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"Fonsä, Veit, Wolfi, Zenz! Wenn ich's nicht mit eignen Augen gesehen hätte, ich würde's schier selber nicht glauben."Wer eine Reise auf dem besten aller Kreuzfahrtschiffe macht, der hat etwas zu erzählen; wer sie als einfacher Finanzbeamter aus dem bayerischen Oberviechtach antritt, den ein Lottogewinn an Bord geführt hat, der kommt aus dem Staunen so schnell nicht mehr heraus: Johann Gottlieb Fichtl, von seiner Tippgemeinschaft mit Motivkrawatten und einem "Aldi-Smoking" aus dem Fundus des Bürgermeisteramtes für seine Reise ausgestattet, macht sich auf, die Welt im Allgemeinen und - vom…mehr

Produktbeschreibung
"Fonsä, Veit, Wolfi, Zenz! Wenn ich's nicht mit eignen Augen gesehen hätte, ich würde's schier selber nicht glauben."Wer eine Reise auf dem besten aller Kreuzfahrtschiffe macht, der hat etwas zu erzählen; wer sie als einfacher Finanzbeamter aus dem bayerischen Oberviechtach antritt, den ein Lottogewinn an Bord geführt hat, der kommt aus dem Staunen so schnell nicht mehr heraus: Johann Gottlieb Fichtl, von seiner Tippgemeinschaft mit Motivkrawatten und einem "Aldi-Smoking" aus dem Fundus des Bürgermeisteramtes für seine Reise ausgestattet, macht sich auf, die Welt im Allgemeinen und - vom Penthouse-Deck bis hinunter in die Pumpensümpfe - die von MS Europa im Besonderen zu erkunden. In 184 Shortcuts berichtet er vom aberwitzigen Fünfsterneplus-Alltag an Bord und seinen nicht minder (aber-)witzigen Erlebnissen an Land: Die Reisegesellschaft entpuppt sich dabei mehr und mehr als Kuriositätenkabinett, das auf einem schwimmenden Zauberberg unserer Zeit dem Rausch der Intrigen und Gerüchte frönt - und dabei grandios an Leben und Tod und all dem existenziellen Ernst vorbeifeiert, dem auch die Europa auf ihrer Fahrt durch die sieben Weltmeere nicht entkommt. Dieser Fichtl aus Oberviechtach aber, der an Bord bald zu "einem Großen, einem ganz Großen" hochgetuschelt wird, findet am Ende der Reise den Ort seiner Bestimmung: Für ihn hat das Abenteuer gerade erst begonnen.Mit In 180 Tagen um die Welt hat Matthias Politycki den Schelmenroman des beginnenden 21. Jahrhunderts geschrieben: Das Logbuch des Herrn Johann Gottlieb Fichtl ist eine kühne Tour de farce, auf der Politycki die Idiosynkrasien unserer Gesellschaft mit satirischer Brillanz in ihre Bestandteile zerlegt. Und für den Leser zu einer ganz und gar phantastischen Reise neu zusammensetzt."Politycki erzählt schwungvoll und witzig - deutsche Literatur muss kein bisschen langweilig sein."taz
Autorenporträt
Matthias Politycki, geboren 1955, gilt als «eminenter Humorist» (Die Zeit) und ist einer der wichtigsten deutschen Autoren der Gegenwart. Sein umfangreiches Werk, darunter der Weiberroman, umfasst Prosa, Essays und Lyrik. Zuletzt erschienen die erzählenden Essays Vom Verschwinden der Dinge in der Zukunft und sein großer Kuba-Roman Herr der Hörner. Matthias Politycki lebt in Hamburg und München.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 13.05.2008

Dauergäste unter der Champagnerdusche
Achtung, Kritiker an Bord: Matthias Politycki verreißt in seinem neuen Roman die Passagiere der MS Europa
Im Vorwort seines neuen Buches „In 180 Tagen um die Welt” berichtet Matthias Politycki, tatsächlich ein halbes Jahr lang auf Luxusreise mit der MS Europa verbracht zu haben. Sein Buch aber gibt sich als Roman aus und besteht aus gut 180 Tagebucheinträgen eines Mannes, der ebenso viele Tage an Bord eines Kreuzfahrtschiffes mit dem Namen MS Europa verbracht hat. Politycki bedankt sich im Vorwort bei einer Reihe von Personen, die er auf seiner Fahrt kennen gelernt hat und die Eingang in das Buch gefunden hätten, so zum Beispiel bei Silvia Hirsbrunner, die im Text „Silvia” heiße.
Die Tagebucheinträge sind immer eineinhalb Seiten lang, jeweils mit einem Foto versehen, enthalten Daten über den jeweiligen Aufenthaltsort, das Wetter, den Seegang und die Temperatur. Verfasst sind diese Skizzen von dem fiktiven Finanzbeamten Johann Gottlieb Fichtl aus dem bayerischen Oberviechtach. Die Lotto-Tipp-Gemeinschaft seiner Stammkneipe gewinnt eine beträchtliche Summe und schickt dafür aus nicht weiter erfindlichen Gründen Fichtl stellvertretend für die Gruppe auf die Reise. Seine Verpflichtung besteht lediglich im täglichen Bericht samt Bildnachweis.
Die Darlegungen vom Alltag an Bord des Luxusschiffs beschränken sich größtenteils auf nur lose zusammenhängende Schlaglichter, kleine Episoden und allerhand Abseitigkeiten. Frau Wack am Nebentisch beschwert sich bei einem der zahllosen Gala-Abendessen: „Was, kein Hummer dabei? Schweinerei.” Früher hätte es so was an Bord nicht gegeben. Später ist zu erfahren, dass Frau Wack angeblich Botox-gespritzte Füße hat, um es länger auf Stöckelschuhen auszuhalten. Als Herr Drescher sein Hörgerät einmal in der Kabine vergessen hat, lässt er es sich von einem Steward bringen, überreicht auf einem Serviertablett.
Je platter Politycki seine Figuren dem Spott aussetzt, desto stärker wächst die Sympathie mit ihnen, und es stellt sich die Frage, was dabei gewonnen wird, wenn man sich so unnötig über ältere Damen lustig macht. So überzeichnet sind sie kein Gegner für einen Roman. Möglicherweise soll das satirische Panorama reicher deutscher Rentner auf Kreuzfahrt ja etwas über die sonderbaren Folgen westlichen Wohlstands (fahrende Luxusherberge) in Zeiten der Globalisierung (die Weltreise führt auch durch ärmere Regionen dieser Erde) aussagen. Wer aber über die „müde Dekadenz der westlichen Welt” ernsthaft nachdenken will, erfährt in den anregenden Essays Polityckis wie etwa „Weißer Mann, was nun?” sehr viel mehr. Und wer sich auf See vorzüglich unterhalten lassen will, lese David Foster Wallace’ herrlichen Kreuzfahrt-Bericht „Schrecklich amüsant – aber in Zukunft ohne mich.”
Über die Dauer der 180 Tage treten so viele Personen auf und ab, dass man trotz sechsseitigem Namensregister schnell den Überblick verlieren kann. Dafür gibt es so ausgefallene Namen wie Wästenkühler, Frunzke oder Kipp-Oeljekaus. Politycki muss ein Faible für dergleichen haben, der Held seines Romans „Herr der Hörner” hieß Broder Broschkus.
Gegen Ende der quälend langen Reise verdichten sich die Gerüchte, dass für die Dauergäste an Bord demnächst Champagnerduschen in den Kabinen installiert und die Heimtrainer mit Elektromotor ausgestattet werden. Herrn Drescher, eine Insel der Vernunft in einem Meer von Unsinn, lässt diese Aussicht kalt: „Die einen spinnen so, die anderen so.” Aber noch einmal zurück zum Vorwort. Da versichert Matthias Politycki „ausdrücklich”, dass er seine „tatsächliche Reise im vorliegenden Buch nicht geschildert” habe. Sehr beruhigend. Die 180 Tage wären sonst reichlich verschwendete Lebenszeit gewesen. LUTZ LICHTENBERGER
MATTHIAS POLITYCKI: In 180 Tagen um die Welt. Das Logbuch des Herrn Johann Gottlieb Fichtl. Mare Buchverlag, Hamburg 2008. 384 Seiten, 24,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.04.2008

Mehr so für Süßwassermatrosen

Gegen die Wichtigtuer und Globaltrottel der Weltmeere: Matthias Politycki heuert als Chronist einer Kreuzfahrt auf dem schwimmenden Zauberberg an, ist aber auf dem falschen Dampfer.

Harald Schmidt gab die Maxime "Drehort geht vor Inhalt" vor, seither erliegen auch unbestechlichere Künstler der Verlockung, sich bezahlte Kreativpausen in luxuriöser Umgebung zu gönnen. Kostenlose Inspiration geht vor Arbeit: lieber Gentleman-Host auf einem Traumschiff oder Bordschreiber auf der MS Europa, als sein Brot unter Schweiß und Tränen verdienen. Eine sechsmonatige Weltreise auf dem Fünf-Sterne-plus-Dampfer, inklusive Seniorenbespaßung, Kaviar und Champagner, ist attraktiver als ein Jahr als Hungerturmschreiber in Bergen-Enkheim.

Matthias Politycki hat ein entspanntes Verhältnis zur Dichtkunst. Schreiben ist für ihn keine heilige Mission, sondern "ein Dienstleistungsgewerbe wie jedes andere", wie das der Animateure zum Beispiel, und so kann man es ihm nicht verdenken, allenfalls neiden, dass er sich von einer Reederei als "Writer-in-non-residence" und "kritischer Beobachter unserer deutschen Alltagswirklichkeit" anheuern ließ. Politycki hatte keine literarischen Verpflichtungen außer dreizehn Lesungen, nahm seine gesellschaftlichen Aufgaben aber ernst. Eine Seefahrt, die ist lustig, erweitert den Horizont und das Bewusstsein, und so hofften alle, dass der Bordautor einen "schwimmenden Gesellschaftsroman" (Politycki), einen "Schelmenroman des beginnenden 21. Jahrhunderts" (Verlag), mit nach Hause bringen würde: Felix Krull im Traumschiff MS Zauberberg.

Dazu hat es nicht ganz gereicht. Politycki, hin und her gerissen zwischen Ekel und Faszination, Neugier und Barmherzigkeit, ist ein begnadeter Satiriker, und manchmal wird er sogar dezent kritisch. Er mag sie nicht, die neureichen Alten mit ihren Goldsandalen und Botoxgesichtern, die vom Oberdeck auf die Besatzung und beim Landgang auf die Eingeborenen herabschauen. Er mag sie nicht, die Wichtigtuer und Globaltrottel, denen die Welt zur exotischen Fototapete schrumpft, auf der das Taj Mahal gleich neben dem "Beduinen-Schuhplattler" liegt. Aber Politycki ist ein höflicher Humorist, der sein Publikum und seine Auftraggeber nie beschimpfen würde. Und so ein schwimmendes Dorf mit zehn Decks, 30 000 PS und fünfzig Bordkünstlern von Senta Berger bis Udo Lindenberg ist ja auch wirklich beeindruckend: diese Organisation, diese perfekte Logistik, diese "schiffige Anmutung"!

Für den Bordlautsprecher ist die MS Europa "unsere Lady", für die alten Hasen "unsere Hütte", für die wenigen jungen Hüpfer ein SOS-Seniorendorf, aber allen wird etwas geboten: hier eine feuchtfröhliche Äquatortaufe, dort eine Modenschau in der Clipper-Lounge, öfters ein Bayrischer Frühschoppen unter Palmen. Morgens gibt es den Kampf um die Liegestühle, mittags "Tahiti-Vanillecreme im Knusperbeißholz" aus Schoko-Dieters Patisserie, abends Klatsch an der Bar: Konsul Walder soll einer Kabinenstewardess einen "Smaragdmops" geschenkt, Roberto Blanco die Badetablette für ein Betthupferl gehalten haben. Politycki verfügt über Witz und eine feine Beobachtungsgabe, und auch wenn er nicht gerade der Wallraff der christlichen Seefahrt ist, steigt er doch auch mutig hinab zu den Filipinos in die Wäscherei und selbst in die Pumpensümpfe, wo die Kielschweine angeblich mit Edelsteinen, Kaviar und anderen Brosamen von den Reichen- und Russentischen gefüttert werden. Eigentlich stammt das Logbuch nicht von Politycki, nicht einmal vom Bordschreiber Ingo Jonatzki, einem "Luxuspenner" mit Rotweinfahne und Trekkingsandalen. Autor ist Johann Gottlieb Fichtl, bayrischer Finanzbeamter mit Vorliebe für Motivkrawatten. Der Hauptgewinn seiner Lotto-Tippgemeinschaft reichte nur für eine Weltreise, so muss Fichtl nun den Tippbrüdern in Oberviechtach seinen täglichen Rechenschaftsbericht liefern. Gewissenhaft wie ein Steuerbeamter, sprachlich und komisch versiert wie Politycki, schreibt er jeden Tag eine Doppelseite mit Foto, Wetterdaten, Koordinaten, Porträts und Pointen für den heimischen Stammtisch.

Aber immer nur Sonntag ist langweilig. Für den Reisenden mag die Reise um die Welt noch so schön sein: Den Leser ermüden die standardisierten Logbucheinträge bald. So freundlich uns Fichtl in den komplexen Kosmos ausführt: Bald kennen wir alle Macken und Motivkrawatten, alle Schwätzer und Schwerenöter zu Wasser und zu Lande, vom Pumpensumpf bis zur Brücke. Running Gags wie die Bojenbemalkurse des Bord-Picasso oder die verschmähten Zweizeiler des Bord-Troubadix tragen nicht über ein halbes Jahr und vierhundert Seiten hinweg. Das spürte natürlich auch der Bord-Goethe. Je länger die Reise dauert, desto toller vermischt Politycki Dichtung und Wahrheit, Chronistenpflicht und Phantasie. Passagiere werden auf einsamen Inseln ausgesetzt (Jonatzki erwischt es im Persischen Golf) oder verklappt, vergoldete Knödel und lebende Frühlingsrollen serviert; Professor Karasek läuft in Lackschuhen übers Wasser. Als auch das Seemannsgarn reißt, beginnt Fichtl mit den dienenden Klassen zu fraternisieren; am Ende wird er seine Weltreise als Besatzungsmitglied ("Öltagebuchführer") fortsetzen.

Fichtl leidet gelegentlich unter Überdruss und Heimweh, und auch Politycki deutet im Vorwort an, dass er die "einmalige Erfahrung" nicht so rasch wiederholen will, jedenfalls nicht die volle Dröhnung. Auf den literarischen Kreuzfahrten liegt offenbar kein Segen. 1995 bekam David Foster Wallace von Harper's Bazar den Auftrag "Junge, lass dich feudal durch die Karibik schippern und schreib einfach auf, was du gesehen hast". Wallace sah und beschrieb: verzogene Kinder mit Toupet, Sakkos in menstrualem Rosa, die Spaßolympiaden der Animateure. Er verfolgte den Weg der Slippery Nipples vom Cocktailglas bis zur verstopften Unterdrucktoilette und deutete den Budenzauber des ruppigen Bordhypnotiseurs als Gleichnis auf die Unterhaltungsindustrie. Anders als Politycki hatte Wallace nämlich eine Theorie: Der hypermoderne, hyperreale Vergnügungsdampfer ist in Wahrheit eine archaische Todesverdrängungsmaschine. Und doch war auch Wallace' Logbuch "Schrecklich amüsant - aber in Zukunft ohne mich" für eine Reportage zu schnoddrig, für eine Satire zu lang, für eine ethnologische Feldstudie zu dünn.

Wallace fühlte sich unwohl auf dem Vergnügungsdampfer, unter- und überfordert als privilegierter Beobachter dekadenter Nichtigkeiten, Anflüge von Unbehagen und Scham glaubt man manchmal sogar Politycki attestieren zu können. "In 180 Tagen um die Welt" ist eher amüsant schrecklich als schrecklich amüsant. In Zukunft bitte keine Bordlektüre für gehobene Seelenverkäufer mehr.

MARTIN HALTER

Matthias Politycki: "In 180 Tagen um die Welt". Das Logbuch des Johann Gottlieb Fichtl. Marebuchverlag, Hamburg 2008. 392 S., geb., 24,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Das "entspannte Verhältnis zur Dichtkunst", das Martin Halter dem Autor unterstellt, scheint doch etwas ins Schaukeln zu geraten, wenn Matthias Politycki als Traumschiff-Schreiber anheuert. Zwischendurch jedenfalls meint Halter schon mal Unbehagen und Scham zwischen den ansonsten von der "feinen Beobachtungsgabe" und der Sprachkunst des "höflichen Humoristen" Politycki zeugenden Zeilen zu lesen. Außerdem wird es dem Rezensenten spätestens dann langweilig, wenn dem Autor und seiner Figur, einem Lottogewinner aus Oberviechtach, außer Wetternotaten und Seemansgarn nichts Nennenswertes mehr zu berichten einfällt. Insgesamt erscheinen die Aufzeichnungen aus der Welt der Kreuzfahrer dem Rezensenten "eher amüsant schrecklich als schrecklich amüsant".

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