitären Helfer sind scharfe Kritiker einer internationalen Ordnung, die manche Menschenleben für andere opfert", schreibt Krause: "Doch auch sie müssen auswählen, wen sie retten und wen nicht." Anders als Ärzte können sie dabei nicht auf anerkannte Regeln der Triage zurückgreifen. Ohnehin, so Krause, müssten sich Helfer eher zwischen Schlachtfeldern entscheiden als zwischen Patienten. Haiti oder Sudan? Zelte, Wasser oder Impfstoff?

In ihrer Analyse, wie Hilfsorganisationen mit der "Frage der Priorisierung" umgehen, identifiziert Krause das Projekt als die "grundlegende Einheit der Produktion". Ein fester zeitlicher Rahmen, ein Ergebnisziel und ein Budget seien die zentralen Merkmale des Projekts, das alle Aktivitäten - von der Bedarfsanalyse über die Mittelbeschaffung bis zur Evaluation - in einen Zusammenhang setze. Eine Folge des Denkens in Projekten sieht Krause darin, dass humanitäre Hilfe standardisierten Verfahren und Bewertungskriterien unterworfen wird. Die Helfer können beziffern, was es an verschiedenen Orten kostet, tausend Menschen mit Trinkwasser zu versorgen. So treten Bedürftige zwangsläufig miteinander in Konkurrenz.

In Anlehnung an Karl Marx versteht Krause humanitäre Hilfe als doppeltes Tauschgeschäft. Die Geber tauschen mit den Helfern Geld gegen Projekte. Beide, Geber und Helfer, akkumulieren dabei das symbolische Kapital geleisteter Hilfe. Die Bedürftigen erhalten oft lebenswichtige Unterstützung und bezahlen dafür mit ihrer Zustimmung und Arbeitskraft. Krause wertet dabei bereits Anstehen als Arbeit. In gewisser Hinsicht ist das schlüssig: Holt niemand das Essen ab, scheitert ein Versorgungsprojekt. Andererseits: Arbeiten Schwimmer für ein Stadtbad, das seinen Auftrag ihretwegen erfüllt? Unabhängig von der Wortwahl ist klar, dass es ein krasses Ungleichgewicht gibt. Die Hilfsbedürftigen haben kaum Einfluss darauf, ob und wie ihnen Unterstützung zukommt.

Die Autorin wirft einen ungewohnten und bereichernden Blick auf die Arbeit humanitärer Hilfsorganisationen. Interessanter als die formale Analyse ist dabei die konkrete Beschreibung der humanitären Praxis. Dass nicht nur die Werte der Mitarbeiter, sondern auch äußere Anreize und interne Betriebsabläufe Entscheidungen beeinflussen, mag ein naives Bild der Helfer entzaubern. Im Kern trifft die Einsicht aber auf jede Organisation zu. Aufschlussreich dagegen ist, wie diese Faktoren in der humanitären Hilfe wirken.

Krause bietet dazu einen fundierten Überblick. Da sie auf Fallstudien verzichtet, bleibt ihr Text jedoch hinter den Möglichkeiten zurück. Das liegt auch an der Methodologie. Die Autorin stützt ihre Analyse auf fünfzig Interviews, die sie mit leitenden Mitarbeitern großer NGOs geführt hat. Sie zitiert viel, doch da die Gesprächspartner namenlos und ihre Rollen vage bleiben, fehlt oft der Kontext. Der Leser lernt wenig, wenn ein Länderreferent erklärt: "Irgendwo etwas auszubauen, wo man bereits ist, ist leichter." Statt einzelne Projekte im Detail zu erörtern, springt Krause von Beispiel zu Beispiel - zu Lasten der Anschaulichkeit und der analytischen Tiefe.

Rundum gelungen ist dagegen der Abriss über die "Geschichte der humanitären Autorität". Unter Rückgriff auf soziologische Theorien legt Krause dar, wie sich die humanitäre Hilfe seit der Gründung des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) 1863 entwickelt hat. Lange war das neutrale IKRK die maßgebliche Einrichtung. 1971 spalteten sich dann die Médecins Sans Frontières (MSF) ab. Auslöser waren Gewaltverbrechen, die eine Gruppe von Ärzten 1967 im nigerianischen Bürgerkrieg miterlebt hatte. Die Ärzte wollten der Welt davon berichten und rebellierten gegen einen zur Neutralität verpflichteten Humanitarismus. Auf diese Weise, schreibt Krause, "spielte MSF eine vergleichbare Rolle für das humanitäre Feld, wie sie Gustave Flaubert in der Analyse Pierre Bourdieus für das Feld der Kunst gespielt hat". Anders formuliert: Zeugenschaft als Selbstzweck statt Kunst als Selbstzweck.

Seit Ende des Kalten Krieges hat sich das Feld humanitärer Hilfe stark ausdifferenziert. In diese Zeit fallen die zunehmende Delegation staatlicher Hilfe, die Verschärfung des Wettbewerbs und die Bürokratisierung. Krause sieht diese Entwicklungen kritisch. Ein Beleg dafür ist ihre Beschreibung der Initiative "Sphere", mit der Hilfsorganisationen ab Ende der neunziger Jahre gemeinsame Standards entwickelten. Eine überdachte Fläche von dreieinhalb Quadratmetern etwa gilt seitdem als Indikator für angemessenen Wohnraum. Die technische Rechenschaftspflicht eines solchen "Produktstandards" steht für Krause im Widerspruch zur beruflichen Autonomie, wie sie etwa Ärzte beanspruchen. Sie charakterisiert Sphere daher als "Entprofessionalisierung".

Natürlich lässt sich an starren Indikatoren Kritik üben. Erstens vereinfachen sie: Was angemessener Wohnraum ist, hängt von Klima und Gesundheit ab. Zweitens schaffen sie absurde Anreize: Wer jenen hilft, die Richtwerte fast erreichen, weist leichter Erfolge aus. Doch es gibt auch Gründe für Standards. Wie Krause selbst schreibt, ist die Arbeit der Hilfsorganisationen eben nicht mit der von Ärzten vergleichbar. Das Pendant zur NGO wäre eher ein Krankenhaus - und trotz der Autonomie der Ärzte gibt es dort Kriterien zur Qualitätssicherung.

Die Passage zeigt, dass die Wahl des Vokabulars mitunter bereits Wertungen impliziert. Das reflektiert Krause nicht ausreichend. Die Metapher des Marktes etwa ist hilfreich, da sie einen scharfen Blick auf Abhängigkeiten erlaubt. Zugleich legt sie nahe, dass etwas grundlegend falsch läuft: Bedürftige werden zur Ware. Schuld daran ist aber weniger die Arbeitsweise der Helfer als die globale Ungleichheit, die diese Abhängigkeitsverhältnisse erst erzeugt. Krauses Darstellung der Praxis humanitärer Hilfe ist daher zwar erhellend - welche Reformen sinnvoll wären, bleibt jedoch unklar.

FRIEDEMANN BIEBER.

Monika Krause: "Das gute Projekt". Humanitäre Hilfsorganisationen und die Fragmentierung der Vernunft.

Aus dem Englischen von Michael Adrian. Hamburger Edition, Hamburg 2017. 272 S., geb., 32,- [Euro].

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