Produktdetails
  • Verlag: Stroemfeld
  • Seitenzahl: 120
  • Erscheinungstermin: 3. Dezember 2009
  • Deutsch
  • Abmessung: 200mm
  • Gewicht: 180g
  • ISBN-13: 9783866000490
  • ISBN-10: 3866000499
  • Artikelnr.: 26540817
Autorenporträt
Roswitha Quadflieg, geboren 1949 in Zürich. 1969 -74 Kunststudium in Hamburg. 1973 - 2003 drucke sie in ihrer Verlagswerkstatt Raamin-Presse Texte der Weltliteratur mit eigenen Bildern. Ankäufe und Ausstellungen weltweit. Seit 1985 und jetzt ausschließlich ist sie Schriftstellerin. Romane, Hörspiele Theaterstücke, Drehbücher.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 19.02.2010

Warum musste Dr. W. sterben?
Roswitha Quadfliegs Roman zu zehn Stimmen: „Der Glückliche”
Die Lebensläufe anderer sind das Spezialgebiet der 1949 in Zürich geborenen und in Hamburg aufgewachsenen Roswitha Quadflieg. Bis auf ihr erstes Buch, das vom Unfalltod ihres damals dreiunddreißigjährigen Bruders berichtet und 1985 bei Arche erschienen ist, stellt sich die Autorin in all ihren Romanen vollständig auf ein fremdes Leben ein. Ob sie aus dem Inneren einer Figur erzählt, die an einem markanten Punkt ihres Lebens dessen Verfehltheit erkennen muss, wie in „Fabels Veränderung” und „Die Braut im Park”, oder ob sie nach dem Tod einer realen Person aus Archivmaterial deren Biographie rekonstruiert, wie in „Requiem für Jakob”, 2005 in Enzensbergers „Anderer Bibliothek” erschienen: Immer bleibt erkennbar, dass sie das eigene Leben gleichsam in Klammern setzt, um ganz der Logik eines anderen zu folgen.
Roswitha Quadflieg legt keinen Wert darauf, als Tochter von Will Quadflieg identifiziert zu werden. Doch ihr literarisches Verfahren ist nah an der Schauspielkunst. Sie schreibt Rollenprosa. Im Zentrum ihres neuen Romans, „Der Glückliche”, steht eine reale Person, die sie Dr. Leopold Wagner nennt. Von 1921 bis 1933 war Wagner Stadtarzt in Speyer, wurde 1938 wegen Beleidigung Hitlers inhaftiert und aufgrund eines ärztlichen Gutachtens in die „Heil- und Pflegeanstalt Lohr” eingewiesen. Dort verbrachte er einundzwanzig Jahre seines Lebens. Im Sommer 1959 wurde er entlassen und kam drei Tage später auf einer Bergwanderung in Tirol zu Tode. Seine Schwester Hanna, einst stramme Nationalsozialistin, war die einzige Zeugin.
Wie bei einem Gerichtsprozess bringt Roswitha Quadflieg zehn Personen zusammen, die fünfundzwanzig Jahre nach dem Bergunfall ihre Sicht der Dinge darlegen. Mit feinem Sprachgespür formt sie die einzelnen Familienmitglieder aus der Art ihres Sprechens zu Charakteren – von der Schwester, der Ehefrau, der Tochter, Schwiegertochter, Nichte, bis zum Sohn und Enkel. Ein Rechtsanwalt und ein Arzt geben dem dissonanten Familienkonzert eine gewisse Bodenhaftung. Die prägnanteste Stimme gehört zweifelsohne dem früheren Mitinsassen und engsten Freund des Toten. Sie verteidigt das gemeinsame Glück im Windschatten der Geschichte: die Psychiatrie als Ort, an dem die verschiedensten Narreteien möglich waren, weil niemand etwas anderes von einem erwartete. Zitate aus den Aufzeichnungen Wagners scheinen seine Schizophrenie zu belegen.
Aussage gegen Aussage
Roswitha Quadflieg macht es sich also nicht leicht. Sie trifft keine Vorentscheidung im Sinne politischer Korrektheit. Durch die Art, wie sie das Material arrangiert, zieht sie die Möglichkeit in Betracht, dass die psychiatrischen Gutachten über Leopold Wagner zutreffend gewesen sein könnten, obwohl sie von Ärzten verfasst wurden, die im Dienst des Dritten Reiches standen und an dessen Euthanasie-Programm beteiligt waren. Allerdings will sie das auch nicht dezidiert als Meinung vertreten. Sie stellt Aussage gegen Aussage und lässt es dabei bewenden. Ästhetisch hat das durchaus seinen Reiz, auch wenn „Der Glückliche” eher ein Schauspiel ist als ein Roman, nicht zuletzt wegen der fehlenden Erzählposition.
Als Paperback mit einem grünlich eingefärbten Zellenfoto und diffus variierender Typographie ist die Aufmachung des Buches eine gestalterische Katastrophe. Schade, dass der Stroemfeld Verlag ausgerechnet Roswitha Quadflieg, die dreißig Jahre lang die angesehene Raamin-Presse betrieb, eine solch lieblose Gestaltung zumutete. Aber vielleicht sieht sie ihren „Roman zu zehn Stimmen” im Geist bereits auf einer Bühne und kann es so besser verschmerzen. MEIKE FESSMANN
ROSWITHA QUADFLIEG: Der Glückliche. Roman zu zehn Stimmen. Stroemfeld Verlag, Frankfurt am Main und Basel 2009. 136 Seiten, 14,80 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Von außen betrachtet ist der neue Roman "Der Glückliche" von Roswitha Quadflieg für  Meike Fessmann "eine gestalterische Katastrophe". So grässlich wie das Buchcover mit Zellenfoto und unterschiedlicher Typografie ist der Inhalt für die Rezensentin aber nicht! Wobei Fessmann der Meinung ist, dass der Roman eher ein Schauspiel ist, und die Autorin "Rollenprosa" schreibe. Laut Rezensentin wird in "Der Glückliche" die Geschichte des Arztes Leopold Wagner erzählt, der 1938 wegen Beleidigung Hitlers verhaftet und in die Nervenheilanstalt eingewiesen wird, in der er einundzwanzig Jahre bleiben muss. Drei Tage nach seiner Entlassung kommt er bei einem Bergunfall ums Leben. Aus der Sicht von zehn Personen aus Wagners Umfeld nun wird die Vergangenheit wieder aufgerollt, wie Fessmann informiert. Sie lobt das "feine Sprachgespür" der Autorin, die die Psychiatrie als Ort der Narrenfreiheit inszeniert.

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