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Von schweren Zerwürfnissen erschütterte Familien geraten an ihre Grenzen. So auch Familie Amani, die Abbas Maroufi stellvertretend porträtiert. Einer der Söhne, der Kommunist Madjid, ist aus seiner Heimat geflohen und begegnet als Patient einer Aachener Nervenheilanstalt seiner Vergangenheit. Einer Zeit, in der er und seine Brüder sich gegen den Willen des Vaters politisierten: Assad schloss sich Chomeinis Organisation an und besetzte innerhalb kürzester Zeit wichtige Ämter, Said wurde Mitglied der Mudschaheddin und Iradsch, dem inhaftierten "Revolutionsfeind", droht die Hinrichtung.Maroufis…mehr

Produktbeschreibung
Von schweren Zerwürfnissen erschütterte Familien geraten an ihre Grenzen. So auch Familie Amani, die Abbas Maroufi stellvertretend porträtiert. Einer der Söhne, der Kommunist Madjid, ist aus seiner Heimat geflohen und begegnet als Patient einer Aachener Nervenheilanstalt seiner Vergangenheit. Einer Zeit, in der er und seine Brüder sich gegen den Willen des Vaters politisierten: Assad schloss sich Chomeinis Organisation an und besetzte innerhalb kürzester Zeit wichtige Ämter, Said wurde Mitglied der Mudschaheddin und Iradsch, dem inhaftierten "Revolutionsfeind", droht die Hinrichtung.Maroufis Stil ist prägnant. Alles ist eins, Erzählebenen gehen nahtlos ineinander über. Folgen wir gerade noch einer Unterhaltung Madjids mit einem Mitpatienten, sitzen wir im nächsten Satz in einem Wagen, der den Geflüchteten zurück in den Iran bringen soll. Der Roman ist ein Spiegel der Revolution, seiner Dynamik kann man sich nicht entziehen. Maroufi verdichtet das Geschehen zu einem geballten Porträt jener dramatischen Zeit.
Autorenporträt
Abbas Maroufi, 1957 in Teheran geboren, gründete die Zeitschrift "Gardoon" und war ihr Herausgeber, bis er wegen "Beleidigung der islamischen Grundwerte" zu Gefängnis, 20 Peitschenhieben und Publikationsverbot verurteilt wurde. Aufgrund internationaler Proteste wurde das Urteil nicht vollzogen, die Zeitschrift jedoch verboten. Er konnte das Land verlassen und gründete in Berlin die Buchhandlung "Hedayat" und den Verlag "Gardoon". Auf Deutsch erschien u. a. der Roman "Symphonie der Toten", für den er 2001 den Siegfried-Unseld-Preis erhielt. Das gegen ihn ergangene Urteil wurde bisher nicht aufgehoben.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.12.2016

Persischer Kreuzweg
Abbas Maroufis Roman "Fereydun hatte drei Söhne"

Zu den klassischen Weisheiten gehört die Aussage, dass auch Bücher ihre Schicksale haben. Für diesen Roman gilt das ganz besonders: Er erschien erstmals 2004 in Berlin, damals auf Persisch, denn sein Autor, der Publizist Abbas Maroufi, wurde 1957 in Teheran geboren und konnte 1996 in die Bundesrepublik ausreisen. Hier fand er eine große Emigrantenszene seines Landes vor, deshalb bekam er auch die Möglichkeit, "Fereydun hatte drei Söhne" in der eigenen Muttersprache zu publizieren. Nur fand Maroufi damit in Deutschland nur ein Publikum aus iranischen Emigranten, und so dauerte es zwölf Jahre, bis der Schriftsteller Ilija Trojanow, ein Weltlesender vor dem Herrn, auf den Roman stieß und ihn für eine von ihm bei der Büchergilde Gutenberg herausgegebene Reihe mit außereuropäischen Texten übersetzen ließ - von Susanne Baghestani, der angesehensten Übersetzerin aus dem Farsi, das hier im Impressum allerdings gut deutsch als "Persisch" bezeichnet wird. Nun ist Maroufis Roman also wirklich in seinem Gastland angekommen. Und das just in einem Moment, wo der Blick auf muslimische Flüchtlinge neu kalibriert wird.

Madjid Amani, der wichtigste Protagonist in Maroufis Roman, ist vor dem iranischen Mullah-Regime nach Deutschland entkommen, allerdings nicht in sein Wunschland: zunächst versuchte der überzeugte Linke es in der Sowjetunion. So wird schnell klar, dass Autor und Held des Romans nur gewisse biographische Züge miteinander teilen wie etwa den Aufenthalt im rheinischen Düren. Allerdings kann einiges wohl nur durch bittere eigene Erfahrung derart intensiv beschrieben werden, wie Maroufi es hier tut: "Ich habe seit Jahren nichts getan, weißt du, für uns Ausländer gibt es hier keine Arbeit. Die Arbeitslosigkeit lässt einen verfaulen, innen wie außen. Seit Jahren, seit langen Jahren. Weißt du das, Bruder? Diese Sozialhilfe lässt einen zum Schmarotzer werden, zu einem Nassauer. Ich habe etwas verloren, so dass ich mich nicht mehr im Griff habe. Sobald mich irgendetwas aufbringt, starre ich jemandem in die Augen und weiß dann nicht mehr, wie mir geschieht. Erst wenn die Polizei anrückt und die Handschellen an meinen Armen auf dem Rücken einrasten lässt, merke ich, dass ich irgendeinen Ort verwüstet habe."

Verzweiflung ist ein durchgehendes Motiv des Buchs, Maroufi übersetzt sie in ein exemplarisch beschädigtes Leben. Madjid hat in Deutschland eine Frau gefunden, ein Kind bekommen, beide aber wieder verloren, durch seine Ausnahmezustände landet er für vier Jahre in einer Aachener Nervenheilanstalt. In diesem Roman kommt niemand wirklich an in Deutschland, obwohl sich Madjid in einer Rückkehrphantasmagorie noch in der Türkei gegen die Weiterfahrt nach Iran und damit für sein Asylland entscheidet: "Wenn Hunde die Ampel beachten und nicht losgehen, ehe sie nicht auf Grün umgesprungen ist, oder wenn sich ein Mensch an der roten Ampel vor dem Hund auf der gegenüberliegenden Seite der Kreuzung schämt und das Gesetz nicht übertritt, weshalb sollte er dann seinen hündischen Frieden mit einem entsetzlichen Durcheinander vertauschen?" Wider Willen ist Madjid also deutsch geworden.

Sein Vater Fereydun, ein Konzernchef, der unter dem Schah Karriere machte, hatte seine Söhne weggeschickt, als die sich gegen das neue Regime engagierten: "Verschwindet schleunigst aus diesem Land. Vertrödelt keine Zeit." Wobei Fereydun anders, als der Romantitel besagt, vier Söhne hat, neben Madjid noch Said, Assad und Iradsch, doch Letzterer wird als unliebsamer Literat 1981 hingerichtet, und die beiden anderen schlagen sich auf die Seite der Mullahs, einer geht zum Geheimdienst, der andere stirbt als sogenannter Gotteskrieger im Kampf gegen den Irak. So wird durch die Familie Amani die persische Gesellschaft im Kampf für oder gegen die Revolution abgebildet, und was der Roman zu erzählen weiß, liefert wieder neue Facetten über ein Land, dessen Dagebliebene und Flüchtlinge erst jüngst durch Shida Bazyars Roman "Nachts ist es leise in Teheran" (F.A.Z. vom 20. Februar) zum Thema großer Literatur gemacht worden sind. Maroufi gehört jedoch der Flüchtlingsgeneration an, während Bazyar in Deutschland geboren wurde.

Maroufis Madjid ist hin- und hergerissen zwischen Iran und Deutschland, auch zwischen beiden Literaturen. Nicht umsonst ist das tausend Jahre alte persische "Buch der Könige" eine wichtige Folie für den Roman "Fereydun hatte drei Söhne" - dessen Titel leitet sich daraus ab, denn darin gibt es einen König Fereydun, der unter seinen drei Söhnen die Welt verteilt. Einer von ihnen heißt Iradsch und erhält Iran, doch die anderen beiden ermorden ihn. Madjids Mutter will noch von einem vierten wissen: "Man weiß nicht, welches Unheil über den anderen gekommen ist." Sie ahnt, was ihr Sohn Madjid in Deutschland erlebt: Maroufis Roman über ihn ist kein Buch der Könige, es ist das Buch der Flüchtlinge.

ANDREAS PLATTHAUS

Abbas Maroufi:

"Fereydun hatte drei Söhne". Roman.

Aus dem Persischen

von Susanne Baghestani.

Edition Büchergilde,

Frankfurt am Main 2016. 298 S., geb., 22,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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