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Produktdetails
  • Verlag: Berliner Vorwärts Verlagsges.
  • 1. Aufl.
  • Seitenzahl: 120
  • Erscheinungstermin: April 2013
  • Deutsch
  • Abmessung: 180mm x 121mm x 10mm
  • Gewicht: 136g
  • ISBN-13: 9783866027565
  • ISBN-10: 3866027567
  • Artikelnr.: 36868627
Autorenporträt
Oliver Schmolke ist Politikwissenschaftler und Leiter der Planungsgruppe der SPD-Bundestagsfraktion.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Den progressiven Linksliberalismus, wie ihn der Autor und SPD-Abgeordnete Oliver Schmolke, in seinem Buch vorstellt, hält Reinhard Gaier für zukunftsträchtig. Allerdings wünscht er dem Leser wie dem Autor einen besser ausgearbeiteten Text zum Thema. Der vorliegende Essay, selbstverliebt, sprunghaft und wenig zielgerichtet, wie der Rezensent findet, zeugt für Gaier zwar vom Mut des Autors, aber nicht von der nötigen analytischen Ratio. Da geht noch was, meint Gaier voller Vorfreude auf Weiteres vom selben Autor.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.10.2013

Zur Sonne –
und zur Freiheit
Über das „linksliberale Manifest“ des
Sozialdemokraten Oliver Schmolke
VON REINHARD GAIER
Ralf Dahrendorf hat die SPD schon vor Jahrzehnten mit der Überlegung konfrontiert, dass sie sich zu einer liberalen Partei wandeln müsse, sofern sie bestehen wolle. In der Tat machen zwei Ereignisse nachdenklich, die wohl nicht bloß zufällig zusammentreffen: Da ist zum einen das grandiose Scheitern der SPD bei der Bundestagswahl mit einem traditionellen Wahlkampfthema. So anständig, redlich und anerPorgressnnenswert es war, soziale Gerechtigkeit ins Zentrum des Ringens um Wählerstimmen zu stellen, so niederschlagend und verunsichernd muss sich der Sozialdemokratie die laue Antwort des Souveräns auf dieses Politikangebot darstellen.
  Das Wahlergebnis ist kaum besser als das historische Tief bei der Wahl von 2009. Dies mag einigen Sozialdemokraten noch süß-sauer erscheinen, vielen wird es jedoch einfach nur bitter schmecken.
  Aber nicht nur die Sozialdemokratie ist bei dieser Wahl geschlagen worden, noch tiefer war der Sturz der Partei, die Liberalismus exklusiv für sich beansprucht hatte. Zwar mag der FDP für die letzten drei Dekaden eine deutliche Präferenz zugunsten einer neoliberalen Wirtschaftspolitik attestiert werden, gänzlich darauf beschränkt war liberales Denken in der Partei aber nie. Der Widerstand gegen die Vorratsdatenspeicherung mag passiv, der Einsatz gegen die Respektlosigkeit und Übergriffe der atlantischen Verbündeten wenig entschlossen gewesen sein. Die Bedeutung der Bürgerrechte für den Erfolg eines modernen Gesellschaftssystems wurde in einem – vielleicht marginalisierten, schwachen – Flügel der Freien Demokraten aber noch hochgehalten.
  Kaum mehr hat derzeit die SPD vorzuweisen. Ihr Regierungsprogramm erwähnt Bürgerrechte nur beiläufig und in harmlosen, wohlfeilen Formulierungen. Sind aber Gleichheit und Gerechtigkeit nicht längst Ansprüche der Einzelnen gegen den Staat, also Bürgerrechte, die von den Parteien nach Maßgabe ihrer politischen Grundentscheidungen auszugestalten und mit konkreten Inhalten zu füllen sind?
  In dieser Zeit parteipolitischer Geringschätzung von Bürgerrechten veröffentlicht Oliver Schmolke, der Leiter der Planungsgruppe der SPD-Bundestagsfraktion, sein „linksliberales Manifest“. Der Titel „Zur Freiheit“ erinnert an die SPD-Parteihymne, derzufolge die Sozialdemokraten nicht nur „zur Sonne“, sondern eben auch „zur Freiheit“ streben wollen.
  Schmolkes Versuch, „Linksliberalismus als nicht genannte und unausgeschöpfte Möglichkeit der Politik“ zu etablieren, zeugt von Mut, der sich nicht aus Verzweiflung speist. Sein Ansatz hebt sich wohltuend ab von der Gedanken- und Einfallslosigkeit heute gängiger, beliebiger Positionierungen, die das vermeintlich postideologische Zeitalter hervorgebracht hat. Zu kritisieren ist nur, dass er das Format eines Essays gewählt hat und sich sein Text – bisweilen geradezu selbstverliebt – in Wortkaskaden ergeht. Sprunghaftigkeit und eine bisweilen wenig zielgerichtete Gedankenführung kommen hinzu. – All das weckt die Erwartung und nährt die Hoffnung, dass Schmolke bald Zeit und Gelegenheit finden wird, seine Überlegungen auf analytischer Grundlage weiterzuentwickeln. Das Thema ist es allemal wert, mit Rationalität und Argumenten angegangen zu werden, die mehr auf Überzeugung denn auf Mitreißen zielen.
  Linksliberalismus steht für einen progressiven Ansatz, der soziale Verantwortung nicht leugnet, und für größtmögliche individuelle Freiheit, die niemanden zurücklässt. Mit den Worten Schmolkes schwächt der Sozialbezug nicht die persönliche Freiheit, sondern macht sie aus und erweitert sie. Sicher sind auch andere Perspektiven liberalen Denkens möglich; und doch hat Rainer Hank (in seiner Dankesrede zur Verleihung des Karl-Hermann-Flach-Preises) es zu Recht eine Niederlage des Liberalismus genannt, wenn wirtschaftliche Freiheit von politischer Freiheit getrennt werde.
  Heute hat der Linksliberalismus in Deutschland keine politische Heimat. Möglichkeiten, ihm diese wieder zu verschaffen, gibt es reichlich. So wenn sich unbeschadet ihrer konservativen oder ökologisch motivierten Skepsis die Unionsparteien und die Grünen dem gesellschaftlichen oder technisch-ökonomischen Fortschritt weiter öffnen wollen, oder wenn die FDP ohne ein hypertroph-wirtschaftsliberales Programm auf die bundespolitische Bühne zurückkehrt. Der progressive Liberalismus hätte aber auch dann eine Chance, wenn die Sozialdemokraten zu der Einsicht gelangen, dass soziale Gerechtigkeit und Freiheit einander nicht ausschließen müssen, sondern sich ergänzen und verstärken können.
  Progressivliberale Politikangebote werden immer noch erwartet. So etwa von den Migranten, auf die unsere Gesellschaft zunehmend angewiesen ist, um sich fortzuentwickeln und um in Zeiten demografischen Wandels nicht den ökonomischen und technologischen Anschluss zu verlieren. Diese Menschen kommen auch deshalb zu uns, weil sie sich den Fesseln religiös dominierter oder autokratischer Herrschaftssysteme in ihren Heimatländern entziehen wollen. Unser Land wird für sie mit Angeboten nicht nur von Toleranz, sondern auch von Freiheit und sozialer Absicherung attraktiv.
  In Deutschland ist progressiver Liberalismus derzeit unbehaust, aber als politisches Konzept weder überflüssig noch überholt. Der lesenswerte und nachdenklich stimmende Essay von Oliver Schmolke zeigt ein mögliches Modell auf, wie linksliberale Politik in der bundesdeutschen Gesellschaft wieder Fuß fassen kann.
Oliver Schmolke: Zur Freiheit. Ein linksliberales Manifest. Vorwärts-Buch, 2013. 120 Seiten, 10 Euro.
Reinhard Gaier ist Richter am Ersten Senat des Bundesverfassungsgerichts.
Heute hat der Linksliberalismus
in der Bundesrepublik
keine politische Heimat
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