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Das Kultbuch von 1968, soeben in den USA mit einem Vorwort von Jonathan Lethem neu aufgelegt. Alfred Omega, hochbegabter, mittelloser Maler und Bildhauer, gerät in die Fänge eines skrupellosen, raffinierten Kunsthändlers, der die Kunstszene in New York und London fest im Griff hat.

Produktbeschreibung
Das Kultbuch von 1968, soeben in den USA mit einem Vorwort von Jonathan Lethem neu aufgelegt. Alfred Omega, hochbegabter, mittelloser Maler und Bildhauer, gerät in die Fänge eines skrupellosen, raffinierten Kunsthändlers, der die Kunstszene in New York und London fest im Griff hat.
Autorenporträt
Russell H. Greenan, geboren in Brooklyn, arbeitete zunächst als Vertreter einer Maschinenfabrik und als Antiquitätenhändler, bevor er sich 1966 mit seiner Familie nach Nizza einschiffte, um dort seinen zu schreiben. Greenan lebt heute in New York.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 24.04.2008

Der letzte Renaissancemensch
Russell H. Greenans phantastischer Roman „In Boston?”
Der Titel dieses Romans ist zunächst rätselhaft, aber wenn er gegen Ende des Buchs in einem Satz auftaucht, erscheint er plötzlich ganz naheliegend. „Ich war von einem Engel ausgebremst, von Gott hinters Licht geführt und vom Teufel belauert worden”, sagt der Erzähler und fährt fort: „Wer würde glauben, dass so etwas möglich ist – in Boston?” Russell H. Greenans Roman „In Boston?” ist ein so verspieltes und abschweifendes Buch voll phantastischer Einfälle, dass sich sein beschaulicher Schauplatz Boston geradezu irreal dagegen abhebt.
Das Staunen des Lesers steigert sich, wenn allmählich klar wird, dass Greenans Held, der geniale, verschrobene und verkannte Maler Alfred Omega, kein Mann des zwanzigsten Jahrhunderts ist, in dessen sechziger Jahren die Handlung angesiedelt ist. Er malt nicht nur im Stil Leonardos, sondern ganz genau wie er. Seine biblischen und mythologischen Motive sind die eines Renaissancekünstlers, ebenso wie seine Maltechniken, die er von einem eigensinnigen italienischen Exilanten erlernt hat. Omega ist ein leibhaftiger Anachronismus.
Doch ist er zu übergeschnappt, um sich auf eine Epoche festzulegen. Täglich verbringt er zwei Stunden im Park und träumt sich an den Hof von Versailles, in eine afrikanische Diamantenmine oder ins antike Lydien, und diese Träume fallen reicher aus als jede Wirklichkeit – bis Omega sich verstrickt in die Intrigen der Wirklichkeit, denn die Renaissance ist zu Ende und mit ihr der Höhepunkt der Kunst. Was danach kommt, ist in Greenans Roman über die „allgemeine Geringschätzung der Kunst” (so Jonathan Lethem in seinem enthusiastischen Nachwort) eine unauthentische Zeit, in der wahre Meisterwerke in den Augen der Welt wie Fälschungen aussehen.
Das macht sich der englische Kunsthändler Victor Darius zunutze. Er verhilft dem erfolglosen Maler zu Geld und spornt ihn an, einige seiner besten Bilder zu malen, doch steuert Omega mit jedem Schritt, den er mit Darius geht, auf einen Abgrund zu. Die Macht, die gegen dessen teuflischen Plan steht, ist die Freundschaft. Mit Benjamin Littleboy und Leo Faber verbindet Alfred Omega die Malerei und eine von keinem Neid getrübte Loyalität. Während Faber im Stil der Zeit malt und bald Erfolg hat, finden die exzentrischen Werke Littleboys so lange keine Abnehmer, bis Victor Darius ihm mit schlimmen Folgen einen Käufer für sein Meisterwerk „Die Geburt des Todes” vermittelt. Wer wissen will, wie plastisch sich ein Gemälde mit Worten malen lässt, der lese Greenans (von „pociao” bestens übersetzte) Beschreibung dieses Bildes. „In Boston?” ist ein facettenreiches und anschauliches Buch, und nirgends mehr als in diesen Passagen. Einige seiner Bilder stehen nach dem Lesen lebendiger vor Augen als manches Gemälde, das man tatsächlich sehen durfte.
Ist das nicht Mona Lisa?
Das andere Bild, das die Handlung von „In Boston?” bestimmt, ist Alfred Omegas Porträt der „Lisabeta”. Sie ist Leonardos „Mona Lisa” nachgebildet und wird einen großen Kunstskandal auslösen. Wenn es soweit ist und sich das Buch in einen Kunstkrimi verwandelt, fügen sich die zunächst chaotisch wirkenden Episoden mit ihren zahlreichen Figuren zu einem dichten Plot.
Greenans Figuren sind psychologisch komplexe Individuen, von denen einige allegorische Qualitäten besitzen. Der penetrante Versicherungsvertreter Mr. Beels verkörpert Tod und Teufel so prosaisch, dass sie Greenans kunstfeindlicher Gegenwart angemessen sind. Der kleine Junge Randolph stellt so gewitzte und kluge Fragen, dass eine höhere Macht aus ihm zu sprechen scheint, die wahnsinnige Mrs. Dandelion erzählt dem Maler hellseherisch von einer „Mörder-Gang”, deren Existenz sich auf schreckliche Weise bewahrheiten soll, wenn Alfred Omega ihr selber beitritt.
Die Psychologie und Allegorie vereinende Figurenkonzeption passt zur Doppelbödigkeit der Geschichte. Nicht nur Tauben, die Omega ständig zu beobachten scheinen, sterben von seiner Hand, auch unschuldige Menschen. Und doch will Omega nichts anderes, als Gott herauszufordern, der den unverdienten Tod seines Freundes Littleboy zugelassen hat. Dafür lässt er sich auch mit dem Teufel ein, dringt weit ins Dämmerreich zwischen Wissenschaft und esoterischem Wissen vor. „In Boston?” ist vieles, und unter anderem eben auch eine Faust-Parodie, deren Komik und Düsternis immer verwirrender wird, während die Arglosigkeit und das Einnehmende der Erzählerstimme in immer größerem Widerspruch zu den Ereignissen stehen.
Russell H. Greenan hat diesen Roman in Nizza von 1966 bis 1967 geschrieben, nachdem er sich als Vertreter einer Maschinenfabrik das Geld dafür zusammengespart hatte. 1969 erschien der Roman in den USA und wurde von der Kritik euphorisch begrüßt, die Taschenbuchrechte verkauften sich zu einem Rekordpreis von 100 000 Dollar, und eine Zeitlang war Greenan berühmt; bald erschien eine Übersetzung des Kultbuchs in der Deutschen Verlags-Anstalt. Im Laufe der Jahrzehnte jedoch geriet Greenan, Autor von bislang zwölf weiteren Romanen, in Vergessenheit – sehr zu Unrecht, wie sich möglichst viele Leser selbst überzeugen mögen. KAI WIEGANDT
RUSSELL H. GREENAN: In Boston? Roman. Aus dem Englischen von pociao. Mit einem Nachwort von Jonathan Lethem. SchirmerGraf Verlag, München 2007. 379 Seiten, 22,90 Euro.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.10.2007

Salti durch die Zeit

Ein Buch zum Lachen, Weinen und Staunen: Endlich gibt es Russell H. Greenans Thriller "In Boston?" aus dem Jahr 1969 wieder auf Deutsch

Wie schnell und pompös schreibt sich das hin: dieses Buch ist eine "Entdeckung". Oder eine Wieder-Entdeckung, um genau zu sein. Dabei feiert das große Wort meist doch nur irgendein mageres, schwindsüchtiges Textlein, das völlig zu Recht in den Regalen der Antiquariate vermodert. Und dann kommt ein Roman wie Russell H. Greenans "In Boston?" daher, und man möchte die Menschheit ohrfeigen für ihre Vergesslichkeit. Was ist das für eine Welt, in der ein witziger, düsterer, aufregender Autor wie Greenan nur ein paar Eingeweihten bekannt ist?

"In Boston?" ist, obwohl es kaum jemand kennt, ein Buch wie ein Fest. Wie ein Fest in einem großen Haus voller Musik und Gelächter, das man nie wieder verlassen möchte. Wann immer man eine Seite umblättert, meint man, einen neuen Raum voller Überraschungen zu betreten: die Säle bersten vor Gästen, Frauen in Sommerkleidern schweben vorbei, hinreißend anzusehen, die Luft hängt voller Gespräche, die funkeln wie Kronleuchter, doch mitunter mischt sich unter die Menschen ein Fremder, um den eine eisige Kälte ist. Der Teufel, möglicherweise.

Man kann "In Boston?" nicht lesen, ohne zu lachen und zu weinen und zu staunen. Unablässig macht die Geschichte Bocksprünge, schlägt Salti, wirbelt durch die Zeitebenen und stellt dem Leser die abenteuerlichsten Fallen, in die man freudig tappt. Welch ein phantastischer Einfallsreichtum! Was für ein furioses Vermögen Greenan besitzt, beinahe beliebig unsere Emotionen zu lenken, bis wir schließlich sogar um die Freiheit eines Massenmörders bangen! Nichts aber an diesem Roman ist erstaunlicher als der Umstand, dass "In Boston?" nicht längst als abgegriffenes, wieder und wieder gelesenes, innig geliebtes Taschenbuch in unserer aller Bücherschränken steht.

Worum geht es? Unmöglich, das in zwei, drei Sätzen zu erzählen. Dafür ist der Plot zu verschlungen, sind die Charaktere zu vielschichtig. Und es wäre ein Verbrechen, zu viel zu verraten. Es geht, so viel steht fest, um große Kunst und wahre Freundschaft. Es geht um die Liebe zu der schönen Stadt Boston, um das rare Glück, unter dem eigenen Bett zu liegen und sich "in den Anblick der schmalen Ritzen zwischen den Eichendielen zu versenken". Es geht um einen Künstler, der nicht bloß wie Gott sein will, sondern den bisherigen Amtsinhaber kurzerhand aus dem Himmel zu verjagen trachtet, um selbst den höchsten Thron zu besteigen, und bei diesem Unternehmen ziemlich weit kommt.

Zugleich ist "In Boston?" der raffinierteste Kunstkrimi, der sich denken lässt, klug und kenntnisreich bis in die Feinheiten des Farbauftrags im fünfzehnten Jahrhundert, dabei derart hinterlistig eingefädelt und so verschlagen gebaut, dass man gut und gern dreihundert Seiten verschlingen kann, ehe man überhaupt bemerkt, einen Thriller zu lesen.

Der absonderliche Held der Geschichte ist der ebenso begnadete wie verwirrte Maler Alfred Omega, der seine Tage damit zubringt, in einem Park in Boston zu sitzen und sich in fremde Länder und ferne Zeiten zu träumen. Er ist ein verkanntes Genie, im falschen Jahrhundert zur Welt gekommen, mit einem Pinselstrich, der dem Leonardos auf beängstigende Weise gleicht. Doch je mehr er seine Kunst vervollkommnet und der Welt überirdisch Schönes schenkt, desto tiefer sinkt er, gleich einem tragischen Helden, der stets das Gute will und doch unaufhaltsam der Katastrophe entgegensteuert, von bösen Mächten überlistet und schließlich vom Wahn gepackt.

Greenan schrieb seinen Erstling in Südfrankreich, in Nizza, in einem einzigen, rauschhaften Jahr, vom Frühling 1966 bis zum Ostersonntag 1967, während am anderen Ende der Welt, in Vietnam, der Dschungel brannte. Mitunter meint man, gerade dieses bizarre Nebeneinander von privatem Glück und fernem Schlachten habe auf merkwürdige Weise auch diesen Roman grundiert: er ist wie von Licht durchflutet und voller Düsternis.

Als "In Boston?" im Januar 1969 zum ersten Mal bei Random House erschien, bekam es sogleich schwärmerische Rezensionen. Die "New York Times" lobte das Buch als "erlesen makaber und magnetisch", und auf einen Schlag war Greenan, der sich zuvor als GI, als Handelsvertreter in Maine und als Antiquitätenhändler durchgeschlagen hatte, ein berühmter Schriftsteller. Die Taschenbuchrechte wurden für die damals schwindelerregende Summe von hunderttausend Dollar verkauft, drei Jahre später kam "In Boston?" unter dem Titel "Die Geburt des Todes" zum ersten Mal auch auf Deutsch heraus, bei der DVA, aber mit den Jahren verblasste der Ruhm des Autors, der seither immerhin noch zwölf weitere Romane vorgelegt hat.

Lange war "In Boston?" vergriffen, lebte nur in verschlafenen Buchhandlungen als umrauntes "Kultbuch" für Liebhaber weiter. 1982 verkündetete die Schriftstellerin Anne Tyler in der "Washington Post" schon einmal die Wiederentdeckung des Romans, aber es dauerte noch weitere elf Jahre, ehe in den Vereinigten Staaten eine Neuausgabe erschien, für die der großartige Jonathan Lethem ein kurzes, ekstatisches Nachwort geschrieben hat, das vor Begeisterung geradezu zittert: "Phantasmagorisch" sei "In Boston?", "sinnlich, mit unvergeßlichen Figuren und brillanten Handlungssträngen. Es ist herrlich alberne und mitreißende ,Unterhaltung' und wirkt trotzdem gelegentlich entsetzlich traurig, ja, existentiell bedrohlich." Tatsächlich merkt man dem Buch die vierzig Jahre, die es auf dem Buckel hat, nirgends an. Es knattert nur so vor Ideen und ist frisch wie am ersten Tag.

Denn "In Boston?" ist ganz frei vom langhaarigen, marihuanaumnebelten, Sgt.-Pepper-haften Blumenkinder-Hippietum der späten sechziger Jahre, und doch ist es, trotz seines bisweilen altmodisch langsamen Tonfalls, auf allerliebste Weise durchgeknallt. Wie die Fotos von Diane Arbus, wie Andy Warhols "Factory" oder die Antikriegsproteste fängt auch Greenans Roman ein Amerika ein, das völlig aus den Fugen geraten schien.

Es gibt darin, was für einen Roman dieser Zeit erstaunlich sein mag, weder Drogen noch Sex, nur eine einzige, madonnenhafte Hure, Lisabeta, die Albert Omega Modell sitzt, aber sie ist so schön, dass der Maler ganz vergisst, dass er ein Mann ist. Dafür gibt es mehr als ein halbes Dutzend Tote, die auf ziemlich hässliche Weise ums Leben kommen (rechnet man noch die vergifteten Katzen und Vögel hinzu, ist's ein rechtes Massaker). Es gibt spionierende Tauben und einen ängstlichen Engel aus Mahagoni; es gibt Randolph, den hinreißendsten und altklügsten Jungen, der sich denken lässt, und es gibt den kreischenden Versicherungsmakler Mr. Beels, von dem bis zum Ende unklar bleibt, ob er ein kettenrauchender Mafioso ist oder nicht doch der Leibhaftige persönlich. Greenans Debüt, hat Jonathan Lethem treffend geschrieben, sei "vollgepropft mit einer kunterbunten Mischung sämtlicher Vorstellungen, die der Autor vermitteln wollte, als fürchtete er, nie wieder Gelegenheit dazu zu haben".

"In Boston?" ist Krimi, Faust-Satire und theologische Grübelei zugleich, kunsthistorischer Klamauk, Ehrenrettung der Ratte und eine Hymne an die Freundschaft. Mehr kann ein Buch nicht bieten. Wenn der Roman jetzt noch einmal vergessen wird, dann muss man an der Welt verzweifeln. Und sollte Greenan zum Trost gleich noch einmal lesen.

HEINRICH WEFING

Russell H. Greenan: "In Boston?". Roman. Aus dem Amerikanischen von Pociao. Mit einem Nachwort von Jonathan Lethem. SchirmerGraf-Verlag, München 2007. 379 Seiten, geb., 22,90 Euro

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Als große Wiederentdeckung feiert Rezensent Heinrich Wefing in der FAZ am Sonntag diesen Roman von Russell H. Greenan aus dem Jahr 1969, der nun in einer neuen deutschen Übersetzung vorliegt. Seine Begeisterung über diesen Roman - ein "Buch zum Lachen, Weinen und Staunen" - kennt keine Grenzen. Unverständlich ist für ihn, warum dieses Buch für lange Jahre nur wenigen Eingeweihten bekannt war. Die Geschichte will er nicht verraten, berichtet nur so viel, dass der geniale, dem Wahn anheim fallende Maler Alfred Omega im Mittelpunkt steht, und dass der Roman von Kunst, Freundschaft und der Liebe zu Boston handelt. Aber Wefing lässt keinen Zweifel daran, dass er ein mitreißendes, emotionales, intelligentes, ebenso trauriges wie komisches und subtil konstruiertes Werk vor sich hat, einen spannenden Kunstkrimi, in dem Zeiten und Ebenen durcheinander gewirbelt werden, voll von wunderbaren Charakteren. Für ihn ist dieses Buch "wie ein Fest".

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