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Als Halbwüchsiger ist Teodor durch die rumänischen Dörfer gereist und hat sich von den abergläubischen Bauern Geschichten erzählen lassen. Nun kehrt er als erfolgreicher Mann aus dem Westen in seine Heimat zurück, um herauszufinden, ob er dort glücklicher geworden wäre. Und auch, um seine Jugendliebe wiederzufinden. Am Ende aller Straßen trifft er auf den blinden Masseur und seine Freunde. Teodor ist fasziniert von dem Ort, wo Patienten Werke der Weltliteratur für den Masseur auf Band sprechen. Doch nicht alle sind so gastfreundlich wie die schöne Elena, bei der er sich eingemietet hat. Schon…mehr

Produktbeschreibung
Als Halbwüchsiger ist Teodor durch die rumänischen Dörfer gereist und hat sich von den abergläubischen Bauern Geschichten erzählen lassen. Nun kehrt er als erfolgreicher Mann aus dem Westen in seine Heimat zurück, um herauszufinden, ob er dort glücklicher geworden wäre. Und auch, um seine Jugendliebe wiederzufinden. Am Ende aller Straßen trifft er auf den blinden Masseur und seine Freunde. Teodor ist fasziniert von dem Ort, wo Patienten Werke der Weltliteratur für den Masseur auf Band sprechen. Doch nicht alle sind so gastfreundlich wie die schöne Elena, bei der er sich eingemietet hat. Schon bald gerät er in ein Netz aus Hinterlist, Korruption und Gewalt. Florescu lässt eine Welt entstehen, die ebenso unbarmherzig wie poetisch, ebenso schön wie verzweifelt ist. Eine lebenspralle Geschichte und eine wunderbare Liebeserklärung an die Kraft der Literatur.
Autorenporträt
Catalin Dorian Florescu, geboren 1967 in Timisoara in Rumänien. 1976 erste Ausreise mit dem Vater nach Italien und Amerika. Rückkehr nach Rumänien, 1982 endgültige Emigration. Studium der Psychologie und Psychopathologie. Florescu lebt als freier Schriftsteller und Suchttherapeut in Zürich.
Er erhielt für seine Romane "Wunderzeit" (2001), "Der kurze Weg nach Hause" (2002) und "Der blinde Masseur" (2006) u. a. das Hermann-Lenz-Stipendium, den Adelbert-von-Chamisso-Förderpreis, ein Werkjahr der Stadt Zürich. "Wunderzeit" war Buch des Jahres 2001 der Schweizerischen Schillerstiftung, außerdem erhielt Florescu 2003 den Anna Seghers-Preis.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.08.2006

Der Massör hat's schwör
Balkanepos: Die Fabulierlust geht durch mit Florescu

Ein grausig-schöner Einstieg: Autos stauen sich auf einer Überlandstraße im Osten Ungarns, kurz vor der rumänischen Grenze. Der müßige Reisende, ein aus Rumänien stammender Schweizer in feinem englischen Anzug, steigt aus, geht nach vorn und entdeckt die Verunglückten. Es ist ein junges Paar auf dem Weg zur Hochzeit: "In den Armen der Polizisten sahen die Leichen schwerelos aus, fast wie Kinder in den Armen ihrer Mütter." So beginnt die Rückkehr Teodor Moldovans in sein Heimatland, aus dem er zwanzig Jahre zuvor mit seinen Eltern geflohen war - ein Wiedersehen unter schlechten Vorzeichen, gefaßt in ein eindrückliches Bild.

Wie schon in "Wunderzeit" (2001) erzählt Catalin Dorian Florescu in "Der blinde Masseur" die Geschichte eines Entwurzelten, wie in "Der kurze Weg nach Hause" (2002) geht es um eine Rückkehr in die rumänische Heimat; ein autobiographisches Thema, gewiß, Florescu ist selbst aus Rumänien in die Schweiz gezogen. Die Motivation seines Helden und Ich-Erzählers jedenfalls bleibt im Ungefähren. Zugegeben, Moldovan war in der Schweiz nicht völlig glücklich; auch denkt er an seine erste Liebe Valeria, die er auf der Flucht zurückließ. Und da gibt es haarsträubende Geschichten, die er damals den Bauern mit Schnaps entlockte und die ihm weiter durch den Kopf spuken. Aber all das zusammen erklärt im Grunde nicht, was er in Rumänien sucht.

Als er in dem heruntergekommenen Kurort Moneasa strandet und dort auf Ion, einen blinden Masseur, trifft, scheint sich ein Anknüpfungspunkt zu ergeben. Ion ist Herr über dreißigtausend Bücher, aus denen er sich vorlesen läßt; er schart um sich eine Gruppe junger Männer, "die Philosophen" genannt, und scheint eine alternative Existenz jenseits des schönen neuen Kapitalismus zu versprechen. Auch seine attraktive Freundin Elena verlockt zum Bleiben. Kurz, der antriebsschwache Moldovan bleibt hängen und wird in die ebenso malerische wie unerbittliche Welt des postkommunistischen Rumänien gezogen. Er, der in der Schweiz Karriere gemacht hat, gibt sich damit zufrieden, für Ion gebrauchte Bücher zu verscherbeln.

All das wird in kräftigen Farben geschildert, Florescus Stärke liegt im Ausmalen von Bildern und Episoden. Ob es sich um den Aberglauben handelt, wie der Teufel in die Welt schlüpfte, oder die Geschichte, wie die Ärztin zu ihrem Mann kam - in kurzen, übersprudelnden Sequenzen schafft er poetische Miniaturen, die im besten Fall an die balkanische Lebens- und Erzählfreude Emir Kusturicas in "Schwarze Katze, weißer Kater" erinnern. Leider nicht immer, denn die Bildermaschine brummt zwar von Anfang an auf Hochtouren, gerät aber manchmal ins Stottern bei dem blumigen Ausstoß. Mal ist es schlicht zuviel des Guten, mal rutschen die Metaphern und Vergleiche ab ins Süßliche, zum Beispiel, wenn es angesichts kranker Arbeiter heißt: "Ein Schmerzensdieb, das fehlte hier." Unter dasselbe Verdikt fallen Titel und Titelfigur: Die Idee eines blinden Masseurs evoziert stark die billige Sinnlichkeit aktueller Unterhaltungsromane, dagegen hätte Florescu unbedingt stärker anarbeiten müssen.

Moldovan entdeckt die Härte der Existenz, er wird von Zuhältern ausgenommen und übel zugerichtet. Schwerer wiegt, daß auf alte und neue Freunde wenig Verlaß ist, daß Valeria ihn ausnutzt und Ion sich als Tyrann erweist: Ihm gelingt es, zunächst in Moldovans Anzug und dann in seine Identität zu schlüpfen. Der Umschlag des Romans von einem kruden, aber poetischen Bild Rumäniens in einen existentialistisch gefärbten Albtraum mißlingt. Das liegt daran, daß die Hauptfrage des Romans nicht gelöst wird: Der Leser erfährt nicht, was der Held eigentlich will, ja weiß schließlich gar nicht mehr, was er denkt oder fühlt - auch die Verwirrung ist nicht konzise erfaßt. Ähnliches gilt für das Verhältnis von Ion und Moldovan: Der Zusammenhang bleibt so vage wie die Bedeutung des düsteren Endes für den Helden; der Autor wußte wohl selbst nicht recht, wohin er wollte.

So beweist "Der blinde Masseur" wieder Florescus Lust am Fabulieren, seine Erzählkunst, seine Beobachtungsgabe für zwischenmenschliche Nuancen. Leider zeigt der Roman ebenso deutlich, daß die konsequente Konstruktion einer plausiblen Rahmenhandlung seine Sache nicht ist. Leser und Autor geht es wie dem verunglückten Brautpaar: Bis zur Hochzeit kommen sie nicht.

NIKLAS BENDER

Catalin Dorian Florescu: "Der blinde Masseur". Roman. Pendo Verlag, München und Zürich 2006. 272 S., geb., 17,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Niklas Bender zeigt zwar durchaus Respekt für die Erzählkunst des rumänischen Autors, schließlich sieht er den Roman "Der blinde Masseur" aber als missglückt an. Schon mit der Titelfigur rückt der Roman in gefährliche Nähe zur Unterhaltungsliteratur, meint der Rezensent, der zwar einzelne Episoden in dieser Geschichte um einen aus der Schweiz ins postkommunistische Rumänien zurückkehrenden Ich-Erzähler für ihre Buntheit und Kraft preist, die Konstruktion des Buches insgesamt aber nicht überzeugend findet. Irgendwann kippt die Schilderung eines bei aller Krudität durchaus poetisch anmutenden Rumäniens ins Alptraumhafte, und spätestens hier kann der Rezensent die Romanhandlung nicht mehr nachvollziehen. Am meisten stört ihn, dass die Motivation des Protagonisten, wieder nach Rumänien zurückzukehren und sich dort einem düsteren Schicksal zu ergeben, genauso ungeklärt bleibt wie seine Gefühle und Gedanken, was Bender vermuten lässt, dass auch dem Autor die eigene Stoßrichtung nicht recht klar war. Keine Frage, der Autor kann packend erzählen und verfügt über eine große Beobachtungsgabe fürs Zwischenmenschliche, versichert der Rezensent. Ein Romankonstrukt aber, das bis zum Schluss tragfähig ist, sei ihm mit dem "Blinden Masseur" nicht gelungen, so Bender enttäuscht.

© Perlentaucher Medien GmbH…mehr