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Nachdem 2001 mit dem Band 'Die getarnte Armee. Geschichte der Kasernierten Volkspolizei der DDR 1952 bis 1956' eine umfassende Arbeit zur Vorgeschichte der Nationalen Volksarmee (NVA) vorgelegt wurde, wird nun die Geschichte der NVA in der 'Ulbricht-Ära' dargestellt. Es geht um die Etappe ihres Aufbaus und ihrer Konsolidierung als sozialistische Koalitionsarmee im Warschauer Pakt in der Zeit von Mitte der 1950er Jahre bis 1970/71. Dabei werden Anspruch und Wirklichkeit der DDR-Volksarmee miteinander verglichen und Legenden hinterfragt. Der Band fußt auf einer breit angelegten Quellenrecherche…mehr

Produktbeschreibung
Nachdem 2001 mit dem Band 'Die getarnte Armee. Geschichte der Kasernierten Volkspolizei der DDR 1952 bis 1956' eine umfassende Arbeit zur Vorgeschichte der Nationalen Volksarmee (NVA) vorgelegt wurde, wird nun die Geschichte der NVA in der 'Ulbricht-Ära' dargestellt. Es geht um die Etappe ihres Aufbaus und ihrer Konsolidierung als sozialistische Koalitionsarmee im Warschauer Pakt in der Zeit von Mitte der 1950er Jahre bis 1970/71. Dabei werden Anspruch und Wirklichkeit der DDR-Volksarmee miteinander verglichen und Legenden hinterfragt. Der Band fußt auf einer breit angelegten Quellenrecherche und Zeitzeugenbefragungen, wobei auch sozialgeschichtliche, kulturwissenschaftliche sowie geschlechter-, alltags- und mentalitätsgeschichtliche Ansätze verfolgt werden.
Autorenporträt
Wenzke, Rüdiger§Jahrgang 1955, Dr. phil., 1981-1990 wissenschaftlicher Assistent/Oberassistent am Militärgeschichtlichen Institut der DDR in Potsdam, seit 1990 wiss. Mitarbeiter, seit 2008 Wissenschaftlicher Direktor am Militärgeschichtlichen Forschungsamt (MGFA)/ Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBw) in Potsdam, seit Ende 2014 Leiter des Forschungsbereiches 'Militärgeschichte nach 1945' am ZMSBw; zahlreiche Veröffentlichungen zur Militärgeschichte der DDR und zum Warschauer Pakt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.02.2015

Ausgehöhlte Gefechtsbereitschaft
Die Geschichte der bewaffneten Verbände in der DDR und ihre Rolle 1989/90

Dass der bis an die Zähne bewaffnete und auch in der Gesellschaft militarisierte "Arbeiter-und-Bauern-Staat" im Herbst 1989 in einer friedlichen Revolution in kürzester Zeit implodierte und bald darauf von der politischen Bühne verschwand, bildet für alle Beteiligten und Beobachter immer noch eine große Überraschung. Warum und wie das möglich wurde, bleibt eine Schlüsselfrage nicht zuletzt der Militärgeschichte. Der im Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMS) in Potsdam entstandene Sammelband mit vier Einzelbeiträgen und einem Anhang von archivalischen Quellen trifft mit dem auf die Maueröffnung gemünzten Titelzitat - einem Satz aus den Erinnerungen des Chefs der Grenztruppen - auch in einem weiteren Sinne den Kernpunkt einer Konstellation, die mit der spektakulären und erfolgreichen Leipziger Montagsdemonstration vom 9. Oktober unter der Losung der Demonstranten "Keine Gewalt" ihren ersten Höhepunkt hatte.

Man kann die Ereignisse, die für die beteiligten Zeitgenossen noch kaum in ihrer Tragweite durchschaubar waren, nicht allein mit dem punktuellen Blick auf die drohenden, aber nicht eingetretenen blutigen Konfrontationen in den großen Städten der DDR im Herbst 1989 erklären. Der einleitende Beitrag von Heiner Bröckermann bietet deshalb eine zeitlich weiter greifende Analyse der Militär- und Sicherheitspolitik der SED in den späten 1980er Jahren. Das gemeinsame Ziel aller militärischen Formationen war und blieb die Sicherung der DDR vor äußeren und inneren Bedrohungen. Der genaue Blick hinter die Kulissen zeigt jedoch die Erosion der alten Loyalitäten und die wachsende Unsicherheit in der politischen und militärischen Führung angesichts veränderter Verhältnisse in Michail Gorbatschows Sowjetunion und den benachbarten "Bruderstaaten".

Bekannt ist, dass die friedliche Revolution im Übrigen zwar ohne Schüsse, aber anfangs keineswegs so friedlich verlief, wie die Bezeichnung suggeriert. Die Drohkulisse sah angesichts der in Teilen der Nationalen Volksarmee (NVA) Anfang Oktober 1989 angeordneten "erhöhten Gefechtsbereitschaft" und der Bildung von NVA-Hundertschaften zunächst brutal aus. Im Detail wird von Rüdiger Wenzke und Daniel Niemetz nicht nur die Rolle der NVA und der formal eigenständigen Grenztruppen, sondern auch die der Volkspolizei-Bereitschaften und der nach dem Aufstand vom 17. Juni 1953 geschaffenen "Betriebskampfgruppen der Arbeiterklasse" nachgezeichnet. Sie sollten die öffentliche Ordnung und Sicherheit unter allen Umständen garantieren. Aber der Glaube an diesen Auftrag bröckelte. Das Feindbild "Imperialismus und BRD" wirkte längst nicht mehr so recht. Die NVA wurde Anfang 1989 verkleinert, ihre innere Geschlossenheit war nicht zuletzt durch den massenhaften Einsatz von Soldaten in der Volkswirtschaft zur Erfüllung der Wirtschaftspläne geschwächt. Auch die Fälle von Fahnenflucht nahmen zu. Dass rund 500 Armeeangehörige erklärten, bei den Kommunalwahlen im Mai 1989 nicht zur Wahl gehen zu wollen, war ein weiteres Alarmzeichen. Die Betriebskampfgruppen, die beim Mauerbau 1961 noch eine wichtige Rolle gespielt hatten, wollten jetzt nicht als "Knüppelgarde" in der erwarteten Konfrontation fungieren und brachten das vielfach zum Ausdruck.

Zentral war und blieb die Frage nach dem Verhalten der Roten Armee. Matthias Uhl geht ihr auf der Basis teilweise neu erschlossener russischer Quellen genau nach. Die Antwort macht die überragende Rolle Gorbatschows noch einmal sehr deutlich. Der Verzicht auf gewaltsame Einmischung - wie zuvor bereits in Ungarn bei der Grenzöffnung nach Österreich und der Bildung einer Regierung unter Beteiligung der Solidarnosc in Polen - war integraler Teil der angestrebten Perestrojka, die auch auf eine Beschneidung des politischen Einflusses des Militärs hinauslief. Das fand seinen Niederschlag unter anderem in der deutlichen Senkung der Rüstungsausgaben durch Gorbatschow und einer Reduktion der Generalität von 6000 auf 1200.

Außenpolitisch sollten die Mitglieder des Warschauer Pakts eigene Vorstellungen realisieren können. Uhl benennt aber auch einige quellenmäßig nach wie vor nicht eindeutige Befunde, die auf Interventionsmöglichkeiten hindeuteten. So befanden sich sowjetische Truppenteile in der Zeit der Maueröffnung in erhöhter Gefechtsbereitschaft. Hardliner und Scharfmacher gab es unter den ostdeutschen Sicherheitskräften und unter den sowjetischen Militärs. Aus allen Beiträgen wird deutlich, wie unklar zunächst ein friedlicher Ablauf war. Viele Faktoren mussten zusammentreffen, um schließlich doch einen blutigen Konflikt zu verhindern.

Gegenüber dem in der wissenschaftlichen Publikationsreihe des ZMS erschienenen, präzise recherchierten und quellenmäßig dicht belegten, bisweilen aber auch allzu sehr auf militärische und waffentechnische Details ausgerichteten Sammelband bietet die reich illustrierte und opulent aufgemachte Geschichte der NVA einen Gesamtüberblick über die Entwicklung, von der Aufstellung und Kasernierung von Volkspolizeibereitschaften 1948 bis zum 2. Oktober 1990, als die Truppenfahnen eingerollt wurden. Rüdiger Wenzke hat als Herausgeber und Autor bereits etliche einschlägige Publikationen zur DDR-Militärgeschichte vorgelegt. Bemerkenswert erscheint hier die insgesamt gelungene Balance zwischen der kritischen Einordnung der Geschichte einer Armee in der SED-Diktatur und dem Bemühen, in einem bestimmten Rahmen auch den Blick von innen auf das professionelle Eigenleben dieser oft als "rote Preußen" charakterisierten Truppe angemessen wiederzugeben. Eine "Armee des Volkes" war die NVA bekanntlich nie, aber auch kein Staat im Staate.

Der Band ist aufwendig gestaltet: auf jeder Seite schwarz weiße oder bunte Abbildungen zu allen Waffengattungen, zum Personal, zu Uniformen und Paraden, ferner statistische Übersichten, kurze Auszüge aus Quellen, ein Glossar, eine Auswahlbibliographie sowie Kurzbiographien der wichtigsten im Text genannten Militärs und Politiker. Auf die Darstellung der Entwicklungsphasen, der Traditionen und Doktrinen, der Organisation und der Strukturen einschließlich der Rolle der Stasi folgen auch alltagsgeschichtliche Kapitel mit sehr aufschlussreichen Einblicken in den inneren Zustand der Truppe.

So entsteht ein zwar in nüchterner Sprache gehaltenes, aber umfassendes und plastisches Bild vom Leben beim "Barras" und vom Alltag in der Kaserne. Dazu gehören Hinweise auf die gelegentlich witzige, meist vulgäre Soldatensprache, die überwiegend eintönige Versorgung, den verbreiteten Alkoholismus, die entwürdigende Menschenschinderei, die es zwar nicht geben sollte, gegen die Auflehnung aber riskant war, die üble Formen annehmende und von der Führung nie wirklich unter Kontrolle gebrachte EK-Bewegung, wenn die "Entlassungskandidaten" unter den Wehrpflichtigen brutale Spiele mit den neu Einberufenen trieben. Auch die Diskriminierung der Bausoldaten und schließlich das besonders düstere Kapitel der Militärjustiz mit dem berüchtigten Militärgefängnis in Schwedt werden erwähnt. Über die Gewichtung der Einzelthemen kann man sicher streiten, zum Beispiel wäre eine knappere Präsentation von Waffentypen für den ungedienten Laien sicherlich hinreichend, aber insgesamt bietet der Text einen sehr informativen Zugang zur Geschichte der NVA.

CHRISTOPH KLESSMANN.

Rüdiger Wenzke (Herausgeber): "Damit hatten wir die Initiative verloren". Zur Rolle der bewaffneten Kräfte in der DDR 1989/90. Ch. Links Verlag, Berlin 2014. 258 S., 29,90 [Euro].

Rüdiger Wenzke: Nationale Volksarmee. Die Geschichte. Unter Mitarbeit von Torsten Diedrich und Wolfgang Ebert. Bucher-Verlag, München 2014. 218 S., 29,99 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Hochinformativ und schlicht exzellent findet Karl Wilhelm Fricke dieses Sachbuch über die NVA, das der Militärhistoriker Rüdiger Wenzke, wie Fricke lobt, mit vielen Fakten, empirischen Daten, Details, Fotos und Statistiken und übersichtlicher Einteilung verfasst hat. Die Entwicklung der NVA in ihren ersten anderthalb Jahrzehnten unter Ulbricht zeichnet der Autor laut Fricke in all ihren Wandlungen und politischen Ausrichtungen nach. Dass Wenzke auch ehemalige NVAler aller Dienstgrade zu Wort kommen lässt, hält der Rezensent für einen Gewinn, auch wenn hin und wieder Nostalgie durchschimmert. Beim Autor kann Fricke allerdings keine Sentimentalität entdecken. Er schildere die NVA wahrheitsgemäß als sowohl nach außen wie auch nach innen gerichtetes Herrschaftsinstrument, dessen Alltag, wie Fricke ebenfalls erfährt, geprägt war von Frust und Missständen.

© Perlentaucher Medien GmbH
Faktengesättigt mit einer Fülle empirischer Daten und Details, ein hochinformatives und exzellentes Sachbuch. Karl Wilhelm Fricke, F.A.Z. "Ulbrichts Soldaten" ist eine breit angelegte und kompetente Studie über die Anfangsjahre der Nationalen Volksarmee und ihren Umbau in eine kampfstarke, moderne Angriffsarmee hinter der Legende einer "Friedensarmee". Udo Scheer, LesArt, Deutschlandradio Kultur Rüdiger Wenzke hat mit seiner Arbeit zur NVA unter Ulbricht erneut ein innovatives und hervorragendes Standardwerk vorgelegt. Wer sich mit den ostdeutschen Streitkräften im Kalten Krieg und vor allem mit deren Innenleben beschäftigt, wird an diesem Buch nicht vorbeikommen. Auch für alle anderen Historiker ist "Ulbrichts Soldaten" nur zu empfehlen. Matthias Uhl, H-Soz-u-Kult Es handelt sich um ein umfassendes Grundlagenwerk über die NVA im Zeitraum 1956-1971, das in die Hand jedes, der sich mit der Geschichte des Kalten Krieges, des Warschauer Paktes und der DDR befasst, gehört. Unseren lesern wird das Werk zur Lektüre und als Nachschlagewerk empfohlen. Hardthöhen-Kurier